«Wurde wegen Kopftuch geschlagen – keiner half»

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Im Tram«Wurde wegen Kopftuch geschlagen – keiner half»

Eine Basler Türkin wurde wegen ihres Kopftuchs angepöbelt und geschlagen. Auf Facebook schrieb sie ihre Erfahrungen nieder und löste einen Aufschrei aus.

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Von einem Moment auf den anderen fühlte sich E.B.* nicht mehr sicher in der Stadt. Die 34-jährige Türkin, die in Basel geboren und aufgewachsen ist, sass vorletzten Freitag im 8er-Tram, als eine Gruppe junger Menschen in ein Tram der Linie 8 stürmte und sie angriff. «Ich kam soeben mit meiner Mutter aus der Moschee. Aus diesem Grund trug ich ein Kopftuch», erzählt die Doppelbürgerin. Die Teenager, sichtlich angetrunken, hätten beim Betreten des Wagens alle Blicke auf sich gezogen. «Sie schlugen gegen die Scheiben und brüllten laut irgendwelche Parolen», erzählt die Mutter von drei Kindern. «Sie machten einen streitlustigen Eindruck.»

Sie seien dann unangenehm nah neben ihr gestanden, B. fühlte sich bedrängt. Die Situation eskalierte, als sie die Gruppe höflich bat, vorsichtig zu sein. «Darauf reagierten sie mit verbalen Angriffen. Dass wir zurück in unser Land sollen, gehörte noch zu den harmloseren Beleidigungen, die sie uns an den Kopf geworfen haben», so B. Ein Mann und eine Frau hätten sich dann aus der Gruppe gelöst, sie am Kopftuch gezogen und ihr mit der flachen Hand an den Kopf geschlagen. «Ich habe den Arm des Mädchens gepackt, sie hat sich losgerissen und ist mit ihren Kollegen am Barfüsserplatz ausgestiegen», berichtet sie.

Keine Zivilcourage

Der Schock sitzt noch immer tief: «Es war Messe-Wochenende, das Tram war voll und trotzdem hat niemand eingegriffen. Das war eigentlich die schlimmste Erfahrung. Blossgestellt zu werden, und kein Mensch hilft dir», schildert B. Drei Tage später, am Montag, reichte sie Anzeige gegen die unbekannten Täter ein. Heute weiss sie, dass sie schneller hätte reagieren müssen: «Die Staatsanwaltschaft sagte mir, hätte ich sofort die Polizei alarmiert, hätte sie die Gruppe wahrscheinlich ausfindig gemacht.» Hinzu kommt, dass die BVB das Überwachungsvideo-Material jeweils nach 48 Stunden überschreibt. Die Staatsanwaltschaft nahm zum Fall keine Stellung.

Um die Attacke zu verarbeiten, schrieb sie ihre Erfahrungen auf Facebook nieder und erhielt jede Menge Zuspruch. «Ich habe mich in der Schweiz immer wohl und willkommen gefühlt – bis auf heute. Der Grund dafür? Heute trug ich ein Kopftuch», schreibt sie im Post. Denn im Alltag sei sie stets ohne Kopftuch unterwegs. Mehrere Frauen aus der Region teilten den Beitrag und berichteten von ähnlichen Erfahrungen. «Du hast mir aus der Seele geredet. Ich fühle mich hier gefangen, kann kaum noch den ÖV benutzen, gehe schon lange nicht mehr in die Stadt oder in Kinos», schreibt eine Betroffene.

*Initialen geändert

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