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Silvio Berlusconi: "Ein bisschen wie Napoleon"

Foto: Marco Luzzani/ Getty Images

80. Geburtstag von Silvio Berlusconi Ein Gesicht wird 40

Mit eigennütziger Politik, plumpen Sprüchen und Sexskandalen hat Silvio Berlusconi jahrelang amüsiert und entsetzt. Jetzt feiert der erfolgreichste und peinlichste Politiker Italiens 80. Geburtstag. Ganz ohne Bunga-Bunga.

"Geliebter Feind" titelt das linksliberale Nachrichtenmagazin "L'Espresso" diese Woche und zieht auf 16 Seiten Bilanz über die zwei Jahrzehnte, in denen Silvio Berlusconi Italien prägte wie keiner seit den Zeiten des "Duce" Benito Mussolini.

Hundertmal prangte der Milliardär und Medienbaron auf einem "Espresso"-Titelblatt, seit er in die Politik ging, um sich und sein Unternehmen vor der Justiz zu retten. So ähnlich war es in nahezu allen gedruckten oder gesendeten Medien: Der bislang letzte König Italiens, Silvio I., war in seinem Reich 20 Jahre lang das Maß aller Dinge.

Er war viermal Ministerpräsident, übergangsweise Außen-, Wirtschafts- und Gesundheitsminister, und einer der reichsten Männer Italiens. Er kontrollierte nahezu 90 Prozent aller Fernsehprogramme. Die eine Hälfte, weil sie ihm gehört, die andere, weil sie von der Regierung abhängig ist. In anderen westlichen Demokratien wäre eine solche mediale Machtballung kaum vorstellbar. In Italien war sie lange Zeit Alltag.

"Was ist der Unterschied zwischen Berlusconi und Gott?", fragt ein populärer Witz aus dessen Glanzzeiten. Antwort: "Gott hält sich nicht für Berlusconi."

Auch in anderen Disziplinen war Berlusconi regelmäßig an der Spitze der politischen Europaliga: Als Angeklagter, peinlicher Sprücheklopfer und Hauptperson in Sexskandalen.


Der Quereinsteiger

Foto: Anonymous/ AP


Am 26. Januar 1994 verkündete Berlusconi mit einem in seiner Villa in Arcore aufgezeichneten, neunminütigen Video seinen Einstieg in die Politik. Er müsse Italien vor den Kommunisten retten, die kurz vor der Machtübernahme stünden, begründete der Bau- und Medienunternehmer seinen Schritt.

In Wahrheit, berichtete später sein engster Freund Marcello Dell'Utri, sei seine Firma praktisch pleite, und er schon halb im Gefängnis gewesen. "Ohne die Gründung seiner Partei hätte Berlusconi sich nicht retten können." Auch der Neupolitiker selbst hat das mehrfach erzählt, später aber dementiert.

Jedenfalls gelang der Start grandios: Nur zehn Wochen vor den Parlamentswahlen gegründet, kam Berlusconis "Forza Italia" (ein Spruch aus dem Fußballmilieu, übersetzt etwa "Vorwärts Italien") auf 21 Prozent. Er gelangte auf den Chefsessel einer Koalition mit der postfaschistischen "Alleanza Nazionale" und der separatistischen "Lega Nord".

Der Verfolgte

Foto: ALESSANDRO BIANCHI/ REUTERS


Beim Sprung in die politische Arena hatte Berlusconi nur vier Prozesse am Hals, später wurden es immer mehr. Es ging um Steuerhinterziehung, Meineid, Richterbestechung, Mafia-Deals, Bilanzfälschung und vieles mehr. "Ich bin der meist verklagte Politiker der Welt", sagte er, offenbar nicht ohne Stolz.

Im Gegenzug attackierte er über seine Medien die Justiz als Hort von "Kommunisten", beschimpfte Staatsanwälte und Richter als "genetisch abnorme Putschisten" und als "linkslastig und verrückt".

Der Regent

Foto: © Remo Casilli / Reuters/ REUTERS


Berlusconi feuerte nicht nur gegen die "roten Roben". Mit seiner politischen Macht als Regierungschef und Quasi-Eigentümer der stärksten Partei im Parlament ließ er auch missliebige Gesetze ändern, etwa das zur Bilanzfälschung. Damit allein waren schon einige Probleme gelöst. Für andere Delikte wurden kürzere Verjährungszeiten eingeführt. Auch das entschärfte manche juristische Unannehmlichkeit. Ohnmächtig und zerstritten sah die Opposition jahrelang zu, wie er seine persönlichen Interessen durchsetzte.

Den "Cavaliere" - zu Deutsch: Ritter - nannten ihn die Medien ironisch, weil er einst den Arbeitsverdienstorden "Cavaliere del Lavoro" bekommen hatte. Aus dem Spitznamen machte Berlusconi bald einen Ehrentitel und ließ sich von seinen Anhängern und Getreuen bald nur noch als "Cavaliere" anreden.

