Ansichten eines Informatikers

Das Kommunistische Manifest, Kapitel IV

Hadmut
17.1.2019 20:31

Ein kundiger Leser wies mich auf eine Textpassage hin:

Im Manifest der Kommunistischen Partei von Karl Marx und Friedrich Engels, geschrieben 1847, veröffentlicht 1848, Volltext beispielsweise hier, heißt es in Kapitel IV „Stellung der Kommunisten zu den verschiedenen oppositionellen Parteien”:

In Deutschland kämpft die kommunistische Partei, sobald die Bourgeoisie revolutionär auftritt, gemeinsam mit der Bourgeoisie gegen die absolute Monarchie, das feudale Grundeigenthum und die Kleinbürgerei.

Sie unterläßt aber keinen Augenblick bei den Arbeitern ein möglichst klares Bewußtsein über den feindlichen Gegensatz zwischen Bourgeoisie und Proletariat herauszuarbeiten, damit die deutschen Arbeiter sogleich die gesellschaftlichen und politischen Bedingungen, welche die Bourgeoisie mit ihrer Herrschaft herbeiführen muß, als eben so viele Waffen gegen die Bourgeoisie kehren können, damit, nach dem Sturz der reaktionären Klassen in Deutschland, sofort der Kampf gegen die Bourgeoisie selbst beginnt.

Auf Deutschland richten die Kommunisten ihre Hauptaufmerksamkeit, weil Deutschland am Vorabend einer bürgerlichen Revolution steht, und weil es diese Umwälzung unter fortgeschritteneren Bedingungen der europäischen Civilisation überhaupt, und mit einem viel weiter entwickelten Proletariat vollbringt als England im siebenzehnten und Frankreich im achtzehnten Jahrhundert, die deutsche bürgerliche Revolution also nur das unmittelbare Vorspiel einer proletarischen Revolution sein kann.

Mit einem Wort, die Kommunisten unterstützen überall jede revolutionäre Bewegung gegen die bestehenden gesellschaftlichen und politischen Zustände.

In allen diesen Bewegungen heben sie die Eigenthumsfrage, welche mehr oder minder entwickelte Form sie auch angenommen haben möge, als die Grundfrage der Bewegung hervor.

(Eine besondere journalistische Leuchte war Marx bei seinen Formulierungskünsten wohl nicht.)

Der Leser meint dazu, es wäre zwar richtig und zutreffend, dass die Kommunisten die deutsche Industrie und die fleißigen Arbeiter gebraucht hätten, aber zu einseitig, es gäbe eben das als weitere Aspekt.

Das ist insofern wichtig, als die Sache mit Industrie und fleißigen Arbeitern ja nur ein qualitativer Aspekt ist. Das nun ist aber ein zeitlicher Aspekt, der ja zu meiner Vermutung, dass die Linken auf die Rechten so sauer sind, weil die ihnen damals die Gelegenheit vermasselt haben.

Heißt: Marx wollte Monarchie und Feudales Gesellschaftssystem stürzen und sich dazu der Bourgeoisie bedienen, des wohlhabenden Bürgertums. Die sollten dann „gesellschaftliche und politische Bedingungen herbeiführen”, wonach dann das Proletariat die Bourgeoisie angreift und erledigt.

Na, toll. Normalerweise nennt man sowas Hinterhalt.

Allerdings muss man dabei bedenken, dass das der Stand von 1847 war. Da hatte man sich gerade erhofft, dass in Deutschland die Monarchie abgeschafft wird, was aber nicht funktioniert hatte. Damals war Deutschland noch nicht so industrialisiert. Offenbar hatten Marx und Engels sich das so gedacht, dass man die Monarchie abschafft, dann die Bürgerlichen das Land aufmodernisieren und industrialisieren lässt, und der Kommunismus sich das dann abgreift.

Eine seltsame Herangehensweise, die man von den heutigen Linken gut kennt: Nichts selbst machen, sondern erwarten, dass es einem die anderen fertig hinstellen, und man sich dann davon ernähren lassen kann. Heute nennt man das Feminismus oder Grundeinkommen.

Es lief dann aber anders herum.

Die Monarchie hielt sich in Deutschland noch 70 Jahre, und in der Zeit wurde Deutschland schon mächtig industrialisiert, elektrifiziert, maschinisiert, was man ja am Verlauf des ersten Weltkrieges gut ablesen konnte. Damals hatte man in Deutschland eine funktionierende Schwerindustrie.

Offenbar lief den Kommunisten nicht nur die Geduld aus, sondern es schien wie die perfekte Gelegenheit, beide Schritte, nämlich Abschaffung der Monarchie und Angriff auf das Bürgertum in einem Schritt und das fast gleichzeitig wie in Russland zu betreiben.

