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Kampf gegen Epidemie So läuft die Suche nach einem Ebola-Impfstoff

Impfstoffe gegen Ebola gibt es bereits, allerdings sind sie noch nicht ausreichend erprobt. Die Tests sollen jetzt beschleunigt werden - womöglich ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die Epidemie.

Das Ende der Ebola-Epidemie sehnt wohl die ganze Welt herbei. Wie sich der tödliche Erreger stoppen lässt, darüber sind sich Gesundheitsexperten alles andere als einig. Die Hilfskräfte vor Ort setzen derzeit auf Schadensbegrenzung und Intensivmedizin: Ebola-Patienten werden in den Kranken-Camps auf Isolierstationen behandelt, damit sich die Viren nicht weiter ausbreiten können. Die Pfleger verabreichen ihnen Kochsalzlösungen, um den durch die Krankheit gestörten Wasser- und Mineralstoffhaushalt ins Gleichgewicht zu bringen. Und Tote werden in einer Leichenhalle desinfiziert und in Säcken beerdigt, damit sich niemand an ihren Körperflüssigkeiten infiziert.

Doch je weiter sich Ebola ausbreitet und je höher die Opferzahlen steigen, umso größer wird der Ruf nach einer offensiveren Strategie gegen die Seuche. Einige Fachleute fordern gezieltere Maßnahmen gegen die Krankheit selbst, wie etwa Impfstoffe oder Therapien. Der Haken: Bislang gibt es kein Präparat, das erwiesenermaßen vor dem Erreger schützt. Die zwei wichtigsten Kandidaten für mögliche Imfpstoffe sind noch in der frühen Erprobungsphase.

Die zwei wichtigsten Impfstoffe

Die eine Vakzine entwickelt das Pharmaunternehmen Glaxo-Smith-Kline gemeinsam mit den Nationalen Gesundheitsinstituten der USA. Sie enthält vermehrungsunfähige Erkältungsviren, die normalerweise Schimpansen befallen. Ins Ergbut dieser Adenoviren fügten die Forscher Erbinformationen von Ebola-Eiweißen ein, nutzten die Viren also gewissermaßen als Transportmittel: Werden die Viren ins Muskelgewebe gespritzt, schleusen sie ihr Erbgut mitsamt den Ebola-Genen in Körperzellen ein. Mit dieser Strategie pflanzen sich Viren normalerweise fort. Doch anstelle neuer Viren produzieren die Zellen Ebola-Eiweiße, die sie wie eine Art Türschild auf ihrer Oberfläche präsentieren. So können Immunzellen die Eiweiße erkennen - gewissermaßen ablesen - und dazu passende Antikörper (also Abwehrstoffe) bilden, die sich gegen Ebola-Viren richten. Im Tierversuch mit Affen hat der Impfstoff schon erfolgreich vor einer Ebola-Infektion geschützt. Ob auch Menschen ihn vertragen, und welche Dosis nötig ist, wird derzeit an kleinen Probandengruppen getestet.

Auch mit dem zweiten möglichen Ebola-Imfpstoff laufen solche sogenannten Phase-1-Studien. Er basiert ebenfalls auf Erregern, die eigentlich Tiere befallen: Die Vesikulären Stomatitis-Viren (VSV) infizieren in der Regel Huftiere, sind für Menschen aber zumeist harmlos. Marburger Virologen statteten sie mit Oberflächen-Eiweißen von Ebola-Viren aus, die das Immunsystem des Geimpften zur Herstellung von Antikörpern anregen sollen. Tests mit Affen liefen bereits schon vor fast einem Jahrzehnt in Kanada - mit guten Resultaten: Der Impfstoff bot sogar bei bereits eingetretenen Ebola-Infektionen Schutz. Er könnte also auch einen therapeutischen Nutzen haben - zumindest, wenn die Ansteckung nicht länger als zwei Tage zurückliegt. Die Regierung des Landes hatte im vergangenen Jahr eine geringere Menge des experimentellen Wirstoffes eigelagert. Letzte Woche lieferte Kanada 800 Ampullen davon an die WHO, die nun unter anderem in den USA und in Hamburg zum ersten Mal an Menschen getestet werden.

Normalerweise vergehen von Phase-1-Studien bis zur fertigen Vakzine bis zu fünf Jahre. Zu lange, entschied die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vergangene Woche. Auf einem Treffen mit Vertretern von Pharmafirmen, Hilfsorganisationen und Regierungen in Genf kündigte die Organisation an, die aufwändigen Studien zu beschleunigen. Schon im Dezember sollen die ersten großangelegten Tests an einigen Tausend Menschen - vor allem an Ärzten und Pflegern - in Westafrika stattfinden. Läuft alles nach Plan, sollen bereits im Sommer 2015 ausreichende Wirkstoff-Mengen für Massenimpfungen zur Verfügung stehen.

Skepsis ist angebracht

"Das ist allerdings der absolute Idealfall, von dem nicht auszugehen ist", sagt der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit vom Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, das in Europa als eine der führenden Forschungseinrichtungen zu Ebola gilt. Grund zur Skepsis besteht tatsächlich: Nur ein Bruchteil neu entwickelter Arzneien schafft es überhaupt ins Apothekenregal. Studien zufolge besteht ein Großteil nicht einmal die erste Phase der klinischen Tests.

Das könnte auch auf die beiden Impfstoffe zutreffen. Schmidt-Chanasit ist dennoch optimistisch: "Wenn sie wirksam sind - und die Datenlage aus den ersten Tests deutet daraufhin - könnten sie eine große Hilfe sein." Er hält es daher für richtig, ihre Entwicklung voranzutreiben. "Da es gut möglich ist, dass wir noch Jahre mit der Epidemie zu kämpfen haben werden, werden wir die Impfstoffe dringend brauchen", sagt er.

Ethisch bedenklich sind die eiligen Tests dennoch - schon allein, weil mögliche Nebenwirkungen der Präparate momentan noch nicht absehbar sind. Die Tests könnten dazu führen, dass einst kerngesunde Probanden plötzlich fatale Beschwerden haben. "So besteht die Gefahr, das Vertrauen der Bevölkerung zu verlieren - und damit setzt man auch ihre Kooperationsbereitschaft im Kampf gegen Ebola aufs Spiel", sagt Schmidt-Chanasit.

Hinzu kommt, dass die Impfstoffe bei den Studien in Westafrika gegen Scheinpräparate, sogenannte Placebos, getestet werden. Eine Gruppe von Testpersonen erhält also überhaupt keinen Impfschutz gegen Ebola und hat somit ein größeres Risiko, sich mit dem Erreger zu infizieren. Das ist zwar notwendig, um die Wirksamkeit der Impfungen zu untersuchen - aber auch ungerecht.

Vielleicht ist es gar nicht nötig, die aktuelle, eher konservative Strategie der WHO zu ändern. Nigeria ist es gelungen, die Seuche mit Aufklärungs-Kampagnen und konsequenten Quarantäne-Maßnahmen zu besiegen. Das Land ist seit 51 Tagen Ebola-frei - auch ohne Impfungen. Wichtiger als experimentelle Vakzinen sind aktuell Ressourcen: "In den kommenden Wochen und Monaten werden uns nur die klassischen Methoden helfen", sagt auch Schmidt-Chanasit. Die betroffenen Gebiete brauchen dringend mehr Ärzte und Pfleger, medizinische Ausstattung für die Kranken-Camps sowie Personal und Geld für die Ausbildung von einheimischen Hilfskräften.

Lydia Klöckner
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