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NSA-Affäre Westerwelle warnt vor deutsch-amerikanischem Bündnisbruch

Die Wut gegen die USA wächst. Laut Außenminister Westerwelle sind die Ausspähungen durch die NSA "politisch höchst schädlich". Auch Unions- und SPD-Politiker sind alarmiert: Amerika müsse sein Weltmachtgehabe ablegen, sagte CDU-Fraktionschef Kauder.
Außenminister Westerwelle: "Auf deutschem Boden gilt deutsches Recht"

Außenminister Westerwelle: "Auf deutschem Boden gilt deutsches Recht"

Foto: Michael Kappeler/ dpa

Hamburg/Berlin - Die Bundesregierung verschärft den Ton gegenüber den USA. "Nicht alles, was technisch möglich sein mag, ist auch politisch vernünftig", teilte Außenminister Guido Westerwelle am Sonntag mit. Der FDP-Politiker spielt damit auf massive Vorwürfe gegen US-Geheimdienste an, wonach die Amerikaner Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie das Berliner Regierungsviertel ausspähen.

Abhören unter Freunden und Partnern sei politisch höchst schädlich, so Westerwelle weiter. "Denn es droht die Bindungen zu untergraben, die uns zusammenhalten und die wir für die gemeinsame Gestaltung der Zukunft in der globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts mehr denn je brauchen", warnt der deutsche Außenminister.

Auf deutschem Boden gelte deutsches Recht - und zwar, so Westerwelle, für jeden: "für Deutsche und Ausländer, für Bürger und Unternehmen ebenso wie für Diplomaten und Botschaften."

"Amerika muss sein Weltmachtgehabe ablegen"

Aus einer geheimen Datei des US-Geheimdienstes, die dem SPIEGEL vorliegt, geht hervor, dass die NSA offenbar bereits seit mehr als zehn Jahren das Handy von Bundeskanzlerin Merkel ausspäht. Dokumente des früheren Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden weisen darauf hin, dass in der diplomatischen Vertretung eine Geheimeinheit von NSA und CIA sitzt, mit der die Amerikaner einen Gutteil der mobilen Kommunikation im Regierungsviertel überwachen. Die US-Botschaft am Brandenburger Tor liegt etwa 800 Meter von Merkels Amtssitz entfernt.

Merkel hatte Obama am vergangenen Mittwoch per Telefon mit den Vorwürfen konfrontiert. In dem Telefonat hat der US-Präsident der Kanzlerin versichert, nichts von einer möglichen Überwachung ihres Mobiltelefons gewusst zu haben. Obama erklärte nach Informationen des SPIEGEL, dass er eine Abhöraktion sofort gestoppt hätte, falls er darüber informiert gewesen wäre. Der US-Präsident habe sein tiefes Bedauern ausgedrückt und sich bei Merkel entschuldigt, heißt es im Kanzleramt.

Auch Volker Kauder, Unionsfraktionschef und Merkels Vertrauter, äußerte sich nun empört: "Amerika muss sein Weltmachtgehabe gegenüber seinen Partnern ablegen", sagte er der "Welt am Sonntag". Wegen der Affäre kommen inzwischen sogar aus der Union Forderungen, die Gespräche über eine engere wirtschaftliche Verzahnung zwischen Europa und den USA auszusetzen. "Wir sollten die Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen mit den USA auf Eis legen, bis die Vorwürfe gegen die NSA geklärt sind", sagte die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner dem SPIEGEL. Auch die Sozialdemokraten hatten dies gefordert.

SPD- und CSU-Politiker erwägen Befragung von Snowden

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) drohte US-Geheimdienstlern in der "Bild am Sonntag" mit juristischen Schritten. "Abhören ist eine Straftat, und die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden." Die betroffenen Geheimdienstmitarbeiter sind laut SPIEGEL-Informationen aber als Diplomaten akkreditiert und genießen damit Privilegien.

Die SPD forderte unterdessen einen Untersuchungsausschuss. "Nur Aufklärung kann das schwer gestörte Vertrauen in den Schutz der Privatsphäre wiederherstellen", sagte Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann der "Bild am Sonntag". Kauder verwies dagegen auf das Parlamentarische Kontrollgremium im Bundestag. Nur ein geheim tagendes Gremium könne sich den Fragen intensiv widmen. Oppermann sagte zudem, der Ex-Geheimdienstler Snowden könne ein wertvoller Zeuge sein.

Der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl zeigte sich im "Tagesspiegel" ebenfalls für eine Anhörung offen. "Wenn die Antworten von amerikanischer Seite nicht befriedigend ausfallen, dann wäre als Ultima Ratio auch eine Befragung von Snowden denkbar."

Im Washingtoner Regierungsviertel gab es am Samstag eine Demonstration zur Unterstützung Snowdens, der in seiner Heimat wegen Geheimnisverrat gesucht wird und nach Russland geflüchtet ist. Nach Teilnehmerangaben versammelten sich vor dem Kongressgebäude mehr als 2000 Menschen. Sie forderten ein Ende der massenhaften Internetüberwachung durch die NSA.

lgr/Reuters