Von den Geschichten, die wir Woche für Woche veröffentlichen, ist es vielleicht die, die mich dieses Jahr bislang am meisten berührt hat: Wie der belgische Kinder­psychologe Koen Sevenants zwischen seinem Wohnsitz im Disneyland Valldemossa und Waisenhäusern in China hin- und herpendelt, um mit der von ihm gegründeten Organisation Morning Tears Kinder von Hingerichteten zu betreuen. Dort das Elend, die Gewalt, der Schmerz; hier der Wohlstand, der Frieden, die Belanglosigkeiten - diese Abend für Abend auch im Fernsehen zu erlebenden Gleichzeitigkeiten werfen überall im reichen Europa ethische Fragen auf.

Auf Mallorca, diesem Ferien­idyll im Mittelmeer, auf dem einer der größeren Aufreger ist, ob man nun am Strand aus Sangría-Eimern trinken darf oder nicht, spitzen sie sich noch einmal zu, wie Stephanie Schuster in ihrem Artikel herausgearbeitet hat. Es ist, als habe die Welt hier keine Eintrittskarte, formuliert auch die ­scheidende deutsche Konsulin Regina Lochner in ihrem ­Abschiedsbeitrag.

Nun sind jedoch nur die allerwenigsten von uns Koen Sevenants. Wir fühlen ein tiefes Unbehagen, wissen, dass da etwas ganz Grundlegendes ganz grundlegend aus dem Ruder läuft - und sehen doch keine Möglichkeit, daran etwas zu ändern. Die grausamen Bilder - derzeit aus dem Gaza-Streifen, dem Irak, Syrien, der Ost-Ukraine - lassen uns nicht nur abstumpfen, sie lassen uns vor allen Dingen mit einem Gefühl der Machtlosigkeit zurück.

Aus diesem Dilemma gibt es keine einfachen Auswege - keine politische Parteinahme, kein soziales Engagement, keine Spende, so wichtig sie auch sein mögen, kann es wirklich lösen. Wir müssen uns damit abfinden. Was wir versuchen können, ist in unserer winzig kleinen Parzelle Menschheit möglichst richtig und bewusst zu leben. Und vielleicht unser Verhältnis nicht nur zum materiellen Wohlstand, sondern auch zu unseren Mitmenschen zu überdenken.