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Deutschland Kinder und Medien

Schwesig will Jugendschutz im Internet verbessern

Politik-Redakteurin
Quelle: Infografik Die Welt
Alle sind online, aber die dazugehörigen Jugendschutzgesetze stammen noch aus der digitalen Steinzeit. Familienministerin Schwesig will das jetzt ändern – und auch die Wirtschaft an Bord holen.

Die Hersteller von Tablet-Computern und Smartphones werben gerne damit, dass ihre Produkte kinderleicht zu bedienen sind. Und sie werden auch tatsächlich zunehmend von Kindern genutzt. Schon Zweijährige wischen heute begeistert auf den Bildschirmen herum, spielen mit Memory und Tierstimmen-Apps oder schauen sich die Fotogalerie der Eltern an.

Die unterstützen die frühen Bemühungen ihres Nachwuchses um Medienkompetenz zwar – und oft haben sie auch ein genaues Auge darauf, was ihre Kinder in welchem zeitlichen Rahmen im Internet treiben. Und noch lieber würden sie sich darauf verlassen können, dass der Gesetzgeber für einen besseren Kinder- und Jugendschutz im Netz sorgt.

Das ergaben zwei neue Studien, die das Bundesfamilienministerium in Auftrag gegeben hat. Danach nutzen bereits elf Prozent aller Dreijährigen und sogar ein Viertel aller Fünfjährigen das Internet – die Zeiten schwanken zwischen einer halben Stunde pro Woche bis zu einer Stunde am Tag. Im Grundschulalter steigt die Zahl der Internetnutzer dann sprunghaft an. Schon mit neun Jahren sind 80 Prozent aller Kinder online, mit 12 dann nahezu alle.

Smartphones sind auf dem Vormarsch

Während im Vorschul- und Grundschulalter noch die Nutzung des häuslichen Familien-PCs oder Laptops dominiert, gewinnt mit zunehmendem Alter das eigene Smartphone an Bedeutung. Spätestens in der weiterführenden Schule, in den meisten Bundesländern also ab der fünften Klasse, haben drei Viertel aller Kinder ein internetfähiges Handy. Und weil sie es auch intensiv nutzen, wünschen sich 78 Prozent der Väter und sogar 89 Prozent der Mütter einen verbesserten Kinder- und Jugendschutz im Internet. Das ergaben die Umfrage „Gutes Aufwachsen mit Medien“ des Deutschen Jugendinstituts und eine ergänzende qualitative Studie des Hans-Bredow-Instituts für Medienforschung, die der „Welt“ exklusiv vorliegen.

Quelle: Infografik Die Welt

„Die Studienergebnisse zeigen: Kinder nutzen Medien ganz selbstverständlich, und sie beginnen früh damit. Dass spätestens zum Ende der Grundschulzeit beinahe alle Kinder online sind und knapp drei Viertel dann ein eigenes Smartphone besitzt, stellt besondere Anforderungen an Eltern, Schulen und den Jugendmedienschutz“, sagte Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) der „Welt“. Als Mutter eines achtjährigen Sohnes wisse sie auch aus persönlicher Erfahrung, welche Fragen die Eltern beim Umgang mit digitalen Medien beschäftigten. „Welche Medien gehören ins Kinderzimmer? Wann ist ein Kind alt genug für Internet und Smartphone? Wo finde ich altersgerechte und sichere Kinderangebote? Wie kann ich mein Kind schützen, ohne es ständig zu überwachen?“

Den Studien zufolge fühlt sich die große Mehrheit der Eltern zwar selbst „eher kompetent“ oder sogar „sehr kompetent“ im Umgang mit den neuen Medien. Bei der Frage, wie sie ihre Kinder besser begleiten können oder den Zugang zu bestimmten Inhalten beschränken können, wünschen sie sich hingegen mehr Informationen – vor allem dann, wenn Kinder älter werden und zunehmend ohne Aufsicht surfen und chatten. Und auch Kinder und Jugendliche selbst sorgen sich vor Gefahren wie der ungewollten Überwachung durch Ortungsdienste, der unfreiwilligen Weitergabe persönlicher Daten, Cybermobbing im Klassenchat oder der unfreiwilligen Konfrontation mit Sex- oder Gewaltfilmen.

