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Scharfe Russland-Sanktionen würden keine neue Eiszeit bedeuten

Wladimir Putin setzt auf die Sprache der Gewalt (Bild: Toru Hanai/Pool Photo via AP)
Wladimir Putin setzt auf die Sprache der Gewalt (Bild: Toru Hanai/Pool Photo via AP)

Aleppos Fall ist ein Wendepunkt. Unsere Beziehungen zu Russland sind zu wichtig, um sie durch Nichtstun zu zerlöchern.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Als unsere Eltern noch Kinder waren und „Angst vorm bösen Mann“ spielten, meinten sie „den Russen“. Wenn sie ihre Linsen nicht aufaßen, drohte man ihnen mit „dem Russen“. Russen – das waren in der Naziwelt unserer Großeltern Menschen minderer Kategorie; russische Kriegsgefangene ließ man in Lagern in Deutschland schlicht verhungern und verrecken; kein Wunder, dass man sich fürchtete vor deren Rache.

Unsere Liebe für Klischees und Stereotype hat eine lange Tradition in Deutschland, und es dauerte lang, bis sich unser Russland-Bild änderte. Russen waren es, die uns von uns selbst befreiten. Die beendeten, wozu die Deutschen nicht in der Lage waren oder es nicht wollten: die Herrschaft der Nazis.

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Später prägte die Besetzung Ostdeutschlands durch sowjetische Truppen unser Bild, weil sie ein unfreies System, die DDR, etablierten und erhielten. Mit dem Fall der Mauer konnte sich ein freieres Verhältnis zu Russland entwickeln, um das man in diesen Tagen ringt.

Lügen bleiben Lügen

Denn es vergeht keine Woche, in der nicht Gräuliches dem Kreml angelastet oder zugemutet wird. Donald Trump wird US-Präsident? Die Russen waren’s. Die kommenden Bundestagswahlen sehen Manipulationsvorwürfen entgegen? Die Russen werden’s sein. Das Traurige ist dabei, dass sich ernste und auf Fakten ruhende Bedenken mit den alten Stereotypen und Hassbildern vermengen. Dabei müssen wir genau aufpassen und differenzieren. Russland ist uns ein zu teurer Nachbar.

Harte Wirtschaftssanktionen gegen das Land müssen jetzt her. Es geht um Wirksamkeit und Glaubwürdigkeit. Präsident Wladimir Putin und seine Herrschaft sind nicht nur undemokratisch. Er und seine Politiker lügen. Sie belügen konsequent den so genannten Westen; vielleicht liegt darin eine gewisse Ehrlichkeit: Sie besagt, dass Russland alles so lange unternimmt, bis ihm Grenzen aufgewiesen werden. Und die Unternehmungen Russlands richten sich allein nach dem Gradmesser, was dem Machtbereich Putins, nicht Russlands, nützt und ihn schützt. Denn Putin ist ein paranoider Ex-Geheimdienstler. Nicht die Größe Russlands hat er vor Augen, sondern die Angst vor seinem eigenen Fall.

So betrieb er Krieg in Tschetschenien schon vor vielen Jahren, so wiederholte er es in der Ukraine – bis der Westen durch Wirtschaftssanktionen ein Einlenken bewirkte. Doch man gewöhnte sich in Russland an diese Sanktiönchen und fuhr mit der Sprache der Gewalt fort, diesmal in Syrien. Die Syrer zahlen gerade einen hohen Preis. Das Völkerrecht wurde gegen die Wand gefahren. Russland führt Krieg in Syrien. Entgegen der Kremllügen geht es um die Stützung von Präsident Baschar al-Assad, nicht gegen den IS. Es geht gegen das syrische Volk – denn das sind nicht die Bewaffneten, weder die Armee noch die Milizen, sondern das ist die Zivilgesellschaft. Und die erlebt gerade dank der Russen in Aleppo, dass es ein Inferno auf diesem Planeten gibt. From Russia with Love.

Mahnwache für die Opfer der Kämpfe in Aleppo in Amsterdam (Bild: dpa)
Mahnwache für die Opfer der Kämpfe in Aleppo in Amsterdam (Bild: dpa)

Dass Rechtspopulisten in Deutschland gemeinsam mit Linken darüber großzügig schweigen, ist ein anderer Verrat am eigenen Gewissen, das müssen diese Leute mit sich selbst ausmachen.

Wir müssen der russischen Führung klarmachen, dass es auch anders geht. Dass es Russland nicht schadet, andere Gesellschaften zu achten. Dass man keinen Krieg führen muss. Nicht mit Waffen und nicht mit digitaler Desinformation. Natürlich haben russische Hacker den US-Präsidentschaftswahlkampf zu beeinflussen versucht, natürlich werden zahllose Bots in den Westen geschickt; so ist das bei autoritären Politikern: Sie misstrauen dem Volkswillen und versuchen ihn zu lenken. Daher ist es keine Überraschung, dass die AfD zum einen darüber nachdenkt, in Wahlkämpfen selbst Bots einzusetzen und zum anderen gegenüber Putin eine „verständnisvolle“ Linie fährt.

Angst nimmt man nicht durch Wegschauen

In Russland mag es eine Angst geben. Diese Angst schadet der Welt. Sie wird sich nur verflüchtigen, wenn weiterhin alle Hände ausgestreckt werden. Wenn wir mehr Respekt, Offenheit und echte Neugierde zeigen für Russisches, sei es bei Geschichte, Kultur, Wissenschaft und Sport.

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Doch es geht nicht mehr ohne die einzigen wirksamen Mittel, die der Westen hat. Russische Sportler werden massenhaft gedopt? Boykott, Ausladung und Sanktion. Punkt. Russisches Militär kämpft weiter in Syrien? Der Handel muss spürbar zurückgefahren werden, auch wenn es große negative Folgen für die deutsche Wirtschaft hat. Punkt.

Es geht nicht darum, dass Russland keine andere Sprache verstünde, Putin ist kein kleines Kind. Nur hat er sich auf die Sprache der Gewalt festgelegt. Nun braucht es Augenhöhe. Keine Überheblichkeit. Sondern die Gewissheit, dass die Botschaft des Willens an einem guten Miteinander auch ankommt.

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