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Streit über Umwelt-PR So irreführend sind die Wissenslücken der Klimaforscher

Berichten über Klimaforschung ist kaum zu trauen, wie Analysen zeigen. Grund sind voreingenommene Journalisten, übertreibende Politiker und arrogante Forscher. Eine neue Strategie soll das ändern.
Monsunwolken über dem Indischen Ozean: Kaum ein Thema ist verworrener als das Klima

Monsunwolken über dem Indischen Ozean: Kaum ein Thema ist verworrener als das Klima

Foto: Corbis

Der Befund schien eindeutig. Nachdem Hurrikan "Katrina" vor zehn Jahren New Orleans verwüstet hatte, offenbarte eine Studie Dramatisches : Die Klimaerwärmung hätte dafür gesorgt, dass Stürme heftiger würden. Der Mensch also stecke hinter der Katastrophe, lautete die Botschaft.

Andere Forscher kritisierten die Behauptung . Unsicherheiten in den Ergebnissen seien ignoriert worden. Der Uno-Klimarat IPCC überging die Einwände. In seinem vierten Sachstandsbericht 2007 diagnostizierte der Rat  eine Zunahme der Intensität von Hurrikanen.

Die Feststellung war voreilig, wie sich nun zeigt; die These von den stärker werdenden Hurrikanen lässt sich nicht halten, wie mehrere  Studien zeigen . Immer klarer wird: Die Klimaforschung hat ein Kommunikationsproblem: Unsicherheiten, also Wissenslücken, ihrer Ergebnisse bleiben allzu häufig verborgen - und das liegt nicht nur an den Wissenschaftlern.

Vorgegaukelte Eindeutigkeit

Auch Berichterstatter verzerrten die Ergebnisse aus der Klimaforschung auf problematische Weise, haben Forscher jetzt in einer umfassenden Analyse englischsprachiger Massenmedien festgestellt . Von 1906 im Herbst 2013 untersuchten Artikeln offenbarte nur jeder siebte Unsicherheiten der Ergebnisse, die im Uno-Klimareport dargestellt worden waren. Der Rest gaukelte Eindeutigkeit vor.

Eine bemerkenswerte Diagnose, ist doch kaum ein Thema verworrener als das Klima. Tausende Umweltphänomene wirken gleichzeitig aufeinander: Kleine Änderungen können gewaltige Umwälzungen auslösen, große hingegen von sogenannten Rückkopplungen abgefedert werden. Warum also der Hang zur Eindeutigkeit?

Politiker und Bürger erwarten deutliche Botschaften: Auf welche Folgen des Klimawandels sollen sie sich einstellen? Sogenannte Skeptiker (siehe Grafik) sorgen besonders in den USA mit verzerrten Darstellungen von Forschungsergebnissen dafür, dass Warnungen aus der Klimaforschung als übertrieben gebrandmarkt werden.

Schreibhilfe für Forscher

Im Bemühen um Klarheit sollten Klimaforscher Berichte über ihre Ergebnisse deshalb in eine Art PR-Sprache kleiden, empfehlen Medienforscher um Stephan Lewandosky von der University of Bristol in einer weitverbreiteten Kommunikationshilfe für Wissenschaftler .

Foto: SPIEGEL ONLINE

Um Fehlinterpretationen vorzubeugen, sollten Experten demnach vorsichtig sein mit Wissenschaftsvokabular: Das Wort "Unsicherheit" etwa sei für Laien missverständlich, der Begriff "Risiko" treffender, heißt es in der Handreichung.

Nicht schreiben sollte man der Empfehlung zufolge: "Obwohl es große Unsicherheiten gibt über den Klimawandel in einer Region, ist es wahrscheinlich, dass der Klimawandel mehr Überflutungen verursachen wird." Stattdessen wird Forschern folgende Formulierung empfohlen: "Das Risiko, dass ihre Stadt überflutet und unsere Wirtschaft und Schulen beschädigen wird, ist nun größer als jemals zuvor aufgrund des Klimawandels."

"Ihre Frage ist falsch gestellt"

Die Ratgebersprache verführe jedoch mitunter zu Übertreibungen, rügen Sozialforscher im Fachblatt "Nature Climate Change" : Klimaforscher sollten ihre Unsicherheiten deutlicher hervorheben, resümieren die Autoren Gregory Hollin und Warren Pearce.

