Zum Inhalt springen

Todesfälle durch Lieferengpass bei Krebsmedikament?

In Deutschland könnte es zu vermeidbaren Todesfällen bei Krebspatienten kommen, weil ein wichtiges Medikament fehlt. Das Chemotherapeutikum Melphalan ist unverzichtbar für die Behandlung einer bösartigen Erkrankung im Knochenmark ("Multiples Myelom"). "Kein Onkologe, den ich kenne, hat das Medikament noch in nennenswerter Menge vorrätig", sagt der Krebsspezialist Günther Wiedemann im Interview mit dem SPIEGEL. "Alle sind stinksauer und entsetzt, dass so etwas passieren kann." Melphalan wird zur Vorbereitung einer Stammzelltransplantation benötigt, mit der sich die Krebserkrankung oft für lange Zeit aufhalten lässt. Ein Teil der Behandelten kann dadurch sogar geheilt werden. Dieser lebensrettende Eingriff muss derzeit auf unbestimmte Zeit verschoben werden, warnt die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. "Einige Patienten werden wohl früher sterben", so Wiedemann im SPIEGEL. Da Melphalan aus den Fünfzigerjahren stammt, ist der Patentschutz längst abgelaufen. Ein Behandlungszyklus kostet weniger als 2000 Euro, daher lohnt sich die Herstellung kaum. Es gibt in Europa nur noch eine Firma, Aspen Pharma Trading Limited, die Melphalan produziert, doch die hat derzeit Qualitätsprobleme und kann deshalb nicht liefern. Das Mittel aus dem Ausland zu importieren ist kaum noch möglich. Und die wenigen Großhändler, die noch über Vorräte verfügen, fordern teilweise mehr als das 25-fache des normalen Preises. Dabei ist Melphalan nur eines von vielen Medikamenten, die von Lieferengpässen bedroht sind, da der Patentschutz abgelaufen ist und die Hersteller damit keine ausreichenden Gewinne erwirtschaften. "Das muss gesetzlich besser geregelt werden", fordert Wiedemann. Sparen, so der Onkologe, sollte das Gesundheitssystem stattdessen lieber bei den extrem teuren, neu zugelassenen Krebsmedikamenten, die das Leben meist kaum verlängern, dafür aber pro Behandlungsjahr über 100.000 Euro kosten können.