Jungmanager müssen heute Chef und Kumpel sein

Mitarbeiter zur Selbständigkeit anzuleiten und zugleich die oberste Verantwortung zu behalten, ist nicht einfach. Firmen wie Bühler versuchen diesem Trend in der Kaderausbildung gleichwohl Rechnung zu tragen.

Dominik Feldges
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Beförderungen erfolgen heutzutage nicht mehr quasi automatisch alle paar Jahre. Sogenannte Linienkarrieren sind in den meisten Firmen passé.

Beförderungen erfolgen heutzutage nicht mehr quasi automatisch alle paar Jahre. Sogenannte Linienkarrieren sind in den meisten Firmen passé.

Toru Hanai / Reuters

Manager stehen nicht im Ruf, wehleidig zu sein. Sie gelten als hartgesottene Typen, die selbst abends um acht nach einem langen Arbeitstag noch topmotiviert wirken und ihrer Umgebung voller Begeisterung erzählen, warum sie glauben, für ihren Arbeitgeber nur das Beste zu tun. Trotz diesem demonstrativ gezeigten Selbstbewusstsein scheinen nicht wenige Führungskräfte innerlich erhebliche Zweifel zu plagen.

«Härter» als früher

Konzernchefs beklagten sich verbreitet, ihr Job sei schwieriger geworden, schrieb die Wirtschaftszeitschrift «The Economist» im Zusammenhang mit ihrer Titelgeschichte zum Thema «Meet the new boss» vor einem Monat. Zum selben Schluss gelangte im vergangenen Jahr eine Umfrage der Beratungsfirma Boston Consulting Group (BCG) unter 5000 Führungskräften sowie Mitarbeitern von Firmen in den grossen Industrienationen USA, China, Deutschland, Grossbritannien und Frankreich. Demnach erklärten 81% der insgesamt 1500 befragten Manager, ihre Aufgabe gestalte sich «härter» als in früheren Jahren.

Zum Klagen Anlass gibt weiterhin nicht in erster Linie die hohe Arbeitsbelastung. Mühe scheint heutigen Führungskräften vielmehr zu bereiten, nicht mehr über dieselbe Ballung an Macht zu verfügen. Mitarbeiter erwarten zunehmend, selber Entscheide treffen zu dürfen. Zugleich sollen die Chefs weiterhin die Rolle des Anführers übernehmen, der nicht nur die übergeordneten Ziele definiert und ihre Erfüllung überprüft, sondern auch alle Mitarbeitenden motiviert und befähigt, ihre Aufgabe möglichst optimal auszuführen. Derart viele Hüte zu tragen, sei selbst für gestandene Führungskräfte eine grosse Herausforderung, sagt Jürg Eggenberger, der Geschäftsleiter der Schweizer Kader-Organisation (SKO).

Keine Lust auf Kaderlaufbahn?

Die Vertreter von BCG glauben herausgefunden zu haben, dass sich die meisten Arbeitnehmer gar nicht mehr für eine Kaderlaufbahn erwärmten. Laut ihren Angaben gaben nur 9% der befragten 3500 Mitarbeiter ohne Managementposition an, in den nächsten fünf bis zehn Jahren eine Führungsposition anzustreben. Wer indes mit Schweizer Unternehmen spricht, bekommt in der Regel nicht zu hören, dass kaum jemand mehr Manager werden wolle. «Wir können dies nicht bestätigen», sagt Irene Mark-Eisenring, die bisherige Verantwortliche für die Ausarbeitung der internen Trainingsprogramme und designierte neue Personalchefin beim Uzwiler Industriekonzern Bühler. «Junge Leute wollen nach wie vor vorankommen und Verantwortung übernehmen.»

Eggenberger von der SKO teilt diese Einschätzung. Er weist indes darauf hin, dass sich die Anforderungen an Führungspersonen stark verändert hätten. Immer weniger gefragt seien sogenannte Linienkarrieren. Weil in den meisten Firmen viel stärker projektorientiert als früher gearbeitet werde und die Bedeutung von Hierarchien generell abgenommen habe, gehe es nicht mehr darum, jahrelang Sprosse um Sprosse in einer Karriereleiter zu erklimmen.

Führungsleute müssen heute primär Projekte erfolgreich verwalten können. Die Firma Bühler versucht, diesem Anspruch in ihrem dreijährigen Trainingsprogramm für Nachwuchsmanager gezielt Rechnung zu tragen. «Wir achten darauf, dass die Teilnehmer sehr flexibel und imstande sind, ihre Aufgaben und Verantwortlichkeiten laufend zu wechseln», sagt Stefan Scheiber, der Chef des weltgrössten Herstellers von Müllereianlagen. Die Schnelllebigkeit, die auch das Geschäft mit Investitionsgütern erfasst hat, lässt Bühler seiner Ansicht nach keine andere Wahl.

Scheiber hält viel von einer sorgfältigen Entwicklung der Persönlichkeit bei Kadernachwuchskräften. Bei aller Leistungsbereitschaft müsse eine Führungsperson auch dazu bereit und fähig sein, durchzuhalten, wenn es einmal nicht hundertprozentig laufe. Rückschläge gehörten zu fast jeder beruflichen Karriere, sagt der Konzernchef und ergänzt: «Man muss seine Stärken sowie Schwächen kennen und daraus lernen.»

Seminare für Leistungsträger

Die Möglichkeit zur Selbstreflexion ist auch für Eggenberger ein zentraler Bestandteil der Kaderausbildung. Er rät zudem dazu, dass Nachwuchskräfte in Unternehmen in geschützter Umgebung neue Fertigkeiten in der Führung erlernen können. «Man darf die Leute nicht verheizen.» Die Bühler-Gruppe, die in Fragen der Personalentwicklung generell einen guten Ruf geniesst, bietet alle zwei Jahre 30 als besonders talentiert erachteten Führungskräften ein dreiwöchiges Weiterbildungsprogramm mit drei Modulen am Hauptsitz in Uzwil, in Lausanne und in China an. Ziel sei es, sagt Mark-Eisenring, dass sich die Teilnehmenden selber noch besser kennenlernten und im Hinblick auf Positionen mit noch höherer Verantwortung, beispielsweise die Leitung einzelner Geschäftseinheiten, vorbereitet werden könnten.

Von den 400 bis 500 Führungspositionen, welche die Firma konzernweit als «kritisch» betrachtet, müssen pro Jahr rund 50 neu besetzt werden. Bei drei Vierteln gelingt dies mit eigenen Kräften. Man benötige aber auch regelmässig eine Blutauffrischung von aussen, meint Scheiber. Noch steigern muss sich Bühler trotz aller Vorbildfunktion bei der Förderung weiblicher Kaderangehöriger. Der Frauenanteil beträgt in der knapp 13 000-köpfigen Belegschaft des Konzerns weniger als 17%. Im Kader sind es sogar unter 14%.