Ach, es ist ja nur das Saarland. Die klassische Floskel, mit der Wahlergebnisse in Deutschlands äußerstem Südwesten alle fünf Jahre wieder in die bundespolitische Bedeutungslosigkeit weggelächelt werden, lag noch nie so daneben wie zum Auftakt des Superwahljahr 2017.

Im kleinsten Flächenstaat ging es um Großes: Um die politische Grundstimmung, mit der die Parteien in zwei weitere Landtagswahlen und in die Bundestagswahl gehen. Um einen zum Erlöser ausgerufenen SPD-Kanzlerkandidaten, der sich womöglich als ein Umfrage-Erlöserchen entpuppt, der die politische Weichwährung Beliebtheit nicht in die bare Münze des Wahlsieg umzutauschen vermag. Um eine CDU, der von den vier kümmerlichen Ministerpräsidenten, die ihr geblieben sind, ausgerechnet jene abhanden zu kommen droht, die parteiintern das höchste Ansehen genießt und als eine mögliche CDU-Vorsitzende für die Zeit nach Merkel gehandelt wird. Ganz zu schweigen von der Auswirkung eines solchen Verlustes auf die Kanzlerin selbst.

Und es ging um die Frage, ob ER wieder da ist; der größte lebende Saarländer aller Zeiten – oder so ähnlich. Ob Oskar Lafontaine, der Ex-SPD-Chef, der die seine Partei verließ, um ihr größtmöglichen Schaden zuzufügen, nun, altersmilde geworden, derjenige sein wird, der dieser Partei die Rückkehr ins Kanzleramt ermöglicht. Der rot-rote Pfad sollte von der Saar zur Spree führen. Größer geht es gar nicht im Kleinsten. Und interessanter auch nicht: Denn die Antworten, die die Saarländer am Sonntag zu diesen Fragen gaben, können dem Kandidaten nicht gefallen – und der Kanzlerin auch nicht.

AKKs Alleinsieg

Annegret Kramp-Karrenbauer, AKK oder – wie die Saarländer sie nennen – "es Annegret" bleibt zwar Ministerpräsidentin. Das hat aber mehr mit der benachbarten SPD-Landesmutter Malu Dreyer als mit der amtierenden CDU-Kanzlerin Angela Merkel zu tun. Auf den letzten Wahlkampfmetern haben die Saarländer, genau wie die Rheinland-Pfälzer vor einem Jahr, ihre eigene Regierungschefin wichtiger genommen als den gegenläufigen bundespolitischen Trend – und sie im Amt bestätigt. Kramp-Karrenbauers Sieg gehört ihr ganz allein. Und das umso mehr, da sie den gesamten Wahlkampf auf sich zugeschnitten hatte und die bundespolitische Unions-Prominenz weitgehend jenseits der Landesgrenzen hielt. Der Martin-Schulz-Hype und eine lazarushaft auferstandene SPD konnten Kramp-Karrenbauers Popularität nur kurzfristig erschüttern, nicht brechen. Ihr Sieg macht sie frei. Für höhere und womöglich auch höchste Aufgaben.

Wie die Umfragen daneben lagen

© Infografik: Paul Blickle, ZEIT ONLINE

Merkel profitiert zwar gleich doppelt von AKKs Alleinsieg. Zum einen bleibt ihr eine Grundsatzdebatte über die Ausrichtung der CDU und den kaum spürbaren Kampfeswillen der Kanzlerin fürs Erste erspart. Zum anderen kann sie nun darauf verweisen, dass man in Zeiten von Flüchtlingskrise und Rechtspopulismus auch als liberale Konservative Wahlen gewinnen kann. Zurücklehnen ist also angesagt. Schwerer wiegt jedoch Merkels Mythosverlust: Einst konnten die CDU-Wahlkämpfer gar nicht nah genug an die hochbeliebte Kanzlerin heranrücken. Jetzt gewinnt man Wahlen, wenn man persönlich auf Distanz bleibt.