Meta-Trilogie zur Digitalen Transformation – Teil 2
Oliver M. Merx
Digitale Super-Akteur-Netzwerke
AOP – ECO – P2P
Einleitung
Digitale
Transformation
und ANT
Alexa schaltet
das Licht
im
Wohnzimmer an. Eine
Im
ersten Teil der Meta-Trilogie
wurde
die Akteur-Netzwerk-Theorie
(ANT) dazu
unbekannte
Stimme im
Fernsehen
hat den Befehl
vorgestellt. Mit ihr ist es möglich, die Wirksamkeit unterschiedlicher Akteurgegeben. Wer hat gehandelt? Ein Akteur Netzwerk!
Netzwerke in Relation zu setzen. Sie beruht u.a. auf zwei Prinzipien:
▪ Dem Prinzip der „Symmetrie“: Danach ist es egal, ob es sich bei den vernetzten
Akteuren um Menschen, Technik oder Elemente der Natur handelt. Sie können im
Hinblick auf die Wirkung gleichwertig vernetzt werden und als Ganzheit agieren.
▪ Dem Prinzip der „Übersetzung“: Danach beruht die höhere Wirksamkeit eines
Netzwerks auf der Lösung des gleichen Problems durch verbesserte Vernetzung.
Vor ihrem Hintergrund kann Digitale Transformation als stufenweise Neu-Vernetzung
eines (ursprünglich analogen) Akteur-Netzwerks in Richtung eines digital vernetzten
Akteurs verstanden werden. Das Resultat ist eine dreistufige Akteurs-„Metamorphose“ mit dem Ziel der Erzielung höherer Wirksamkeit bei der Problemlösung:
▪
▪
▪
▪
Stufe 0 ist der Ausgangs-Zustand als rein analoger Akteur.
Stufe 1 beinhaltet die Umwandlung von analogen zu digitalen Akteur-Strukturen.
Stufe 2 besteht aus initialer digitaler Vernetzung und der Aktivität als „Ganzheit“.
Stufe 3 ist die sich permanent neu vernetzende digitale Transformation.
Stufe 1:
Stufe 2:
Stufe 3:
Aufbau digitaler
Infrastrukturen
Agieren als digitales
Akteur-Netzwerk
Permanente Innovation;
Ent- u. Neu-Vernetzung
Besondere Relevanz besitzt für den vorliegenden zweiten Teil der Meta-Trilogie die
dritte Stufe Digitaler Transformation: Hier kommt es zur permanenten Weiterentwicklung und Optimierung digitaler Netzwerke, die zur Entwicklung von „SuperAkteur-Netzwerken“ mit exponentiell höherer Wirkung führt.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
2
Einleitung
Digitale
Super Akteur-Netzwerke
Alexa schaltet
das Licht im Wohnzimmer
an. Eine
Durch
die im erstenStimme
Teil dargestellten
Wirkmuster digitaler
werden
neuunbekannte
im Fernsehen
hat Vernetzung
den Befehl
dazu
artige Akteur-Netzwerke i.S.d. ANT ermöglicht. Sie sind gleichzeitig hoch adaptiv
gegeben. Wer hat gehandelt? Ein Akteur Netzwerk!
und innovativ-gestaltend. Sie besitzen die Fähigkeit zur parallelen Bewältigung
unzähliger Handlungs-, Wissens und Führungsaufgaben. Diese Fähigkeit führt im
Vergleich zu klassischen Akteur-Netzwerken nicht bloß zu höherer Wirksamkeit,
sondern zu exponentieller Überlegenheit.
Drei Varianten solcher digital vernetzten Super-Akteur-Netzwerke sind:
1. AOP-Akteure (= autonom-operativ)
2. ECO-Akteure ( = wirtschaftlich)
3. P2P-Akteure (= politisch-sozial)
Alle drei sind Akteur-Netzwerke i.S.d. ANT. Jeder dieser neuen digitalen SuperAkteur-Netzwerke zeichnet sich durch ähnliche Grundeigenschaften aus:
▪ Sie können Dynamik, Komplexität und räumliche Reichweite aufgrund semiotisch-materieller Vernetzung in einzigartiger Weise integrieren bzw. bewältigen.
