Arbeitsminister verschläft Hartz-IV-Debatte

Spahn und Seehofer preschen vor – und befeuern schon jetzt die größte Angst der SPD
Freitag, 16.03.2018 | 19:46
Wahl der Bundeskanzlerin
dpa Die Mitglieder der neuen GroKo auf der Regierungsbank im Bundestag
  • FOCUS-online-Redakteurin

Nach 171 Tagen Regierungsbildung steht die GroKo. Mit Jens Spahn und Horst Seehofer haben zwei Unionsminister ihren ersten Arbeitstag genutzt, um sich und ihren Themen Aufmerksamkeit zu verschaffen.

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  • Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) absolvierte drei Termine, hielt zwei Reden, gab eine Pressekonferenz und ehrgeizige Ziele aus. Für die Vorstellung seines neuen Beauftragten für die Pflege, Andreas Westerfellhaus, gab es sogar stehenden Beifall. Zuvor hatte Spahn mit Aussagen über das soziale Sicherungsnetz in Deutschland eine Debatte über Hartz IV angefacht.
  • Der neue Minister für Inneres, Heimat und Bauen, Horst Seehofer (CSU), löste Thomas de Maizière (CDU) am Donnerstag zwar unter Ausschluss der Öffentlichkeit ab. Dafür setzte er mit Interview-Aussagen ein Thema. Seehofer sagte der „Bild“-Zeitung: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Deutschland ist durch das Christentum geprägt. (...) Die bei uns lebenden Muslime gehören aber selbstverständlich zu Deutschland.“ Ob man ihm zustimmt oder nicht, damit hat Seehofer eine Debatte angestoßen, die das Land noch einige Tage beschäftigen wird. Auch die Kanzlerin beteiligte sich daran. Über ihren Regierungssprecher Steffen Seibert widersprach sie ihrem Innenminister: Für Angela Merkel gehöre der Islam zu Deutschland. Historisch sei das Land zwar durch Christen- und Judentum geprägt, inzwischen lebten aber Millionen Muslime in Deutschland.

Von der SPD dagegen hört man dieser Tage nicht viel. Insbesondere der neue Bundesarbeitsminister, Ex-SPD-Generalsekretär Hubertus Heil, blieb merkwürdig still, als halb Deutschland darüber diskutierte, ob die Hartz-IV-Regelsätze ausreichen oder nicht – ein Thema, das eigentlich bei Heils neuem Ressort liegt.

Von ihm kamen lediglich einige wenige Bemerkungen, wonach Deutschland keine „hartherzigen Statistikdebatten“ brauche, „sondern sozialen Zusammenhalt“ und er sich als Minister dafür einsetzen werde. Das ist ein ehrenwertes Ziel – aber so entert man keine Debatte.

Umfrage: Wie bewerten Sie, dass Innenminister Horst Seehofer die Debatte, ob der Islam zu Deutschland gehöre, neu angestoßen hat?

 
 
 

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Jetzt hätte die SPD die Chance, der Koalition ihren Stempel aufzudrücken

Die Zurückhaltung der SPD mutet seltsam an. Schließlich hatte es aus der Partei immer wieder geheißen, man fürchte eine erneute GroKo, weil man stets im Schatten von CDU und CSU stehe. Auch gemeinsame Erfolge schlügen die Wähler eher der Union als der SPD zu, lautet eine solche Klage. Die Genossen haben sich dennoch erneut für diese Koalition entschieden und hätten nun die Chance, die Weichen dafür zu stellen, dass dieses Mal vieles anders wird und auch die SPD glänzen kann.

Nun kann man einwenden, die SPD habe ja noch Zeit, schließlich haben ihrer Minister gerade erst ihre Ämter angetreten. Doch die Bedeutung der ersten Koalitionstage ist nicht zu unterschätzen. Gerade am Anfang entscheidet sich, welche Richtung die GroKo nimmt und wie die Kräfteverhältnisse sich innerhalb der Koalition entwickeln. Auch die Bürger schauen ganz genau hin, wie die neuen Minister sich machen. Diesen wichtigen Moment zu verpassen, kann sich keine Partei leisten.

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Der einzige SPD-Minister, der zum Auftakt für etwas Glanz sorgte, war Bundesaußenminister Heiko Maas – und das mag mehr dem Amt als dem Mann geschuldet sein. Als Außenminister reist man viel und kann sich mit den Mächtigen der Welt fotografieren lassen. Das wird auch Maas nutzen.

Aber sonst? Gerade beim SPD-Herzensthema der sozialen Gerechtigkeit hätte jeder erwartet, dass die Partei dieses Thema für sich erobert. Wenn die SPD-Minister nicht bald aufwachen, müssen die Sozialdemokraten sich nicht wundern, wenn sie unter die GroKo-Räder geraten.

mit Agenturmaterial

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