Schön und gut: Das Zypern-Hilfspaket steht. Die Märkte atmen auf, und die Euro-Retter klopfen sich auf die Schulter. Zurück bleibt ein unfassbarer Schaden für die Eurozone – weil die EU einen kapitalen Fehler gemacht hat.
Als der Abend immer später wurde und die Gespräche immer härter, bestellten die Euro-Retter erst einmal Pizza. Zumindest wurden am späten Sonntagabend Boten, mit Stapeln von Pizzakartons bepackt, unweit der Verhandlungsräume in Brüssel gesichtet.
Das ist zwar nur eine Randnotiz vom Verhandlungspoker. Doch sie zeigt: Es waren – auf allen Seiten – letztlich nur Menschen, die da miteinander gerungen und gefeilscht haben. Und der Krisenmarathon hat den einen oder anderen von ihnen sicher an den Rand seiner Kräfte gebracht.
Pleite ist verhindert – vorerst
Das ist aber auch fast schon alles, was man den Verhandlungsparteien zu Gute halten kann. Zwar herrscht jetzt, nach der Einigung, die große Erleichterung. Doch die ganze Sache ist nur vordergründig – und auch nur vorerst – glimpflich ausgegangen: Das Rettungspaket für Zypern steht, die Pleite ist abgewendet. Und dennoch haben die Krisenmanager der Euro-Zone mal wieder ein Armutszeugnis abgelegt: Ausgerechnet ein Euro-Winzling wie Zypern hat es im dritten Jahr der Schuldenkrise geschafft, die Währungsgemeinschaft und ihre Partner an den Rand des Wahnsinns zu bringen. Und die Euro-Zone gefährlich nah an den Abgrund.
Eine Woche lang trieb Zypern seine Verhandlungspartner vor sich her – und letztere sind zu einem gehörigen Teil selbst schuld daran. Der größte Fehler ist ihnen bereits Anfang der Woche unterlaufen: Sie haben sich in einem ersten Anlauf mit den Zyprern auf ein Rettungspaket eingelassen, das eine Zwangsabgabe für Kleinsparer vorsah – auch für solche mit einem Kontostand unterhalb der europäischen Einlagensicherung von 100 000 Euro.
Dann die Ohrfeige: Das zyprische Parlament machte alles zunichte, indem es das Rettungspaket durchfallen ließ. Und damit nicht genug: Die zyprische Regierung ließ es so aussehen, als seien es die Euro-Retter gewesen, die den armen Zyprern die Zwangsabgabe auferlegt hatten – federführend, natürlich, die bösen Deutschen. Dabei hatten die Vertreter von EU und IWF nach eigener Aussage lediglich gesagt: 5,8 Milliarden Euro müsst ihr selbst zusammenkratzen, um zehn Milliarden Kredit von uns zu bekommen – von wem ihr sie euch holt, ist uns egal.
„Sündenfall auf Zypern“
Zypern hat schlicht den Volkszorn unterschätzt, den die Abgabe im eigenen Land schürte, und damit verheerenden Schaden angerichtet: Auf einmal stand die europäische Einlagensicherung, die nach den Erfahrungen der letzten Finanzkrise erst ausgebaut worden war und die die Europäer gerne stolz vor sich hertragen, komplett in Frage. Europaweit fragten sich Sparer, ob es ihnen demnächst auch ans Konto geht. „Mit dem Sündenfall auf Zypern bricht eine neue Epoche an“, schreibt die „Neue Zürcher Zeitung“.
Zwar ist letztlich eine Lösung gefunden, bei der Guthaben bis zu 100 000 Euro nicht angetastet werden. Doch es bleibt die Frage: Warum nicht gleich so? Warum hat die EU nicht frühzeitig die Reißleine gezogen, als sie merkte, dass sie das Vertrauen in die europäischen Sicherungsmechanismen riskiert? Und warum kann der Präsident eines Landes, das für 0,2 Prozent der Wirtschaftskraft der EU steht, absurde Vorschläge wie etwa die Einbeziehung der zyprischen Rentenkasse machen, mit dem Fuß aufstampfen, mit Rücktritt drohen und so im letzten Moment noch mal eben Zugeständnisse herausschlagen?
Überforderte EU-Retter
Die Odyssee zeigt zweierlei. Erstens: Es braucht nicht erst einen Italien-Crash, nicht einmal einen „Grexit“, um die Eurozone – mindestens aber ihre Glaubwürdigkeit – ernsthaft zu gefährden. Es braucht im Zweifel nur einen Zwergstaat und eine Truppe zerstrittener, überforderter Euro-Retter, die sich zum Narren halten lassen und nicht mit einer Stimme sprechen. Zypern stehe für eine „totale kommunikative Unfähigkeit an der Spitze von EU, Eurozone und Regierungen der Mitgliedstaaten, die ihresgleichen sucht“, schreibt der Wiener „Standard“.
Restlos ad absurdum geführt würde das ganze bisherige Hickhack, wenn sich ein Bericht der Zeitung „Die Welt“ bestätigt: Demnach reicht das Geld, auf das sich die Verhandlungspartner geeinigt haben – insgesamt mehr als 17 Milliarden Euro -, womöglich gar nicht aus, um Zypern zu retten – weil der wirtschaftliche Absturz des Inselstaats dramatischer ausfällt als ursprünglich erwartet.
Dann naht des unwürdigen Schauspiels nächster Akt.
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