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Deutschland Sozialbetrugsverdacht

Großrazzia in 110 Pflegeheimen

Razzia: Vor einer Woche wurde ein Büro einer Pflegefirma in Berlin durchsucht. Es ging um organisierten Betrug bei Pflegeabrechnungen Razzia: Vor einer Woche wurde ein Büro einer Pflegefirma in Berlin durchsucht. Es ging um organisierten Betrug bei Pflegeabrechnungen
Razzia: Vor einer Woche wurde ein Büro einer Pflegefirma in Berlin durchsucht. Es ging um organisierten Betrug bei Pflegeabrechnungen
Quelle: dpa
Hunderte Ermittler haben in Norddeutschland bei einer groß angelegten Razzia Pflegeheime durchsucht. Es geht um Sozialbetrug. Sozialministerin Alheit spricht von einem Skandal.

Bei Razzien in 110 Pflegeheimen und Kliniken haben der Zoll und die Staatsanwaltschaften Kiel und Lübeck zahlreiche Unterlagen wie etwa Dienstpläne beschlagnahmt.

„Es geht um den Verdacht, dass Pflegekräfte als Scheinselbstständige beschäftigt und auf diese Weise Sozialabgaben in Höhe von 6,1 Millionen Euro in den Jahren 2010 bis 2016 nicht gezahlt wurden“, sagte Oberstaatsanwalt Axel Bieler am Freitag in Kiel. Bei den Durchsuchungen am Mittwoch und Donnerstag seien 650 Kräfte des Zolls und der Ermittlungsbehörden im Einsatz gewesen. Zuvor hatten verschiedene Medien darüber berichtet.

Schleswig-Holsteins Sozialministerin Kristin Alheit (SPD) sprach am Freitag von einem „richtigen Skandal“. Arbeitnehmer seien ausgebeutet und Arbeitsverhältnisse vorgetäuscht worden. „Wir müssen uns das ganz genau angucken, und wir müssen Mechanismen entwickeln, dass das nicht wieder vorkommen kann“, sagte Alheit.

Kein bezahlter Urlaub, kein Geld bei Krankheit

Es gebe Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche in 237 Einrichtungen, sagte Bieler. Betroffen seien 181 Einrichtungen in Schleswig-Holstein und 56 Einrichtungen in anderen Bundesländern mit Bezug zu Schleswig-Holstein. „Dort werden beispielsweise Personalunterlagen gelagert“, erklärte Bieler. Strafrechtlich gehe es um Paragraf 266a des Strafgesetzbuches, das „Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt“. Die Auswertung der Unterlagen werde noch geraume Zeit dauern, kündigte Bieler an.

Hintergrund seien Ermittlungen gegen Personalagenturen gewesen, die Pflegekräfte vermitteln. Praktisch alle großen Pflegeheimbetreiber hätten das Modell betrieben, sagte Bieler: „Pflegekräfte wurden als Selbstständige eingestellt, so dass die Sozialabgaben eingespart wurden, aber auch bezahlter Urlaub oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.“

„Kriminelle Energie“

Alheit erklärte, die Vorfälle seien eine Bestätigung für die Gründung einer Pflegekammer – „weil bisher die Pflege keine Stimme hat“. So wie bisher könne es nicht bleiben: „Da müssen wir gegensteuern.“

Die pflegepolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Birte Pauls, zeigte sich entsetzt, „dass ausgerechnet diejenigen, die in der Pflege der höchsten Arbeitsbelastung unterliegen und am wenigsten Lobby haben, mit offensichtlich krimineller Energie betrogen wurden“.

Das Problem des Fachkräftemangels lässt sich nach Ansicht des früheren schleswig-holsteinischen Gesundheitsministers Heiner Garg (FDP) nur dann lösen, „wenn man Pflegekräfte anständig bezahlt, anständig behandelt und sie nicht um ihre soziale Absicherung betrügt“. Die FDP-Landtagsfraktion werde einen Bericht der Landesregierung zu diesen Vorgängen für die nächste Sitzung des Sozialausschusses anmelden. „Zur Rechenschaft müssen diejenigen gezogen werden, die Sozialbetrug professionell organisieren.“

dpa/vwe

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