Im ehemaligen Kapuzinerkloster in Bregenz bekommen Bedürftige ein warmes und kostenloses Mittagessen

Vorarlberg / 26.03.2019 • 09:00 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Im ehemaligen Kapuzinerkloster in Bregenz bekommen Bedürftige ein warmes und kostenloses Mittagessen
Wenn Schwester Irene (links) alle verköstigt hat, setzt sie sich zu ihren Gästen und unterhält sich mit ihnen. VN/kum

Bis zum 20. April gibt es für Bedürftige noch jeden Samstag ein warmes und kostenloses Mittagessen im ehemaligen Kapuzinerkloster in Bregenz.

Bregenz Alex (31) und Andi (35) betreten die Franziskusstube. Sie legen ihre Rucksäcke ab, in denen sie ihre wenigen Habseligkeiten haben, und setzen sich voller Vorfreude an den gedeckten Tisch. Schwester Irene (43), sie gehört den Schwestern der heiligen Klara an, begrüßt die beiden obdachlosen Männer mit einem herzlichen Lächeln und schenkt ihnen heißen Tee ein. Dann bekommt jeder ein großes Stück Lasagne auf den Teller. Andi und Alex freuen sich über das warme und kostenlose Mittagessen. Sonst ernähren sich die Männer, die schon seit mehreren Jahren auf der Straße leben, hauptsächlich von Brot, Wurst und Käse.

Das letzte Stückchen Lasagne bekommt Alex.VN/ku
Das letzte Stückchen Lasagne bekommt Alex.VN/ku

Andi kaut lange. Er tut sich beim Essen schwer. Denn er hat nicht mehr viele Zähne im Mund, eine Folge seines unsteten Lebens. Die Straße ist gefährlich. Man kann überall und ganz überraschend angegriffen werden. Andi und Alex, die keinen Rückzugsort und kein Zuhause haben, meiden gewisse Orte aus Sicherheitsgründen.

Ein Messer im Sack

Alex greift in die Jackentasche und zieht ein Jagdmesser heraus. „Bei uns hat jeder ein Messer im Sack“, sagt er. „Ich habe ich es schon einige Male zur Verteidigung gebraucht.” Der Lauteracher hat die Erfahrung gemacht, dass man auf der Straße niemandem trauen kann. „Viele geben sich als dein Freund aus. Und dann beklauen sie dich.“

Wer auf der Straße lebt, hat nicht viele Freunde. Doch Alex (l.) und Andi halten zusammen. VN/kum
Wer auf der Straße lebt, hat nicht viele Freunde. Doch Alex (l.) und Andi halten zusammen. VN/kum

Nur einem vertraut Alex. Und das ist Andi. Die beiden Männer lernten sich vor drei Jahren in der Drogenberatungsstelle Ex & Hopp in Dornbirn kennen. Seither sind sie Freunde. Seither kämpfen sie gemeinsam ums Überleben. Alex mag an Andi, dass er so ehrlich ist. Andi wiederum schätzt die Hilfsbereitschaft von Alex. Derzeit könnte Andi ohne seinen Freund nicht überleben. „Ich halte ihn über Wasser“, sagt Alex, der Invaliditätsrente bezieht, weil er alkoholkrank ist und früher heroinabhängig war. Es gab Zeiten in seinem Leben, da trank er mindestens zehn große Bier am Tag. “Heute kippe ich höchstens fünf weg“, ist er stolz darauf, dass es ihm gelungen ist, seinen Alkoholkonsum zu senken. Bereits mit 16 soff Alex wie ein Loch. „Mein Vater hat Probleme auch immer mit Alkohol zu lösen versucht.“

Zwei Jahre im Auto geschlafen<

Als Alex seine Freundin mit einem anderen in flagranti erwischte, ging es mit dem gelernten Fenster- und Türenbauer vollends abwärts. Der Montagearbeiter verlor sein Zuhause und landete 2013 auf der Straße. Zwei Jahre schlief er im Auto. Heute übernachtet Alex meistens auf Baustellen. „Wenn die Fenster montiert sind, hält man es im Rohbau aus.“ Andi ergänzt: „Wir brauchen Alkohol, damit wir die Kälte nicht spüren.“ Auch deshalb trinkt Andi über die Maßen. Außerdem kifft der Dornbirner regelmäßig.

Sein Leben geriet vor zehn Jahren aus den Fugen. Damals wurde er zusammengeschlagen und erlitt einen Schädelbasisbruch. Andi überlebte, erwachte aber erst nach einem halben Jahr aus dem Koma. Danach fand der gelernte Dachdecker keine Arbeit mehr. Er verlor die Wohnung und fand sich plötzlich auf der Straße wieder. Heute lebt der 35-Jährige mehr schlecht als recht von der Mindestsicherung. „Wenn ich die nicht hätte, müsste ich kriminelle Sachen machen.”

Andi und Alex sind nicht in Eile. Draußen wartet eh nur die Straße. Sie essen ohne Hast und bekommen von Schwester Irene sogar noch einen Nachschlag. Danach genießen die beiden Freunde ein Stück Kuchen und einen Kaffee. Inzwischen hat sich die Franziskusstube mit Menschen gefüllt. Diese kommen aus den verschiedensten Ländern.

“Ich fühle mich schon seit Jahren einsam.”

Vera aus Brasilien

Vera (56) zum Beispiel ist Brasilianerin. Mit 30 erfüllte sie sich einen Jugendtraum und reiste nach Europa. Sie heiratete einen Österreicher. Aber die Ehe scheiterte. „Mein Ex-Mann ist alkohol- und spielsüchtig“, erklärt sie, warum sie sich scheiden ließ. Mit der Scheidung begann ihre Einsamkeit. „Ich fühle mich schon seit Jahren einsam. Man möchte reden und etwas unternehmen, aber niemand ist da.” Im vergangenen Herbst fiel der Küchengehilfin in einem Supermarkt ein kleines Plakat auf, das für das warme und kostenlose Mittagessen in der Franziskusstube während der Wintermonate warb. Ein Satz auf dem Plakat gab den Ausschlag, dass sie dem Kloster im Dezember einen Besuch abstattete: „Das Mittagessen und die Begegnungen sowie die Gespräche beim Essen sind für alle Beteiligten eine große Bereicherung.” Seither kommt die einsame Frau jeden Samstag in die Franziskusstube. Der Geselligkeit wegen, wie sie beteuert. Und weil Schwester Irene immer ein offenes Ohr für sie habe.