Naturkatastrophen:US-Regierung stellt düstere Klima-Prognose auf

Climate change poses growing risk to US, world economies: govt study

"Woolsey Fire" in Malibu, Kalifornien: Naturkatastrophen werden häufiger und heftiger, so die Prognose von US-Regierungsbehörden.

(Foto: AFP)
  • US-Behörden und Forscher warnen detailliert wie nie zuvor vor den Folgen des Klimawandels für Gesundheit, Wirtschaft und Gesellschaft in den USA.
  • Vor allem schwer prognostizierbare Wechselwirkungen machen den Wissenschaftlern sorgen.
  • Die Trump-Regierung hat den Bericht vorzeitig veröffentlicht - an einem Brückentag.

Von Johannes Kuhn, Austin

Viele US-Amerikaner befanden sich gerade bei der Schnäppchenjagd oder auf der Couch, als die Regierung in Washington am Freitag ein Dokument mit dem Titel "4. Nationale Klimabewertung, Band II" veröffentlichte.

Hinter dem Namen verbirgt sich eine detaillierte Einschätzung der Klimawandel-Risiken für das Land, seine Bewohner und die US-Wirtschaft. 1650 Seiten hat der Bericht eines 1990 eingeführten Verbunds von 13 Bundesbehörden, der in gemeinsamer Arbeit mit unabhängigen Wissenschaftlern regelmäßig aktuelle Forschungsergebnisse und Prognosen zur Klimaveränderung veröffentlicht.

Donald Trump und seine Regierung haben an Klimaforschung oder nur der Anerkennung der menschengemachten Erderwärmung kein Interesse, und so ist der Zeitpunkt der Veröffentlichung wohl nicht ohne Hintergedanken gewählt. Am Donnerstag fand mit Thanksgiving der wichtigste Familienfeiertag des Jahres statt, der Freitag ist traditionell für Shopping (Black Friday), die Verdauung fettigen Essens oder die Schlichtung ausgebrochener Familienstreitigkeiten reserviert.

Kritiker gehen davon aus, dass die Regierung mit der Publikation am Brückentag sicherstellen will, dass der Bericht möglichst wenig Beachtung findet. Dass in weiten Teilen der USA gerade außergewöhnlich kalte Temperaturen gemessen werden, könnte ebenfalls eine Rolle gespielt haben ("Was ist eigentlich mit der globalen Erwärmung?", twitterte Trump diese Woche angesichts der Kältewelle.)

Langzeitfolgen der Deregulierung

Eigentlich sollte der Klima-Bericht auf der jährlichen Konferenz der amerikanischen Geophysiker im Dezember vorgestellt werden, deren Datum sich mit dem UN-Klimagipfel im polnischen Kattowitz überschneidet. Selbst Mitautoren wurden Anfang dieser Woche von der Nachricht überrascht, dass die Vorstellung am Freitag stattfindet.

Die Forscher widersprechen in ihrem Bericht zwangsläufig den Positionen Trumps und der Republikaner, die Erderwärmung entweder als zeitlich begrenztes Phänomen oder als "natürliche" Schwankung bezeichnen. "Das Klima der Erde verändert sich nun schneller als an jedem anderen Punkt in der Geschichte der modernen Zivilisation, vorwiegend als Resultat menschlicher Aktivitäten", so der Bericht.

"Die Annahme, dass aktuelle und künftige Klima-Bedingungen denen der jüngeren Vergangenheit ähneln werden, ist nicht länger gültig", heißt es weiter. "Der Trend der Erwärmung über das vergangene Jahrhundert kann nur vom Einfluss menschlicher Aktivitäten auf das Klima erklärt werden, insbesondere die Emission von Treibhausgasen."

Detaillierter als im Vorgängerbericht aus dem Jahr 2014 benennen die Forscher auch die wirtschaftlichen Kosten: Bis zu einem Zehntel des amerikanischen Bruttoinlandsprodukts könnten bis zum Ende des Jahrhunderts durch klimabedingte Naturkatastrophen, Infrastruktur-Probleme, Lieferketten-Unterbrechungen, regionalen Wassermangel, Gesundheitsschäden durch Luft- und Wasserverschmutzung sowie den Wertverlust von Immobilien zunichtegemacht werden.

