Ums Englischsprechen ist es in Deutschland nicht besonders gut bestellt. 40 Prozent der Bundesrepublikaner können kein einfaches Gespräch in einer Fremdsprache führen. Das ergibt sich aus einer europäisch vergleichenden Umfrage. 50 Prozent der Befragten waren der Ansicht, dass ihre Sprachkenntnisse nicht ausreichen, um ein paar Worte auf Englisch wechseln zu können. Damit belegt Deutschland unter den 28 Mitgliedsländern der Europäischen Union zwar keinen der Abstiegsplätze, kommt aber über einen Platz im Mittelfeld nicht hinaus.

Eine Analyse von Stellenanzeigen in Tageszeitungen zeigt jedoch, dass Mehrsprachigkeit, insbesondere die Fähigkeit, Englisch zu sprechen, auf dem Arbeitsmarkt immer wichtiger geworden sind. Diese Sprache ist zwar in den hochqualifizierten Berufen besonders gefragt, sie wird aber auch in den niedrig qualifizierten immer wichtiger – zum Beispiel für das Personal an Flughäfen, in Hotels oder in der Gastronomie.

Die Situation bei unseren niederländischen Nachbarn und in den skandinavischen Ländern ist eine ganz andere. In den Niederlanden, in Dänemark und in Schweden sind es deutlich mehr als 80 Prozent der Bevölkerung, die sich zutraut, auf Englisch ein Gespräch zu führen.

Deutschland ist ein Synchronisationsland

Sprachen werden vor allem in der Schule, durch längere Auslandsaufenthalte – und durch den Konsum fremdsprachiger Medienprodukte gelernt. Was das Fernsehangebot angeht, läuft in Deutschland aber etwas schief. Fast alle Sendungen aus dem Ausland werden synchronisiert, der Anteil der fremdsprachigen Angebote im Fernsehen ist sehr gering. Eine von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene und von der Media Consulting Group durchgeführte Studie klassifiziert Länder danach, wie sie mit ausländischen Filmen und Sendungen umgehen. Die Autoren unterscheiden zwischen "Untertitelungsländern", in denen die Mehrzahl der Sendungen in der Originalsprache mit Untertiteln ausgestrahlt wird und "Synchronisationsländern". Deutschland gehört wie Frankreich, Italien und Österreich zur Gruppe der Länder, in denen die Synchronisation vorherrscht. In Ländern, in denen besonders gut Englisch gesprochen wird wie den Niederlanden, in Dänemark, Finnland, Norwegen, Schweden und Estland  wird der Untertitelung der Vorzug gegeben.

Dabei fielen von den im Jahr 2009 ausgestrahlten rund 83.000 Fernsehstunden fast 90 Prozent auf Sendungen, die in einer anderen Sprache gedreht wurden. Mehr als die Hälfte der Zeit wird allein von amerikanischen und damit englischsprachigen Produktionen bespielt. Würden diese Sendungen in der Originalsprache ausgestrahlt, dann käme dies einem Fremdsprachenunterricht gigantischen Ausmaßes gleich – ohne zusätzliche Kosten.

Tatsächlich stehen die Bundesbürger der Idee aufgeschlossen gegenüber, englischsprachig produzierte Kinder- und Jugendsendungen im Original zu zeigen. Rund 40 Prozent der Gesamtbevölkerung und über die Hälfte der jungen Erwachsenen sprechen sich dafür aus, Kinder- und Jugendsendungen allein in der Originalsprache auszustrahlen. Das zeigt eine aktuelle Studie des infas Instituts für angewandte Sozialwissenschaft in Bonn, für die 1.500 Erwachsene telefonisch befragt wurden. Von jenen, die eine nicht übersetzte Ausstrahlung von Kinder- und Jugendsendungen ablehnen, wären 83 Prozent doch dafür zu gewinnen, wenn parallel zur englischen Originalversion die deutsche Synchronisation verfügbar wäre, der Zuschauer also zwischen zwei Versionen die Wahl hätte.

Wenn man nach dem gesamten Fernsehprogramm fragt, spricht sich zwar nur jeder Dritte dafür aus, angelsächsische Produktionen nur in ihrer Ursprungssprache zu senden. Allerdings fänden es 83 Prozent gut, wenn sie zwischen den Sprachen wählen könnten. Dabei ist es die Generation der unter 35-Jährigen, die ein besonders starkes Interesse an englischsprachigen Sendungen und damit an einem Nebenbei-Sprachunterricht via TV hat.  

Und dieser "Unterricht" würde von sehr vielen Menschen auch wahrgenommen werden. Vier Stunden täglich verbringen sie vor der Glotze. Trotz der starken Zunahme des Internetkonsums in den letzten zehn Jahren ist die Fernsehnutzung von 2000 bis 2013 sogar von 203 auf 243 Minuten täglich weiter angestiegen.

Ein weiterer Vorteil: Eine Ausstrahlung von Medienimporten in der Originalsprache ist kostengünstig. Die Sendungen stehen ja schon in der Originalsprache bereit. Flächendeckende Untertitelung wäre sogar ein echtes Sparprogramm, denn sie ist deutlich preisgünstiger als eine Synchronisation. Letzteres ist aber schwer durchzusetzen, denn die Zuschauer wollen die Wahl haben. Sonst könnten sie sich entmündigt fühlen.

90 Minuten kostenfreier Sprachunterricht

Fremdsprachen kann man in jedem Alter lernen. Kinder und Jugendliche lernen neue Sprachen jedoch schneller und besser. Bereits vom 10. Lebensjahr an fällt die Lerneffizienz für eine Zweitsprache kräftig ab. Deswegen sollte man vor allem Kinder- und Jugendsendungen im Original zeigen. Die Bedingungen dafür sind überaus günstig. Fernsehgucken steht bei den 3- bis 13-Jährigen weiterhin ganz oben in der Hitparade der Lieblingsbeschäftigungen und liegt deutlich vor Musik oder Radio hören oder am Computer spielen. Über 90 Minuten täglich verbringen Kinder im Alter von 3-13 Jahren im Durchschnitt vor dem Fernseher; das sind zwei Schulstunden pro Tag und das bei einer Siebentagewoche. Die Gruppe der 14- bis 29-Jährigen verbringt sogar 134 Minuten täglich vor dem Fernseher.

Hinzu kommt, dass vor allem die Drei- bis Siebenjährigen eine besondere Vorliebe für den gemeinsam von ARD und ZDF betriebenen Kinderkanal (KIKA) haben. Über 30 Prozent der Altersgruppe wenden sich diesem Sender zu, gefolgt von den beiden privaten Anbietern Super RTL (25 Prozent) und Nickelodeon (10 Prozent). Anders als private Sender haben öffentlich-rechtliche Anstalten auch einen expliziten Bildungsauftrag. Zudem hat die Politik über die Rundfunkräte Einfluss auf das Programm und die Ausrichtung des Senders – eine überaus günstige Konstellation. Die Multilingualität der Bürger ließe sich längerfristig leicht verbessern, wenn man die fremdsprachigen Fernsehsendungen für Kinder und Jugendliche in Zukunft nicht alle ins Deutsche synchronisieren, sondern auch in der Originalsprache ausstrahlen würde. Warum noch warten?