Medienberichten zufolge nimmt die Post ihre Zusteller zunehmend stärker in Regress, wenn Briefsendungen beschädigt sind. Inwieweit kann der Arbeitgeber bei den Mitarbeitern überhaupt Schadensersatzansprüche durchsetzen?, fragt Lars Lohmann.

Sehr geehrter Herr Lohmann,

grundsätzlich beschränkt das Arbeitsrecht durch Richterrecht die Haftung von Mitarbeitern. In der Regel müssen Mitarbeiter grundsätzlich nur beschränkt haften, wenn sie einen Schaden verursachen. Im Rahmen von Arbeitsverhältnissen ist dann Schadenersatz zu leisten, wenn der Mitarbeiter vorsätzlich oder grob fahrlässig – also schuldhaft – die arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt hat und hierdurch ein Schaden entstanden ist. Natürlich kann auch der sorgfältigste Arbeitnehmer einen Fehler machen. Darum hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) bereits 1994 festgestellt, dass die Grundsätze über die beschränkte Arbeitnehmerhaftung für alle Arbeiten gelten, die durch den Betrieb veranlasst sind und aufgrund eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden.

Bei leichter Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer ohnehin meist nicht, bei normaler Fahrlässigkeit ist der Schaden in aller Regel unter Berücksichtigung aller Umstände anteilig von Arbeitnehmer und -geber zu tragen. Erst bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz trägt der Arbeitnehmer die Hauptlast – unter Umständen sogar den gesamten Schaden.

Allerdings können Tarifverträge diese Haftung anders definieren. Und genau das ist bei der Deutschen Post AG der Fall, die in § 12 ihres Manteltarifs die Haftung des Mitarbeiters im Vergleich zur gängigen Rechtsprechung anders bestimmt. Der Tarifvertrag sieht eben keine wie oben skizzierte Zwei- oder Dreiteilung der Haftung vor, die sich am sogenannten Verschuldungsgrad orientiert. Stattdessen können die Mitarbeiter der Post laut Tarifvertrag bei Schäden anders in Haftung genommen werden, als es die Rechtsprechung vom Grundsatz her vorsieht.

Überzogene Regressforderungen sind rechtlich heikel

Ob solche Regelungen beziehungsweise Regressansprüche eines Arbeitgebers im Streitfall allerdings Bestand haben, bezweifle ich. Denn das Bundesarbeitsgericht (BAG) schließt eine Haftungsverschärfung in Tarifverträgen aus. Vielmehr sieht das BAG sich in der Pflicht, in Fällen der einseitigen Arbeitnehmerhaftung Mitarbeiter zu schützen.

Solch eine Arbeitnehmerhaftung ist auch problematisch, da der Arbeitgeber (in diesem Fall die Deutsche Post AG) mit dem Vertragspartner (der Post-Kunde) keine Haftung vereinbart hat, die über einen Tarifvertrag geregelt werden kann.

Ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln bestätigt, dass ein Schadensersatzanspruch nach § 12 des Manteltarifvertrages der Deutschen Post AG nur besteht, wenn ein Mitarbeiter den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig (also schuldhaft) herbeigeführt hat. Ist die schadensverursachende Handlung lediglich aufgrund einer mittleren Fahrlässigkeit des Mitarbeiters entstanden, muss er nicht haften.

Fahrlässig zu handeln bedeutet, nicht so zu agieren, wie es von einem "normalen" Mitarbeiter verlangt werden kann. Das BAG schränkt deshalb die Arbeitnehmerhaftung für alle Tätigkeiten, die durch den Betrieb veranlasst sind, auf Vorsatz und in aller Regel auf grobe Fahrlässigkeit ein.

Ausschlaggebend für die Haftung des Mitarbeiters ist neben dem Grad des vorwerfbaren Verschuldens auch die Gefahrgeneigtheit der Arbeit. Das ist etwa eine Tätigkeit, bei der auch dem sorgfältigen Arbeitnehmer gelegentlich Fehler unterlaufen können. Außerdem werden die Höhe des Schadens, das vom Arbeitgeber einkalkulierte oder durch eine Versicherung deckbare Risiko sowie die Höhe des Arbeitsentgelts berücksichtigt.

Immer ziehen Arbeitsgerichte im Streitfall auch die persönlichen Umstände des Mitarbeiters (wie etwa die Art der Tätigkeit) heran. Deshalb ist bei der Beurteilung einer Haftung immer das konkrete Verhalten in der gegebenen Situation entscheidend.

Ihr Ulf Weigelt