Schwesig will Unternehmen in die Pflicht nehmen

Familienministerin Schwesig will deshalb noch in diesem Jahr zu einer Novellierung der veralteten Gesetze zum Jugendmedienschutz kommen, um Kinder und Jugendliche auch im Internetzeitalter wirksam vor jugendgefährdenden Inhalten zu schützen. Die Instrumente aus der Offline-Welt sind im digitalen Zeitalter stumpf geworden. Denn was nützt schon ein Fernsehsendetermin im Spätprogramm, wenn man sich denselben Film auch bequem am Nachmittag vor dem PC ansehen kann? „Wir werden das Jahr 2015 nutzen, um gemeinsam mit den Ländern zu abgestimmten Regelungen im Jugendmedienschutz zu kommen“, sagte Schwesig der „Welt“.

„Es ist unsere Aufgabe, die Medienerziehung im digitalen Zeitalter zu unterstützen und die Unternehmen in die Pflicht zu nehmen“, sagte die Ministerin. Sie lade deshalb zu einer Initiative „Gutes Aufwachsen mit Medien“ ein, mit der Bund, Länder, Kommunen und Unternehmen gemeinsam Verantwortung übernehmen und ihre Angebote der Elterninformation und -beratung weiterentwickeln könnten.

Das Familienministerium will dazu auch einen „Entwicklungsfonds Jugendmedienschutz“ auflegen, mit dem technische Innovationen zum Jugendschutz finanziell gefördert werden sollen. Insbesondere geht es dabei um eine Übereinkunft, dass eine international kompatible Jugendschutzsoftware automatisch auf Endgeräten wie Tablets und Smartphones vorinstalliert ist und nicht erst umständlich heruntergeladen werden muss („safety by design“). Eine solche Software könnte zum Beispiel altersbeschränkte Angebote automatisch aussortieren. Das vom Familienministerium geförderte Zentrum für Kinderschutz im Internet (KiZ) sei dazu bereits mit den Unternehmen im Gespräch, hieß es aus dem Ministerium.

Jugendmedienschutz soll international werden

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Mit dem Kongress „Netchildren 2020“, der am Donnerstag und Freitag in Berlin stattfindet, will Schwesig zudem einen „europäischen Fahrplan für ein gutes Aufwachsen mit Medien“ anstoßen. „Jugendmedienschutz funktioniert heute nicht mehr in nationalen Grenzen“, so Schwesig. „Wir wollen klären, welche Aufgaben Politik, Zivilgesellschaft und Unternehmen dabei haben, dass in Europa die Kinderrechte bei der Mediennutzung gefördert werden.“

Außerdem will Schwesig sämtliche vorhandenen Informationsangebote für Eltern und Kinder unter einem Dach zusammenführen. Für Lehrer und Erzieher soll ein Servicebüro eingerichtet werden, das Informationen zur medialen Entwicklung aus Forschung und Praxis aufarbeitet und den Fachkräften mit telefonischer und Online-Beratung zur Seite steht. Denn auch das haben die Studien ergeben: Eltern sehen sich zwar durchaus in der Verantwortung, wissen aber teilweise nicht, wie sie ihre Kinder über zeitliche Nutzungsbeschränkungen und pädagogische Gespräche hinaus sinnvoll beschützen sollen. Bei der Frage, über welche Wege sie gerne weiter informiert würden, gaben die Eltern übrigens eine bemerkenswert analoge Antwort: An erster Stelle stehen Informationsbroschüren, Bücher und der gute alte Elternabend an der Schule.

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