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Neu geschnittene Trailer "Shining", der Familienfilm

Neuer Schnitt, andere Musik, ein paar warme Worte: So machen Hobby-Filmemacher aus Horror-Trailern Werbeclips für Wohlfühl-Filme. "Shining" wird zur Familienschnulze, "Good Will Hunting" zum Thriller und Adolf Hitler ein Michael-Jackson-Fan. SPIEGEL ONLINE zeigt die lustigsten Schummel-Trailer.

Schnittassistent Robert Ryang wollte nur einen unbedeutenden Preis gewinnen, als er sich im Sommer 2005 an einen Rechner seines Arbeitgebers in New York setzte und den Trailer für Stanley Kubricks Horror-Verfilmung "Shining" neu zusammenpuzzelte, nachvertonte und mit süßlicher Wohlfühlmusik unterlegte.

Ryang  erfüllte die Anforderungen des kleinen New Yorker Wettbewerbs für Cutter perfekt: Die Teilnehmer sollten einen Trailer schneiden, der die Aussage und Atmosphäre des eigentlich damit beworbenen Films ins Gegenteil verkehrt. Und so machte Ryang aus dem Horrorfilm eine herzerwärmende Komödie über einen Schriftsteller und einen verlorenen kleinen Jungen; der eine sucht Inspiration, der andere einen Vater. Der Slogan von Ryangs "Shining"-Version: "Manchmal wartet das, was wir am meisten brauchen, hinter der nächsten Ecke."

Hach!

Mit dieser Parodie gewann der 25-jährige Ryang den ersehnten Cutter-Preis, ein paar Wochen später kursierte sein Werk im Web, und die "New York Times"  schrieb ein Porträt über ihn. Beim damals gerade in der Betaphase gestarteten Videoportal YouTube tauchten neben Ryangs Shining-Version bald neue, mehr oder weniger gelungene Trailer- und Filmremixe auf. Schnittassistent Ryang hat aus dem Freizeitspaß von Filmprofis ein Massenphänomen gemacht.

Die dämonische Mrs. Doubtfire, die Weltrettungsmaschine und Hitlers Ärger mit Ebay-Verkäufern - SPIEGEL ONLINE zeigt die gelungensten Film-Remixe.

Der furchterregende Robin Williams

Rob McLoughlin  hat drei Jahre lang in Nottingham Mediendesign studiert, mit einer 2,1 abgeschlossen. Rückblickend hat sich vor allem der Schnittkurs ausgezahlt, bei dem McLoughlin anfing, Robin Williams' Schmunzelschnulze "Mrs. Doubtfire" zu einem Thriller umzuschneiden.

McLoughlins gut zweiminütige Persiflage ist besser als die zwei Stunden des Originals: Wir sehen "die perfekte Haushälterin", unterlegt von bedrohlicher Musik. Die Musik wird wuchtiger, die Schnitte schneller. "Wem kann man wirklich trauen?", steht da im Fake-Trailer. Robin Williams augenscheinlich nicht. So furchteinflößend wie in diesem Clip hat er selten gewirkt.

Einziger Nachteil: Um über diesen Trailer richtig lachen zu können, muss man das Original zumindest teilweise gesehen haben.

Der bluttriefende Weltrettungsbagger 288

Dokumentarfilme über den Schaufelradbagger 288 sind schon im Original sehenswert: Der 1978 gebaute Koloss fördert am Tag mit seinem Schaufelrad (21,6 Meter Durchmesser) bis zu 240.000 Kubikmeter Braunkohle. Das Ding ist grotesk riesig (210 Meter lang) und fuhr 2001 stolze 22 Kilometer weit über die A61 und die Erft zum Tagebau Garzweiler.

Der britische Komiker Joel Veitch  hat aus einer der Garzweiler-Dokumentationen ein Video zusammengeschnipselt (Vorsicht, laut!), das eine ganz andere Geschichte erzählt: Die Staatschefs der Welt setzen sich bei einem Geheimtreffen zusammen, weil die Erde schutzlos gegen "Godzillas" und "böse Roboter aus der Zukunft" ist. Alle sind ratlos, da trumpfen die Deutschen mit der Idee auf, "Bagger 288" zu konstruieren, einen Stahlkoloss mit riesigen, Blut bedeckten Klingenblättern, der all die neuen Bedrohungen (wie gesagt Godzillas, Riesenroboter usw.) abwehren wird.

Hitler wird bei Ebay abgezockt

In Großbritannien und den USA ist die Szene im Führerbunker aus "Der Untergang" ein beliebter Rohstoff für Remixe. Da ohnehin kaum jemand Deutsch versteht, wird das Original einfach mit immer neuen Untertiteln verfremdet - der Kontrast zwischen Ton, Bild und Text ist aber auch recht komisch, wenn man das Original versteht.

Da regt sich Hitler auf, weil sein Zugang zu "World of Warcraft" gesperrt  wurde ("Verdammt! Wenn der Server nicht immer überlastet wäre, müsste mein Jäger gar nicht betrügen!"), weil er Gegenstand des Gespötts auf YouTube  ist ("Denken sie wirklich, ich hätte keine Ahnung von diesen YouTube-Filmchen? Hitler dies, Hitler das - was habe ich getan, dass ich das verdiene?").

Höhepunkte: Hitler lässt sich eine Pizza kommen  (und die Untergebenen bestellen am anderen Ende der Stadt, weil wieder jemand das Telefonbuch verschlampt hat), ärgert sich über den Diebstahl in einer Waffelfabrik , wird bei Ebay betrogen ("Aber ich hatte eine Transaktionsnummer!") und wird von Michael Jacksons Tod überrascht , der Jacksons Gastauftritt bei Hitlers Geburtstagsfeier verhindert.

2012 - Das ist ein Desaster!

Garrison Dean  bloggt beim Science-Fiction-Portal io9.com und ärgert sich immer wieder über die Vermarktung von Filmen: "Schuld ist oft Faulheit oder Verwirrung. Manchmal ist es aber auch die Arroganz von Menschen, die glauben, ihr Film sei mehr, als er tatsächlich ist." Wie er das meint, demonstriert Dean mit seinem Zusammenschnitt des Trailers für Roland Emmerichs neues Endzeit-Spektakel "2012".

Deans Variante kommt gleich zum Wesentlichen: "Disaster!!!" Meteoriten schlagen ein. "Plane Disaster!" Ein Flugzeug stürzt ab. "Train Disaster!" Ein Zug springt aus den Schienen. "Whole City Disaster!!!" Eine Stadt wird zerstört. "Kommen sie mit so viel Desaster zurecht?" Aber halt, da ist noch mehr: rollende Gebäude, Raumschiffe, fliegende Bentleys - "Alles ist möglich!" Deans zynisches Fazit: "So viele Zerstörungen, dass alle zukünftigen Katastrophen an diesem Film gemessen werden."

Tötet Will Hunting!

Schon wieder ein böser Robin Williams: Joe Sabia hat sich "Good Will Hunting" vorgenommen und zu einem Thriller umgearbeitet. Will Hunting kommt einer Regierungsverschwörung auf die Spur. Ein Killer wird auf ihn angesetzt - Robin Williams ! Das ist fast so gut wie Robert Ryangs Interpretation von "Blue Velvet" als Teenager-Komödie  und die Dramaversion von "Zurück in die Zukunft"  von der US-Comedytruppe Chocolate Cake City.

Die Clips zählen zum Besten, was Hobby-Cutter in vier Jahren Schummel-Trailer geschaffen haben.

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