▪ Sie können sich mit ihrer Umwelt verbinden. Das macht ihre Grenzen kaum mehr
erkennbar und greifbar, dafür ihre Anpassung und Gestaltung effektiver.
▪ Sie sind in der Lage, sich in kürzester Zeit erfolgreich und effizient an Veränderungen der Umwelt anzupassen bzw. ihre Umwelt in Rekordgeschwindigkeit
selbst aktiv und umfassend zu gestalten.
▪ Sie können trotz ihrer Größe und Komplexität nahezu in Echtzeit als integrierte
Einheit agieren. Sie wirken aufgrund von Repräsentanten und der hohen Synchronität von Aktionen häufig nicht als Netzwerk, sondern als „Single-Point-Actor“.
▪ Sie können dank digitaler Innovation laufend neue, hoch wirksame „Übersetzungen“ i.S.d. ANT entwickeln und dadurch traditionelle, weniger vernetzte
Akteure in großem Umfang vom Markt drängen oder komplett ersetzen.
▪ Die drei Super-Akteure sind im positiven wie im negativen Sinne mit invasiven
Arten aus der Welt der Biologie vergleichbar: Sie vermehren sich rasant, breiten
sich rasend schnell aus und verdrängen bisherige „Akteur-Arten“ z.T. dauerhaft.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
3
Einleitung
Individuum. Unternehmen. Gesellschaft.
Die drei nachfolgend skizzierten digitalen Super-Netzwerk-Typen der dritten Phase
digitaler Transformation setzen sich auf immer wieder neue Art zusammen und
entwickeln sich in hoher Geschwindigkeit laufend weiter. Zugleich gestalten sie ihre
Umwelt in stets neuer Weise. Die Effekte dieser „continues transformation“ wirken
sich dabei gleichzeitig auf unterschiedliche Aktionsebenen und Akteur-Typen aus:
▪ Auf menschliche Individuen als lokal-operativ handelnde Akteure.
▪ Auf Unternehmen als wirtschaftlich orientierte Netzwerk-Akteure.
▪ Auf die Gesellschaft als Summe individueller und wirtschaftlicher Akteure.
Die überlegene Wirkung der drei Netzwerk-Typen kann im Vergleich mit klassischen
Akteuren wie Mensch, Unternehmen oder Gesellschaft verdeutlicht werden:
Aktionsart
Klassischer Akteur
Digitales Akteur-Netzwerk
operativ
Mensch
AOP-Akteure
wirtschaftlich
Unternehmen
ECO-Akteure
politisch-soziall
Gesellschaft
P2P-Akteure
„Übersetzungen“ i.S.d. ANT
Begriff, Vernetzungsmuster und die exponentielle Wirkungsweise der drei digitalen
Super-Akteur-Netzwerke AOP-, ECO- und P2P-Akteur werden nachfolgend auf
Basis der ANT sowie der im ersten Teil der Meta-Trilogie entwickelten Wirkformel
dargestellt. Sie lautet: [w (Wirksamkeit) = ( Anzahl vernetzter Ziele * Qualität ) /
(Zeitaufwand * Ressourceneinsatz)].
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
4
Die Meta-Trilogie:
Ungewöhnliche Gedanken zur digitalen Welt
Die Meta-Trilogie geht neuartige, eigenwillige und mitunter provokative Wege, um
das Phänomen der Digitalisierung und ihre Wirkungsmuster auf agnostische Weise
zu skizzieren.
Die Meta-Trilogie beschreibt Digitalisierung deshalb aus einer überwiegend wirkungsorientierten Perspektive:
▪ Im ersten Teil wird dafür das Prinzip der digitalen Vernetzung im Kontext der
Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) beleuchtet, weil diese ihrerseits einen agnostischen, wirkorientierten Fokus besitzt.
▪ Im zweiten Teil werden drei Varianten hoch wirksamer digitaler Super-AkteurNetzwerke vorgestellt: Autonome operative Akteure, wirtschaftliche ECO-Akteure
und P2P-Akteure.
▪ Im Zentrum des dritten Teils stehen Fragen rund um Identität und Wettbewerb
digital vernetzter Akteure. Dabei werden auf Basis eines Meta-Modells wirkungsbezogene Erfolgsregeln für eine hoch dynamische digital vernetzte Welt
aufgestellt.
