Man muss sich die Cava-Flasche schon fest unter den Arm klemmen, um die Hände zum Traubenessen frei zu haben. Die "uvas de la suerte" (Glückstrauben), stecken in einem Tütchen, mit klammen Fingern holt man sie einzeln heraus. Es ist zuweilen kalt an Silvester vor dem "Cort" genannten Rathaus in Palma. Und sehr voll. Wie auch anderswo in Spanien in der noche vieja (der "alten Nacht" des 31. Dezembers) wartet man hier gemeinsam auf die "campanadas", die das neue Jahr ankündigen.

Bei jedem Glockenschlag schiebt man eine Weintraube in den Mund und wünscht sich etwas. Das ist einfacher gesagt als getan: Man muss schnell kauen und schlucken und denken und darf nicht lange nach Luft schnappen und quatschen und lachen. Erst nach der letzten Traube und mit der ersten Sekunde des neuen Jahres darf gejohlt, umarmt, geprostet werden. Man wünscht sich auf Spanisch feliz Año Nuevo, eine gutes neues Jahr. Auf Mallorca sagt man auch molt d´anys. Wörtlich aus dem Katalanischen übersetzt heißt das "viele Jahre".

Palmas Cort ist für sein Gedränge berüchtigt, die uvas werden aber auch auf den anderen Rathaus- oder Marktplätzen der Insel gemeinsam verzehrt. ­Tonangebend ist ­spanienweit das Uhrwerk am Rathaus in Madrid. Von dort, an der Puerta del Sol, übertragen sämtliche Fernseh­stationen die campanadas, damit auch die Daheimgebliebenen wissen, wann sie ihre Wünsche loswerden müssen.

Der Brauch, so heißt es, sei pfiffigen Festland-Winzern zu verdanken, die nach einer üppigen Ernte 1909 die zwölf Glückstrauben einführten, damit die Trauben nicht verdarben. Heute werden sie in Gewächshäusern eigens für Silvester kultiviert und reifen mit wenig Sonne im Dezember. Deshalb ist ihr Säuregehalt auch beträchtlich.

Ein weiterer Glücksbringer in der mallorquinischen Silvesternacht ist rote Reizwäsche. Seit Ende der 80er ­verspricht dieser auch in Italien verbreitete Brauch feurige Leidenschaft und große Liebe im neuen Jahr. Allerdings nur, wenn man die Dessous geschenkt bekommen hat. Entsprechend groß ist das Lingerie-Angebot in der ­Weihnachtszeit: Von der kitschig-billigen Teufels-Tanga für sie und ihn bis hin zum edlen ­Seidendessous ist so ziemlich alles dabei.

Vor, nach oder neben dem Rathausplatz wird häufig in Restaurants oder Discotheken gefeiert. Dort ist Eleganz angesagt - die Frauen etwa tragen extrem kurze Kleidchen oder bodenlange Abendroben - und auch ein wenig Karneval. Zum Silvesterspektakel hat man Perücken auf oder setzt sich Papierhüte schief auf den Kopf. Dazu gehört eine cotillón-Tüte mit Konfetti und Luftschlangen. Der Preis für das Silvestermenü vieler Restaurants schließt die Spaßartikel mit ein.

Gegessen und getrunken wird - meist im Familienkreis -, was gut schmeckt und häufig, gerade zu dieser Jahreszeit, auch teuer ist: Meeresfrüchte, guter Schinken, Rinderfilets. Und dazu trinkt man wirklich guten Wein, Cava zu den ­typischen Weihnachtssüßigkeiten wie turrón und polvorones und gegen Ende der Mahlzeit edle Spirituosen - es soll ja schließlich auch im kommenden Jahr an nichts fehlen.

Darum, wie es im neuen Jahr wird, kümmert man sich relativ wenig. Nach Mitternacht heißt die Devise: ab auf die Piste! Andere kehren zur Party nach Hause zurück. Wo der Fernseher läuft, können sie noch einmal jubeln, weil Spanien zwei Zeitzonen hat: Auf den Kanaren schlingt man die Glückstrauben eine Stunde später runter.

Feuerwerk und Knallerei stehen natürlich auch auf dem Programm, aber Mallorca muss mit der Festtagsmunition sparsam umgehen: Weihnachten und Silvester sind nur der Beginn einer Saison voller Feiern. Die richtig großen offiziellen Feuerwerke finden meistens zu den Patronatsfesten statt.

Anfahrt: Parkhäuser in Palma sind 24 Stunden geöffnet. Das Parken in den blauen Zonen ist ab 20 Uhr gratis. Der "Bus de Nit" (EMT-Linie 41) fährt von der Plaça d´Espanya zur Disco-Meile am Passeig Maritim. Preis der Fahrt: 1,50 Euro.