Schulbürgermeisterin Eisenmann: „Ich kann bei sehr vielen Eltern keine ideologischen Vorbehalte gegen die Gemeinschaftsschule erkennen“. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Wunsch und Wirklichkeit: Die CDU würde die von Grün-Rot eingeführten Gemeinschaftsschulen am liebsten wieder abschaffen, aber vor Ort kommen sie gut an. Die Stuttgarter Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU) würde für ihre Stadt am liebsten noch zwei oder drei Gemeinschaftschulen beim Land beantragen.

Stuttgart - Gemeinschaftsschule ist gleich Einheitsschule ist gleich Teufelszeug – mit dieser Einstellung ist die CDU in den vergangenen Jahren gegen die neue Schulart zu Felde gezogen, die von Grün-Rot im Jahr 2012 eingeführt worden ist. Doch die Rechnung ging nicht auf, im Gegenteil: Die Grünen wurden bei der Landtagswahl im März stärkste Partei, die CDU wird sich als mutmaßlicher künftiger Juniorpartner in einer neuen Landesregierung schwer tun, das Rad zurück zu drehen.

Bereits in dieser Woche will man mit den Koalitionsverhandlungen fertig werden. Dass die Grünen zustimmen, die neue Schulart wieder abzuschaffen, gilt als ausgeschlossen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat intern deutlich gemacht, dass das mit den Grünen nicht zu machen ist. Was konkret heißt: Von den Sommerferien an wird es 299 Gemeinschaftsschulen im Südwesten geben. Die sind alle bereits genehmigt. Die Frage ist nur, ob noch weitere hinzukommen werden oder ob es einen Ausbau-Stopp gibt, wie die CDU ihn zuletzt gefordert hat.

Klar ist: Die CDU wird lernen müssen, mit der Gemeinschaftsschule zu leben. So wie das Susanne Eisenmann getan hat. Die CDU-Politikerin ist seit fast elf Jahren Schulbürgermeisterin der Landeshauptstadt. Dort gibt es inzwischen sechs Gemeinschaftsschulen, nach den Sommerferien werden es acht sein. „Wir haben schon einen guten Sättigungsgrad erreicht – wie auch im Land generell“, sagt sie. Ein Ausbau-Stopp hätte demnach eher symbolischen Charakter – und Eisenmann wäre auch nicht sonderlich begeistert davon. „Wenn ich mir weitere Gemeinschaftsschulen genehmigen lassen könnte, würde ich noch zwei oder drei beantragen“, sagt sie.

„Vor Ort ist die Aufregung gleich Null“

Warum wünscht sich Eisenmann in ihrer Stadt Schulen, die von ihrer Partei abgelehnt werden? Weil sie die Sache nicht ideologisch betrachte, sagt sie, damit komme man auf kommunaler Ebene nicht weiter. Über das pädagogische Konzept der Gemeinschaftsschulen kann man lange streiten. Das bewusste Mischen stärkerer und schwächer Schüler sowie der verpflichtende Ganztagesunterricht bis 16 Uhr ist nicht jedermanns Sache. „Natürlich gibt es Eltern, die die Gemeinschaftsschule ablehnen“, sagt Eisenmann. Den Glauben ihrer Partei aber, dass die neue Schulart die Gemüter der bürgerlichen Mitte erhitzt, teilt Eisenmann nicht. Oder nicht mehr. „Ich kann bei sehr vielen Eltern keine ideologischen Vorbehalte gegen die Gemeinschaftsschule erkennen“, sagt sie. Die politische Aufregung entspreche nicht dem, was vor Ort passiere. „Vor Ort ist die Aufregung gleich Null“, sagt sie.

Laut Eisenmann wollen die meisten Eltern heutzutage ihre Kinder aufs Gymnasium tun – oder zumindest auf eine Schule, die sowohl einen Hauptschul- als auch einen Realschulabschluss anbietet. Die reine Hauptschule, die inzwischen Werkrealschule heißt, sei „nicht mehr vermittelbar", sagt Eisenmann. Sie spürt diesen Wunsch bei der Zahl der Anmeldungen für die Gemeinschaftsschulen. „Der Bedarf für eine solche Schulart ist da“, sagt sie. Weil auch immer mehr Kinder da seien, die eine starke individuelle Förderung bräuchten. „Wie man die Schule dann nennt, ist mir egal.“

Schulsystem auf zwei Säulen

Alles läuft im Land auf ein Schulsystem mit zwei Säulen hinaus: Die eine Säule bleibt das Gymnasium, die andere wird aus Gemeinschaftsschulen und Realschulen bestehen. Grün-Rot hat die Realschulen bereits aufgewertet: Von nächstem Schuljahr an sollen sie auch einen Hauptschulabschluss anbieten. Ab Klasse sieben würden die Kinder dann dort getrennt. Das braucht Raum und Personal. Wenn man also den Ausbau der Gemeinschaftsschulen stoppt, dann muss man laut Eisenmann deutlich mehr Geld in die Realschulen stecken.

Man kann jeden Euro allerdings nur einmal ausgeben. Auch deshalb hält Eisenmann wenig vom CDU-Plan, es den Gymnasien im Land künftig zu ermöglichen, bis zum Abitur sowohl einen achtjährigen (G8) als auch einen neunjährigen Bildungsgang (G 9) anzubieten. „Das ist nicht nur in Stuttgart allein schon räumlich nicht umsetzbar, das gilt auch für andere Kommunen“, sagt sie. Die Gymnasien seien jetzt schon voll und könnten daher nicht auch noch eine räumliche Trennung von G-8- und G-9-Schülern ab Klasse acht ermöglichen.

Machbar sei, es jedem Gymnasium zu überlassen, G 8 oder G 9 anzubieten, so Eisenmann. „Aber man darf das Interesse nicht überschätzen.“ In Stuttgart hätten nur wenige Gymnasien Interesse daran, zu einer längeren Gymnasialzeit zurückzukehren. „Ich habe das erst kürzlich abgefragt.“