Verdi will bei Amazon weiter kämpfen – aber wann?

Nach 23 Tagen Streik – dem ersten bei Amazon – herrscht scheinbar Stillstand. Ein Tarifvertrag für die 10.000 Beschäftigten scheint nicht in Sicht.

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Von
  • dpa

Im festgefahrenen Konflikt um einen Tarifvertrag für die rund 10.000 Festangestellten beim Online-Versandhändler Amazon Deutschland gibt sich die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi weiter kampfbereit. Seit Sommer 2013 haben Teile der Belegschaft am größten Standort im hessischen Bad Hersfeld und in Leipzig immer wieder gestreikt. Die Streikenden wollten dem deutschen Ableger des US-Handelsriesen Amazon einen Tarifvertrag nach den Bedingungen des Einzel- und Versandhandels abringen. Mitte Dezember hatten sich auch Mitarbeiter am bayerischen Standort Graben für einen Tag beteiligt.

An insgesamt 23 Tagen wurde gestreikt. Besonders schmerzhaft sollte der Ausstand den weltgrößten Online-Versender in der Vorweihnachtszeit treffen. Doch Fehlanzeige. Das Unternehmen rührte sich nicht von der Stelle und bestritt jegliche Auswirkungen aufs Geschäft. Und Verdi scheint trotz erneuten Streikankündigungen etwas die Puste ausgegangen zu sein.

"Die Streiks vor Weihnachten waren eine große Geschichte", sagt Verdi-Bereichsleiter Jörg Lauenroth-Mago in Leipzig. Nach einer so großen Sache müsse man der Gegenseite auch Luft lassen. "An unserer Forderung nach einem Tarifvertrag hat sich nichts geändert. Wir beobachten die Situation und die Entwicklung in der Branche", sagt der Gewerkschafter. "Wir wollen der Geschäftsführung Zeit zur Reaktion geben."

Der Konzern hat es bisher stets abgelehnt, in Tarifverhandlungen einzutreten. Amazon sehe auch weiterhin keinen Anlass für Verhandlungen, sagt eine Sprecherin. Das Unternehmen orientiere sich an den Tarifen der Logistik-Branche und liege bei der Bezahlung am oberen Ende des Üblichen. "Wir sind der Meinung, dass unsere Extras einfach nicht in unflexible Verträge passen", sagt sie. "Wir arbeiten eng mit unseren Mitarbeitern und den Betriebsräten zusammen."

Es sei noch nicht klar, wann 2014 wieder gestreikt werde, sagt Lauenroth-Mago. "Wir werden weiter Druck machen, wollen aber für Amazon unkalkulierbar bleiben." Ist der Gewerkschaft vielleicht der Protest von Teilen der Belegschaft gegen die Streiks in die Glieder gefahren? Immerhin 1000 Unterschriften wurden für die Aktion Pro Amazon gesammelt.

Das Unternehmen bestritt, die Aktion mitinitiiert zu haben. Die Gräben in der Belegschaft seien viel weniger tief als es scheine, betonte Lauenroth-Mago. Es gehe kein Riss durch die Belegschaft. Es gebe schließlich immer Leute, die nicht mitstreikten. "Die Menschen, die dort arbeiten, haben mit ihrem Arbeitgeber eine große Identifikation, auch die die kritisch sind", beschwichtigt Lauenroth-Mago.

Momentan ist unklar, wie die verfahrene Situation aufgelöst werden kann. Die Gewerkschaft scheint unter Zugzwang zu stehen. Es sei prinzipiell für eine Gewerkschaft nicht hinnehmbar, dass ein Unternehmen sich weigere, überhaupt in Tarifverhandlungen einzutreten, sagt der Streikexperte der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, Heiner Dribbusch. Die aus solchen Situationen resultierenden Auseinandersetzungen könnten sehr langwierig werden. (bb)