Als schlechtes Beispiel nennen sie den Auftritt der IPCC-Leitautoren bei der Vorstellung des letzten Uno-Klimaberichts Ende September 2013 in Stockholm. Kritische Fragen von Journalisten seien damals zu Unrecht abgewiesen und unzureichend beantwortet worden.

Auf der Pressekonferenz in Stockholm hatte es der Mitarbeiter einer britischen Zeitung gewagt, den IPCC-Wissenschaftlern auf dem Podium die Frage zu stellen, warum Computersimulationen das Stocken des globalen Temperaturanstiegs in den vorherigen 15 Jahren nicht vorhergesehen haben. "Ihre Frage ist falsch gestellt", rüffelte der Chef der Weltorganisation für Meteorologie (WMO), Michel Jarraud, arrogant den Reporter.

Dabei brauchen Forscher Journalisten eigentlich nicht zu fürchten: Die Medienleute würden ihre eigenen Berichte als objektiv werten, sofern sie dem wissenschaftlichen Konsens folgten, berichten zwei Medienforscher im Fachblatt "Science Communication" .

Indes: Konsens herrscht in der Klimaforschung allenfalls über die Frage, ob der Mensch die Erwärmung beschleunige, alle anderen Fragen sind mehr oder weniger stark umstritten. Die Journalisten scheinen sich mithin in vielen Berichten auf imaginären Konsens zu berufen.

Überraschende Umfrage

So auch Politiker: Wohl in der guten Absicht, widerspenstige Staaten für einen Weltklimavertrag zu gewinnen, übergeht US-Außenminister John Kerry gerne den Stand der Wissenschaft. Klimaforscher wären sich einig , dass die Welt sich "dramatisch zum Schlechten wandeln" würde, sofern der CO2-Ausstoß nicht gestoppt würde. Hypothesen werden so in einem Satz zur feststehenden Prognose.

Wissenschaftler diskutieren sogar noch über den Einfluss der Treibhausgase: Eine Umfrage unter 1868 Klimaforschern ergab , dass gut ein Drittel den Anteil menschengemachter Treibhausgase an der Klimaerwärmung als untergeordnet oder ungewiss einschätzen. Ein Befund, der zwar kaum geeignet scheint, die Sorgen über das Risiko gefährlicher Klimaänderungen zu lindern. Er offenbart allerdings die fundamentalen Kontroversen.

Die Chefredakteurin des wichtigsten Wissenschaftsmagazin "Science" indes will die Diskussion offenbar nicht hören: "Die Zeit für Diskussionen ist vorbei", schriebt Marcia McNutt  kürzlich in einem Leitartikel zum Klima. Sie forderte die Welt zum Handeln gegen den Klimawandel auf.

Diese Schlussstrichbefehle seien nicht hilfreich, rügte hingegen unlängst der ehemalige wissenschaftliche Berater von US-Präsident Barack Obama, Steven Koonin, in einem Aufsatz im "Wall Street Journal" .

Wie in einer Ehe

Für eine gute Umweltpolitik werde robusteres Wissen über das Klima benötigt, schreibt Koonin. Unsicherheiten der Kenntnisse müssten stärker betont werden, damit sich eventuell betroffene Gegenden besser auf den Klimawandel vorbereiten, ihre Kosten abwägen könnten.

Der politische Zwang zur Eindeutigkeit gefährde die wissenschaftliche Debatte, mahnen auch  die Sozialforscher William Butos und Thomas McQuade. Die Klimadebatte drohe zu ersticken. Das Auslassen der Unsicherheiten spiele letztlich Lobbyisten in die Hände: Sie können sich genehme Teile der Wahrheit herauspicken.

Manche Klimaforscher begegnen den Unsicherheiten ihrer Kenntnisse pragmatisch: "Wenn Sie mich fragen, wie oft es in 40 Jahren Extremregen an einem bestimmten Ort gibt, kann ich nur sagen: Ich weiß es nicht", sagt Daniela Jacob, Direktorin des Climate Service Centers. Computermodelle über das Klima der Zukunft lieferten lediglich Spannbreiten.

Das Klimathema sei aber gar nicht so sonderbar, meint Jacob: "In der Wirtschaft oder in einer Ehe geht es uns doch nicht besser." Auch in diesen Lebensbereichen gründeten Prognosen auf erheblichen Unsicherheiten. Und dennoch würden Entscheidungen getroffen.

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Korrektur: In der zitierten Umfrage stuften gut ein Drittel von 1868 Klimaforschern den Einfluss der Treibhausgase als untergeordnet oder als ungewiss ein.

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