Im Wedding eröffnet am Montag die Quinoa-Schule. Es ist die erste freie Sekundarschule mitten in Wedding. Vor allem die Kinder im Bezirk will man erreichen.

Im Regal stehen ordentlich aufgereiht ganze Klassensätze von Lehrbüchern. Das Mobiliar ist neu. Es riecht nach frischer Farbe. Schmierereien gibt es nicht mal auf der Toilette. Selten ist eine Schule in so gutem Zustand. Aber die Quinoa-Schule, die am Montag ihre ersten 24 Schüler empfängt, ist auch nicht irgendeine Einrichtung. Es ist die erste Privatschule für sozial benachteiligte Jugendliche. Eröffnet wird die freie Sekundarschule mitten in Wedding, an der Osloer Straße. Das ist kein Zufall, sondern macht das Konzept des Projekts aus. Quinoa will die Kinder im Bezirk erreichen.

In Wedding leben zwei Drittel der Kinder unter 15 Jahren in Hartz-IV-Haushalten, fast 70 Prozent haben einen Migrationshintergrund. Etwa 30 Prozent der Jugendlichen im Bezirk verlassen die Schule ohne Abschluss und 50 Prozent haben zwar einen Abschluss, aber kaum Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt. Die Schulgründer Fiona Brunk und Stefan Döring glauben jedoch nicht, dass so viele Mädchen und Jungen wirklich zu schlecht für den Arbeitsmarkt sind. „Der wichtigste Faktor unserer Schule ist der Glauben an die Jugendlichen“, sagt Fiona Brunk, „diesen Glauben müssen wir an sie weitergeben, dann schaffen sie auch einen Abschluss.“

Die erste siebte Klasse der Schule spiegelt die Bevölkerungsstruktur in Wedding wider. Für 19 der 24 Schüler ist Deutsch nicht Muttersprache, 21 Familien sind auf Transferleistungen angewiesen. Das heißt auch, dass die meisten Eltern nicht in der Lage sind, Schulgeld zu zahlen. Brunk und Döring haben daher Unterstützer – Unternehmen, Stiftungen, Privatpersonen – gesucht, die eine Patenschaft für einen Schüler übernehmen. Für vier Jahre veranschlagen sie einen Betrag von 24.000 Euro, manche werden zunächst für ein Jahr Pate. „Wir sind aber ständig auf der Suche nach neuen Sponsoren“, versichert Fiona Brunk, damit die Finanzierung gesichert ist. Hauptförderer der Schule, die in Trägerschaft der Montessori-Stiftung eröffnet, ist die Vodafone-Stiftung, die auch die Anschubfinanzierung für das Projekt übernommen hat.

Begleitung bis ins Berufsleben

Kooperationen bestehen außerdem mit vielen Unternehmen im Kiez. Denn zum Konzept gehört, dass Schüler bereits ab der siebten Klasse im Fach „Zukunft“ auf das Berufsleben vorbereitet werden und dabei die Arbeitswelt vor Ort kennenlernen. Auch sonst ist der Stundenplan ungewöhnlich. Der Tag beginnt mit einem „Morgenband“, in dem organisatorische Dinge geklärt werden, dann erst folgt der Unterricht, der überwiegend in Modulen und Projekten stattfindet. „Die Schüler können ein Thema individuell nach ihrem jeweiligen Leistungsstand bearbeiten“, erklärt Schulleiter Christian Schwenke. Vier Jahre war der 36-Jährige zuvor Lehrer an der Sekundarschule am Schillerpark und hat für die neue Aufgabe nun seine Festanstellung aufgegeben.

Neben ihm werden zwei weitere Lehrer, ein Teach First Fellow, eine Sozialarbeiterin und zwei Honorarkräfte für Sport und Musik zum Team gehören. Schwenke hat die Gründer an der Schule kennengelernt, wo die Mathematikerin und der Politologe zwei Jahre als Fellows des Teach-First-Programms gearbeitet haben – das Programm entsendet Hochschulabsolventen in Brennpunktschulen. Schon damals hatten die drei überlegt, wie man Jugendliche besser motivieren könnte. Aus dem Konzept wird nun Wirklichkeit. Eine Wirklichkeit, die auch Christiane Longo überzeugt hat. Der Mutter gefällt, dass die Kinder individuell betreut und bis ins Berufsleben hinein begleitet werden. Wie wichtig das ist, hat sie bei ihrem heute erwachsenen Sohn erlebt, der keine derartige Unterstützung hatte. Darum war sie nun sofort dabei, als sich die Quinoa-Schule mit einer Art Probebetrieb an der Grundschule ihrer Tochter vorgestellt hat. Auch dass immer mindestens zwei Lehrer in der Klasse sind, gefällt ihr, weil es so kaum Unterrichtsausfall gebe. Und gespannt ist sie auf das Fach „Zukunft“.

Das Fach wirkt wie ein Symbol für die Schule selbst. Ursprünglich wollten die Gründer zwei Klassen eröffnen. Zunächst aber brauchen sie geeignete Räume. Die jetzigen können sie nur ein Jahr nutzen. Für ihren Wunschort, eine leerstehende Schule an der Gotenburger Straße kämpfen sie bereits. Dafür steht schon ihr Name – gilt doch die Quinoa-Pflanze als besondere zäh. Froh sind Fiona Brunk und Stefan Döring aber, dass sie jetzt überhaupt eröffnen können. Ein zweites, vergleichbares Schulprojekt, die freie Bürgerschule in Wedding, hat vor einigen Tagen verkündet, dass sich die Eröffnung zunächst um ein Jahr verschiebt. Noch fehlt vor allem das Geld für den Schulbetrieb.