Die Darstellungen erfolgen in allen drei Teilen unter weitgehendem Verzicht auf
ethisch-moralische Bewertung der Auswirkungen und Folgen. Dies macht eine
moralische Diskussion von Chancen und Risiken jedoch in keinem Fall überflüssig –
im Gegenteil: Die ethische Diskussion soll gerade dadurch angefacht werden, dass
in der Meta-Trilogie eine bewusst wirkungszentrierte Betrachtung der Digitalisierung
erfolgt und (hoffentlich) zur Auseinandersetzung mit ethischen Fragen provoziert.
Die ANT ist ein zentraler Baustein der Meta-Trilogie. Wer sich vorab über die ANT
ganz allgemein informieren möchte, dem sind die folgenden Links empfohlen:
Die ANT als Gesamtübersicht in wikipedia (Deutsch, ca. 5 Min.):
https://de.wikipedia.org/wiki/Akteur-Netzwerk-Theorie
Die ANT als plakatives Video auf youtube (Englisch, ca. 3 Min.):
https://www.youtube.com/watch?v=X2YYxS6D-mI
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
5
Inhalte und Kapitel
Kapitel 1: AOP-Akteure
7
Kapitel 2: ECO-Akteure
20
Kapitel 3: P2P-Akteure
39
Kapitel 4: Zusammenfassung und Ausblick
56
Anhang
64
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
6
Kapitel 1:
AOP-Akteure
Inhalte
▪
AOP-Akteur und Repräsentant
8
▪
Sensorische Wahrnehmung der Welt
9
▪
Chancen, Risiken und Ethik
14
▪
Maslow 4.0
16
▪
Hybride AOP-Akteure
17
▪
Zusammenfassung
19
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
7
AOP-Akteur und Repräsentant
Digitale Akteur-Netzwerke, die autonom operativ agieren
Die begriffliche Trennung von Akteur und Aktant im Sinne der ANT wird durch die
zunehmende Digitalisierung obsolet. Ein Beispiel ist dafür das selbstfahrende Auto:
Isoliert betrachtet wäre das Kfz ein Aktant. Tatsächlich ist es (nur) Repräsentant
eines hoch komplexen digitalen Akteur-Netzwerks. Der Gesamt-Akteur besteht aus
einer Vielzahl digital vernetzter Teilakteure mit jeweils eigenen Zielen und Skills:
▪
▪
▪
▪
Sensoren (u.a. Ultraschall, Infrarot, Kamera, Radar)
GPS-Satelliten und Navigationssystemen zur Ortsbestimmung
Car2car und Car2RSU-Kommunikation (Road side units)
Algorithmisch gesteuertem Motor, Getriebe, Lenkung, Scheibenwischer uvm.
Erst die digitale Vernetzung aller Elemente (z.T. über die Cloud) ermöglicht die Autonomie. Solche digitalen Netzwerk-Akteure werden nachfolgend als „ Autonome
operative Akteure“ (AOP) bezeichnet. Sie stellen operative „Super-Akteure“ dar, die
einerseits über ein „digitales Myzel“ verfügen. Andererseits agieren sie lokaloperativ auf Basis von physischen Repräsentanten (z.B. einem Auto oder einem
Lautsprecher wie amazon Echo). Das „digitale Myzel“, also der zentrale, hoch
vernetzte Enabler des gesamten Akteur-Netzwerks, bleibt in der Regel unsichtbar.
Auto als lokaloperativer
Repräsentant
Echo-Lautsprecher
als lokal-operatives
Communication
Interface
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
„Digitales Myzel“ des
selbstfahrenden Autos
als Hintergrund-Akteur
„Digitales Myzel“
von amazon Alexa als
Hintergrund-Akteur
8
Sensorische Wahrnehmung der Welt
Die empathielose digitale Weltsicht
AOP-Akteure besitzen eine Eigenschaft, die bislang nur Menschen zu besitzen
schienen: Eine rein rational-analytische Weltsicht. Diese ist bei digitalen AOPAkteuren maximal unempathisch. Gefühle und Gewissen gibt es nicht. Die
sensorisch-algorithmische Weltsicht eines selbstfahrenden Autos besteht nur aus
emotionslos klassifizierten, stets seelenlosen Objekten bzw. Hindernissen, z.B.:
▪
▪
▪
▪
Klassischen Fahrer/Auto-Kombinationen und/oder selbstfahrenden Autos
Fußgänger-Objekten oder Fahrrad/Motorrad/Fahrer-Kombinationsobjekten
Baustellen, Ampeln, Parkplätzen und weiteren typischen Verkehrsobjekten
Steinen, Bäumen und weiteren (un)bekannten verkehrsfremden Objekten
Digitale Weltsicht
eines AOP-Akteurs
www.zukunft-mobilitaet.net/147239/zukunft-des-automobils/automatisiertes-fahren-ethik-fahrzeugethik-moralische-fahrzeuge
Die ANT gilt als agnostisch, weil sie von der Wirksymmetrie aller Akteure ausgeht.