Italien, schrieb die "Zeit" in jenen Jahren nach der Jahrtausendwende, sei im Übergang zur "autoritären Demokratie". Berlusconi drückte es ähnlich, aber auf seine Art aus: Er fühle sich "ein bisschen wie Napoleon und ein bisschen wie Justinian", der byzantinische Kaiser.

Entsprechend waren seine politischen Freunde, der russische Präsident Wladimir Putin zum Beispiel oder der libysche Diktator Muammar al-Gaddafi. Letzteren begrüßte er 2010 sogar mit Handkuss.

Der Peinliche

Foto: ALESSANDRO BIANCHI/ REUTERS


Lange vor Donald Trump oder Marine Le Pen erfand Silvio Berlusconi einen populistischen Politikstil, der vor allem auf derben Sprüchen und platten Witzchen gründete ("Besser hübschen Frauen hinterherschauen als schwul sein"), aber auch extreme Attacken auf seine Kritiker vorsah.

Als ihn zum Beispiel 2003 der deutsche SPD-Politiker Martin Schulz im Europäischen Parlament heftig kritisierte, giftete Berlusconi zurück: Er empfehle Schulz die Rolle eines Kapos in einem Film über die Konzentrationslager der Nazis, dafür sei er perfekt.

Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 verkündete er, leider sei "ein Teil der muslimischen Welt um 1400 Jahre zurückgeblieben", westliche Werte passten nicht zu "islamischen und kommunistischen Vorstellungen". Daheim im Wahlkampf wurde er noch deutlicher, mit dem Slogan "Mit der Linken an der Macht: Elend, Schrecken und Tod."

Der Liebe

Foto: Angelo Carconi/ dpa


Dafür war er privat sehr nett. Bei feierlichen Anlässen verteilte er gern teure Armbanduhren an die Herren und kostbare Halsketten an die Damen. Überhaupt hatte er ein großes Herz für den weiblichen Teil der Menschheit.

Einmal überraschte er eine junge Frau namens Noemi Letizia in Neapel persönlich mit einem großen Geschenk zum 18. Geburtstag. Dass seine Gattin danach öffentlich klagte, dass ihr Mann "Minderjährige frequentiere", "krank" sei und Hilfe benötige und bald darauf die Scheidung einreichte, mag ihn überrascht haben. Zumal er der Ex nun lebenslänglich 1,4 Millionen Euro Unterhalt zahlen muss - pro Monat.

Wo er doch immer nur Gutes im Sinn hatte. In seiner Zeit als Regierungschef rief er 2010 bei der Polizei in Mailand an und bat, die junge Frau Karima el-Marough, genannt "Ruby" und gerade unter Diebstahlverdacht verhaftet, bitte freizulassen. Sie sei eine Nichte des damaligen ägyptischen Staatspräsidenten Hosni Mubarak, man wolle Verstimmungen vermeiden. Aber dann kam raus, dass "Ruby" Marokkanerin war und nicht Präsidentennichte, sondern Tanzmädchen, und dass sie auch schon gelegentlich bei lustigen Festlichkeiten in der Arcore-Villa Berlusconis gewesen war.

Bei jenen Feiern, die als "Bunga Bunga"-Partys weltberühmt wurden, weil man sich da verkleidete und auszog und so. Aber zwischen den beiden sei nichts passiert, sagten sie. Während Ruby seither Millionärin ist und um die Welt jettet, hatte Berlusconi aber schon wieder einen neuen Prozess am Hals. Und dann behauptete ein Unternehmer aus Italiens Süden vor Gericht, er habe Berlusconi bei 18 Festen 30 junge Frauen zugeführt und in wenigstens zehn Fällen auch für sexuelle Dienstleistungen bezahlt. Bald darauf konnte jeder in Italiens Zeitungen die Abschriften von Telefonmitschnitten lesen, in denen junge Frauen Berlusconi anbrüllten, sie wollten "mehr Geld", sonst passiere etwas.

Und da war Berlusconi es eigentlich schon leid. Er musste noch einen peinlichen Sozialdienst absolvieren, um nicht - nach etwa 30 überstandenen Prozessen - am Ende doch noch in der Zelle zu landen. Damit nicht genug, aus dem Senat wurde er geschmissen, und der Cavaliere-Titel wurde ihm aberkannt.

Das reichte ihm endgültig. Silvio Berlusconi zog sich ins Privatleben zurück. Die Partei ist ihm egal, die verliert sowieso ständig Anhänger. Den Fußballverein, seinen einst so geliebten AC Milan, hat er verkauft.

Von großen Partys will er nichts mehr wissen. Ohne Feuerwerk, ohne Star-Tenor, feiert er seinen 80. Geburtstag im engsten Kreis der Familie, mit seinen Kindern, seiner 31-jährigen Verlobten Francesca Pascale und dem kleinen weißen Malteser-Terrier "Dudu".