"Wenn die Emissionen in den bisherigen Maßstäben wachsen, werden einigen Wirtschaftszweigen am Ende des Jahrhunderts jedes Jahr Verluste von Hunderten Milliarden US-Dollar vorhergesagt", heißt es. Subtext: Der Ausstieg der Trump-Regierung aus dem Pariser Klimaabkommen, die Streichung verschiedener Emissionsregeln und der Teilstillstand bei der Vorbereitung auf die Folgen der Erwärmung sind nicht nur kurzsichtig, sondern schaden dem Land massiv.

Dürre, Flut und Feuer

Ein weiteres Fazit: Der Klimawandel existiert nicht nur, auch die Amerikaner sind bereits mittendrin. Seit 2015 haben Naturkatastrophen die USA bereits 400 Milliarden US-Dollar gekostet. Die Wissenschaftler betonen, dass nicht nur trockenheitsbedingte Waldbrände, Überflutungen und heftige Stürme zunehmen werden, sondern auch unkalkulierbare Wechselwirkungen eintreten könnten.

Waldbrände vernichten zum Beispiel nicht nur Eigentum und wichtige Ökosysteme: Die aus ihnen resultierende schlechte Luftqualität hat mittelfristige Folgen für die Gesundheit, was wiederum Wirtschaftskraft und Bevölkerungsentwicklung beeinflusst. Wenn das Feuer den Boden unfruchtbar gemacht hat, verändert sich zudem die örtliche Landwirtschaft, das Risiko von Überschwemmungen steigt und bedroht mittelfristig erneut Eigentum und Infrastruktur. Zudem haben Naturkatastrophen Auswirkungen auf globale Lieferketten, den Ölpreis oder die Stromversorgung.

Ein weiteres Beispiel aus der Gegenwart, das sich aus dem Bericht ableiten lässt: Agrarregionen in Texas, Südkalifornien, dem Mittleren Westen oder Idaho sind für die Ernährung der ständig wachsenden Bevölkerung zentral, doch dabei stark auf die Entnahme von Grundwasser angewiesen. Ohne Niederschlag werden nicht nur Lebensmittel teurer, sondern es gerät auch der Agrarsektor und damit die Wirtschaftskraft ganzer Landstriche unter Druck. Im immer dichter besiedelten amerikanischen Westen treffen bei der Frage nach dem Zugriff auf Wasser bereits lange die Interessen von Industrie, Landwirtschaft, Ökosystem-Schutz und Bevölkerung in teils offenem Konflikt aufeinander.

Grundlagen für eine interne Völkerwanderung

Alles in allem legt der Bericht nahe, dass den USA bei weiterer Handlungsverweigerung in den kommenden Jahrzehnten eine massive Bevölkerungswanderung bevorstehen könnte: Von vom steigenden Meeresspiegel bedrohte Regionen wie New Orleans und Houston am Golf von Mexiko oder Miami am Atlantik könnten ebenso massive Abwanderungen ausgehen wie vom Südwesten von Texas bis nach Südkalifornien. Dort beeinträchtigten bereits in den vergangenen Jahren heftige Hitzewellen den Alltag, das Leben ist bereits seit langem nur durch Hilfsmittel wie extreme Klimaanlagen-Kühlung und künstliche Bewässerung möglich.

"Wir entkommen nicht den vielen Verbindungen von Wasser, der Gesundheit des Ökosystems, Energie, Nahrung, dem Wohlbefinden der Ureinwohner, urbanen Systemen, Landverbrauch, Transport, Gesundheit und gesellschaftlicher Widerstandsfähigkeit", formulierte der Klimaforscher Gregg Garfin seine Lehren aus dem Bericht. Die US-Regierung setzt sich mit dieser Komplexität auseinander - allerdings im Moment nicht in den höheren politischen Ebenen.

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