Weit - Ein Weg um die Welt Deutschland 2017 – 127min.

Filmkritik

Losziehen, um das Leben zu erfahren

Irene Genhart
Filmkritik: Irene Genhart

Gwendolin Weisser und Patrick Allgaier reisen ohne je in ein Flugzeug zu steigen rund um die Welt. Ihr Film besticht durch die Abenteuerlust seiner Protagonisten ebenso wie durch Aufnahmen aus weitabgelegenen Landstrichen.

«Weit» ist relativ. Für ein Kind, das laufen lernt, sind drei Schritte eine riesige Distanz, ein Marathonläufer aber läuft locker 42,195 km. Definitiv weit ist einmal um die Welt, rund 50'000 Kilometer, Gwendolin Weisser und Patrick Allgeier haben es getan. Mit dem Allernötigsten, einer Kamera und dem Vorsatz, nie ein Flugzeug zu benutzen brachen sie im Frühjahr 2013 in Freiburg im Breisgau Richtung Osten auf. Wir möchten, schrieben sie ins Tagebuch, die Strecke spüren, den Kontakt zur Erde nie verlieren, jeden Meter mit allen Sinnen wahrnehmen. Nach einigen Wochen schreibt Allgeier, dass «weit» vielleicht weniger eine Distanz bezeichne, als vielmehr eine Zeit.

«Weit» entwickelt sich chronologisch der Route seiner Protagonisten entlang: Durch den Balkan gegen Moskau, durch Iran und Pakistan nach Indien, via Japan über den Pazifik nach Lateinamerika… Die beiden reisen meist per Autostopp, manchmal zu Fuss. Sie filmen abwechselnd. Die Landschaften, die sie durchqueren. Ihre Nachtlager. Vor allem aber: Menschen, denen sie begegnen. Auto- und Lastwagenfahrer, die sie mitnehmen, die meisten sind Männer, viele beruflich unterwegs. Die Stimmung unterwegs ist fidel. Man radebricht, singt, hört Musik. Unvorhersehbares und Pannen – Schnee im Sommer, eine gebrochene Achse – gehören zum Unterwegssein so dazu wie Momente des Unbehagens: 900 Nonstop-Kilometer in tiefdunkler Nacht durch die Kasachische Steppe, die polizeibegleitete Reise durch das als gefährlich geltende Pakistan.

Doch man reist nicht nur, sondern verweilt auch. Um sich zu erholen, oder weil es irgendwo besonders schön ist. In Georgien, oder im Iran. Ein Jahr später in Sibirien, stellt Weisser fest, dass sie schwanger ist: Bruno kommt in Mexiko zur Welt. Nach fast drei Jahren wartet im Hafen von Barcelona die Familie; doch die letzten 1200 Kilometer geht man – mit dem Kind auf dem Rücken – selbstverständlich zu Fuss.

Weit – ein Weg um die Welt war nicht im Voraus für die grosse Leinwand geplant, und darin liegt sein Reiz. Denn anders als bei einer klassischen Reisedokumentation liegt der Fokus weniger auf dem Erreichen geografischer Destinationen, als vielmehr auf dem Erlebnis des Unterwegsseins, beziehungsweise dem Unterwegssein als einer Lebenshaltung, der sich die Neugierde auf die Begegnung mit dem Fremden authentisch einschreibt. Es ist, anders ausgedrückt, ein ziemlich intimes und zwischendurch mit fantastischen Bildern aus weitgehend unbekannten Gegenden überraschendes Film-Tagebuch – und einer der coolsten Tramper-Filme seit Into the Wild.

17.02.2024

4

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Kommentare

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Patrick

vor 5 Jahren

Die Kultur& die Menschen werden so echt und lehrhaft in Szene gesetzt so was schafft nur ein Dokumentarfilm wie dieser.Zeitweise wirkt der Dokumentarfilm leider etwas ermüdend ist aber dennoch ein charmanter Trip und ein genüssliches Filmerlebnis.

Zuletzt geändert vor 5 Jahren


selinaburri

vor 5 Jahren

Wunderbar


clozi62

vor 6 Jahren

Sympathisch, berührend, herzlich, warm und mit dem besten Schlussatz überhaupt. DANKE !


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