Klage wegen Diskriminierung:Keine Beförderung für Schwangere

Jahrelang hat Barbara Steinhagen ihren Chef beim Musikkonzern Sony BMG vertreten. Als die Stelle frei wird, bekommt sie ein Kollege. Weil sie schwanger war? Barbara Steinhagen fordert Schadensersatz.

Daniela Kuhr

Barbara Steinhagen war 33 Jahre alt, da verdiente sie bereits 8700 Euro monatlich. Ihre Karriere beim Musikkonzern Sony BMG war geradlinig verlaufen. Bis zum 13. Oktober 2005. An dem Tag erfuhr sie, dass nicht sie Vizepräsidentin des Bereichs "International Marketing" wird, sondern einer ihrer männlichen Kollegen. Das habe sie "kalt erwischt", erzählt sie, so kalt, dass sie es nicht auf sich beruhen lassen wollte. Rund 17.500 Euro Schadensersatz fordert Steinhagen nun. An diesem Donnerstag wird sich das Bundesarbeitsgericht mit ihrem Fall befassen, zum zweiten Mal.

Klage wegen Diskriminierung: Barbara Steinhagen verklagt Sony BMG wegen Diskriminierung auf Schadensersatz.

Barbara Steinhagen verklagt Sony BMG wegen Diskriminierung auf Schadensersatz.

(Foto: privat)

Egal, wie die Sache ausgeht: Der Prozess zeigt, wie viel Stehvermögen eine Frau in Deutschland benötigt, wenn sie mit dem Vorwurf, diskriminiert worden zu sein, vor Gericht zieht. Steinhagen, heute 38 Jahre alt, ist überzeugt, dass sie nur deshalb nicht befördert wurde, weil sie damals schwanger war. Schließlich war sie es gewesen, die bis dahin den Vizepräsidenten vertreten hatte. Zudem habe man ihr mehrfach signalisiert, dass sie seine Nachfolgerin werde. Nachdem sie bei der Beförderung übergangen worden war, meinte ihr Vorgesetzter nur, dass sie sich jetzt auf ihr Kind freuen könne.

All dies sind nach Auffassung von Steinhagen Indizien dafür, dass sie wegen ihres Geschlechts benachteiligt wurde. Doch nicht einmal bis dahin wollten ihr alle Richter folgen. Das Arbeitsgericht Berlin hatte ihr recht gegeben, das Landesarbeitsgericht nicht, das Bundesarbeitsgericht stimmte ihr in einem wichtigen Punkt zu und verwies deshalb zurück an das Landesarbeitsgericht. Dort unterlag sie jedoch ein zweites Mal, so dass der Fall jetzt erneut bei Deutschlands obersten Arbeitsrichtern gelandet ist, fünf Jahre nachdem die Klage eingereicht wurde.

"Der Aufwand, der hier betrieben werden musste, steht in keinem Verhältnis mehr zum geforderten Schadensersatz", sagt Steinhagens Anwalt Bernhard Steinkühler. Aber inzwischen sei das Geld zweitrangig. "Uns geht es um die Sache." Der Fall sei vor allem deshalb bedeutsam, weil seine Mandantin bei der Beförderung benachteiligt wurde und nicht - wie in anderen Streitfällen - bei einer Einstellung. "Wir wollen wissen: Hat eine Frau, die sich bei einer Beförderung diskriminiert fühlt, eine reelle Chance auf Schadensersatz, oder sind die ganzen Antidiskriminierungsvorschriften nur zahnlose Tiger?"

Silke Kühne hat ihre eigenen Erfahrungen mit dem Thema. Die 49-Jährige hatte ebenfalls ihren Arbeitgeber verklagt - die Verwertungsgesellschaft Gema. Auch Kühne war bei einer Beförderung übergangen worden. Als Abteilungsleiterin der Personalverwaltung besaß sie jedoch einen Trumpf, von dem andere Diskriminierungsopfer nur träumen. Sie hatte nicht nur Einblick in die Personalakten und Gehaltsstruktur, sie wusste auch, wer wann befördert wurde.

Also beauftragte sie einen Mathematiker auszurechnen, mit welcher Wahrscheinlichkeit es Zufall ist, dass Männer bei der Gema viel schneller befördert werden als Frauen. Das Ergebnis: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 98,7 Prozent handele es sich um systematische Diskriminierung. Das Landesarbeitsgericht zeigte sich davon beeindruckt, das Bundesarbeitsgericht jedoch nicht.

Vielleicht hätten sich weniger Frauen beworben oder vielleicht seien sie weniger flexibel gewesen als die Männer, begründeten die Richter das Urteil. Es bedürfe weiterer Anhaltspunkte, um eine Diskriminierung zu vermuten. Kühne ist zuversichtlich, dass sie diese vorlegen kann. "Aber nur, weil ich Einblick in die Personalvorgänge habe. Andere Frauen haben das nicht." Sie betrachtet die Sache daher nüchtern. "Wenn das Bundesarbeitsgericht im Fall von Frau Steinhagen wieder so rigoros entscheidet, kann man den Anspruch auf Schadensersatz vergessen. Der steht dann nur auf dem Papier."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: