Telecom-Markt: EU-Staaten einigen sich auf neue Regeln zum Anbieterwechsel

Der EU-Rat hat seine Position zur Reform des Rechtsrahmens für den Telekommunikationsmarkt abgesteckt und die Vorgaben für den Providerwechsel dabei verschlimmbessert. Verbraucherschützer sind besorgt.

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Telecom-Markt: EU-Staaten einigen sich auf neue Regeln zum Anbieterwechsel
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Der geplante "europäische Kodex für die elektronische Kommunikation" nimmt weiter Formen an. Nach den federführenden Ausschüssen des EU-Parlaments hat am Mittwoch auch der EU-Rat seine Linie für neue Regeln für den Telekommunikationsmarkt im Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten (Coreper) festgezurrt. Der von dem Ministergremium überarbeitete Richtlinienentwur umfasst mit Anhängen über 400 Seiten. Erste Verhandlungen über einen Kompromiss mit den anderen EU-Gremien sollen Ende Oktober anlaufen, wenn die Abgeordneten im Plenum dafür grünes Licht geben.

Erwartungsgemäß hat der Rat bei den umstrittenen neuen Vorgaben für den Anbieterwechsel nur an kleinen Punkten nachgebessert und andere Weichen noch stärker zuungunsten der Verbraucher gestellt. Für Kunden hierzulande gilt bislang: Wenn sie den Telefon- oder Internetanbieter wechseln wollen, darf die Versorgung für maximal einen Kalendertag unterbrochen werden. Auf EU-Ebene war nur noch von einem Werktag die Rede, zudem sollen die Anbieter anders als hierzulande bei einem Fehlschlag zunächst weiter die volle Anschlussgebühr in Rechnung stellen können.

Die Vertreter der Mitgliedsstaaten schlagen nun vor, dass national die bestehenden Schutzvorgaben zunächst für eine Übergangsfrist von bis zu drei Jahren weiterbehalten werden können. Sollte sich die Bundesregierung dafür entschließen, wären die Geltung der für die Verbraucher ungünstigeren Bestimmungen so zumindest aufgeschoben. Als negativ wertete Lina Ehrig vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) gegenüber heise online dagegen, dass Provider die Kontinuität des Dienstes nur noch sicherstellen müssten, wenn ihnen dies "technisch möglich" ist. Schwammiger gefasst habe der Rat auch die Klausel zum Zeitpunkt eines Wechsels: der Verbraucher könnte hier nicht mehr einen Übergang an einem Stichtag verlangen, sondern müsste ein Datum mit dem neuen Anbieter "vereinbaren".

Das Ministergremium plädiert ansonsten dafür, "Over-the-Top"-Anbieter (OTT) wie Skype, WhatsApp sowie sonstige Messenger- und E-Mail-Dienste stärker in das Regulierungsumfeld mit einzubeziehen, da diese traditionelle Telekommunikationsdienste vielfach ersetzten. Das Verhandlungsmandat ruft zudem nach einer stärkeren Kooperation zwischen den EU-Ländern, um Funkspektrum etwa für den kommenden Mobilfunkstandard 5G zeitnah und in einer für die Netzbetreiber "vorhersehbaren" Weise zur Verfügung zu stellen. Die Mitgliedsstaaten sollen dabei aber aufgrund großer nationaler Unterschiede weitgehend flexibel vorgehen dürfen.

Die bisherige Vorabregulierung von Telekommunikationskonzernen mit "beträchtlicher Marktmacht" will der Rat lockern. Im Sinne der Bundesregierung und der Deutschen Telekom schlägt er vor, die "symmetrische Regulierung" auf EU-Ebene auszuweiten. Aufsichtsbehörden sollen demnach auch andere Anbieter wie Kabelnetzbetreiber stärker in den Blick nehmen, wenn sie Auflagen für den Zugang zu Netzwerken festlegen. Die estnische IT-Ministerin, Urve Palo, unterstrich im Namen der Ratspräsidentschaft, dass der Rahmen insgesamt den Schlüssel dazu bilden solle, eine "Gigabit-Gesellschaft in der ganzen EU" zu schaffen. (mho)