Die müssen sich damals „Jetzt oder nie!” gedacht haben. Das war wohl die perfekte Konstellation, das Chaos nach dem ersten Weltkrieg, die Leute genervt, das Land aber schon industrialisiert (und die Schäden im Land nicht so schwer) und „kommunismusreif”, dann die Absetzung der Monarchen, nahezu gleichzeitig mit denen in Russland, Bauern und Arbeiter, und das auch noch in zwei riesigen Reichen, die direkt benachbart waren und sich trefflich zu einem großen kommunistischen Reich hätten zusammenschließen lassen. Proletarier aller Länder vereinigt Euch! (Fehlt in diesem Schlachtruf nicht ein Komma?)

Dazu dann ein Deutsches Reich, das nach dem Weltkrieg faktisch gar keine Staatsgewalt mehr hatte, nicht regiert war, keine Regierung hatte, da lag, wie eine herrenlose Sache, die dem gehört, der sie findet. Liebknecht und Luxemburg. Deshalb ging das dann 1918 wohl auch alles so schnell. Die haben sich beeilt, das durchzuziehen, waren aber vielleicht von der Entwicklung auch etwas überrumpelt und schlecht vorbereitet. Und nun kommt denen erst

Es muss wie der beste Zeitpunkt gewirkt haben, und dann kam denen erst diese Garde-Kavallerie-Schützen-Division dazwischen, die erst den Spartakusaufstand niederschlug und dann Liebknecht und Luxemburg umlegte, obwohl es keine Staatsgewalt mehr gab. Es gab ja im SPIEGEL der 50er dieses Interview mit einem von damals, woher er die Legitimation dafür hatte, warum er das gemacht hat. Er hätte auch antworten können „warum nicht? War ja nicht verboten, gab ja gerade keine Gesetze.”

Danach wird man sich wohl mehr Zeit genommen haben um das während der Weimarer Republik noch einmal zu versuchen, was dann aber schon deutlich schwieriger und nicht mehr im
Handstreich zu machen war, weil sich ja wieder staatliche Strukturen verfestigt hatten. Also hat man es im großen Stil noch einmal versucht, und dann kam ihnen die NSDAP in die Quere.

Es ist geradezu zwangsläufig, dass die Kommunisten stinksauer waren und sind, denn so eine Chance wie 1918 bot sich nie wieder. Und dass das mit dem Kommunismus nicht funktioniert hat, wird mal als Folge dessen ansehen, weil man die wichtige Zutat Deutschland (in den Grenzen von damals, also des Deutschen Reiches) nicht bekommen hat.

Rechnet man noch dazu, dass Kommunisten Ideologen sind, die für jedes Versagen stets und ausnahmslos andere verantwortlich machen, bleibt gar nichts anderes übrig als tiefe Wut und Rachegelüste gegen Konservative und Rechte. Gegen wen auch sonst, war ja sonst keiner mehr da.

Dieses Manifest sollte man mal lesen. Da stehen noch andere Sachen drin. Die Ode an die Dampfmaschine:

Die bisherige feudale oder zünftige Betriebsweise der Industrie reichte nicht mehr aus für den mit den neuen Märkten anwachsenden Bedarf. Die Manufaktur trat an ihre Stelle. Die Zunftmeister wurden verdrängt durch den industriellen Mittelstand; die Theilung der Arbeit zwischen den verschiedenen Corporationen verschwand vor der Theilung der Arbeit in der einzelnen Werkstatt selbst.

Aber immer wuchsen die Märkte, immer stieg der Bedarf. Auch die Manufaktur reichte nicht mehr aus. Da revolutionirten der Dampf und die Maschinerie die industrielle Produktion. An die Stelle der Manufaktur trat die moderne große Industrie, an die Stelle des industriellen Mittelstandes traten die industriellen Millionäre, die Chefs ganzer industriellen Armeen, die modernen Bourgeois.

Die große Industrie hat den Weltmarkt hergestellt, den die Entdeckung Amerika’s vorbereitete. Der Weltmarkt hat dem Handel, der Schifffahrt, den Landkommunikationen eine unermeßliche Entwicklung gegeben. Diese hat wieder auf die Ausdehnung der Industrie zurückgewirkt, und in demselben Maße, worin Industrie, Handel, Schifffahrt, Eisenbahnen sich ausdehnten, in demselben Maße entwickelte sich die Bourgeoisie, vermehrte sie ihre Kapitalien, drängte sie alle vom Mittelalter her überlieferten Klassen in den Hintergrund.

Wir sehen also, wie die moderne Bourgeoisie selbst das Produkt eines langen Entwicklungsganges, einer Reihe von Umwälzungen in der Produktions- und Verkehrsweise ist.

Im Prinzip hat sich zwischen diesem Pamphlet und der Zielrichtung heutiger linker Parteien nichts geändert.

Ersetzt mal in diesem „Manifest” den Begriff „Bourgeoisie” durch „alter weißer Mann”.

Dann kommt Ihr genau da heraus, was heute Mainstream ist.

Es geht darum, sich vom weißen Mann die Infrastruktur aufbauen zu lassen, um sie dann gewaltsam zu übernehmen. Es geht darum, 1918 nachzuholen.

Und es geht darum, alles das von vornherein aus dem Weg zu räumen, was man als Hindernis von 1918 ansieht.