Egal ob Stein, Baum, Mensch oder Auto. Bei digitalen AOP-Akteuren ist genau das
der Fall: Sie kennen keine Moral und auch keine Sonderstellung des Menschen! Sie
kennen nur wirkende Objekte, die sich zwar anhand von Attributen unterschiedlich
klassifizieren lassen, aber auf Basis einer zutiefst agnostischen ANT-Perspektive.
So gesehen besitzen AOP-Akteure die gleiche Weltsicht wie die ANT – stets vorausgesetzt, dass sie selbstständig entscheiden und nicht etwa der Mensch im Hintergrund: Dann handelt es sich nämlich de facto „nur“ um (digitale) Assistenz-Systeme.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
9
Bewußt agierende Mega-Riesenkraken
Unzählige datengesteuerte dezentrale Arme
Die Qualifikation von AOP-Akteuren als „Super-Akteur“ beruht u.a. auf der
Kombination von zwei sich ergänzenden Wirkfaktoren:
▪ Die digital vernetzten operativen Repräsentanten sind räumlich und zahlenmäßig
kaum limitiert: Amazon Alexa kann mit dem gleichen „Cloud-Myzel“ Millionen
weltweit verstreute, semiotisch verbundene Echo-Geräte miteinander vernetzen.
Grenzen beruhen meist weniger auf fehlender Infrastruktur, sondern auf Verboten,
die eine Nutzung in in bestimmten Ländern einschränken.
▪ Ein weiterer Aspekt ist das Fehlen von Emotionen, die sich auch nicht durch
Algorithmen künstlich (re-)produzieren lassen. Zwar ist es durch sog. Affective
Computing möglich, (menschliche) Gefühle zu erkennen. AOP-Akteure selbst
besitzen jedoch keine Emotion – sie kennen keine Angst, keinen Schmerz, keine
Freude am Fahren: All dies sind beim Menschen weitgehend unbewusst
ausgelöste Faktoren. Werden sie programmiert, sind sie automatisch rational.
Rationale Koordination
Nicht einmal Kraken ist ähnliches möglich: Sie verfügen zwar über ein Gehirn je Arm
und zudem ein Zentralgehirn. Dies erlaubt echtes Multitasking. Sie sind aber stark
räumlich begrenzt in der Aktivität und sie steuern ihre Tentakel nicht ohne Emotion.
AOP-Akteur
Krake
Mensch
Anzahl operativer Aktivitäten
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
Ein Multitasking in dem Sinne,
dass ein Autofahrer simultan
mehrere Fahrzeuge führt, ist
operativ kaum möglich.
Ein Krake vermag immerhin mit
acht Armen und neun Gehirnen
deutlich mehr operative Dinge
parallel zu bewältigen.
AOP-Akteure gehen noch viel
weiter: Ein digitales „Myzel“
kann via Cloud oder Edge Computing abertausende Repräsentanten weltweit koordinieren
und individuell steuern.
10
Alexa - bitte sage mir: Wer ist der Akteur?
Vernetzte digitale Skills
AOP-Akteure können Eigenschaften besitzen, die weit über menschliche Möglichkeiten hinausgehen. Die einzelnen Fähigkeiten können dabei häufig modular mittels
Plug & Play individuell zusammengestellt und aktiviert werden. Amazons Alexa
nennt sie bewusst „Skills“: Der Begriff suggeriert menschenähnliches Knowhow,
das ein spezielles Training oder Wissen erfordert. Derartige Skills können eine einzigartige virtuelle „Akteur-Persönlichkeit“ bilden. Eine, die ganz ohne menschliche
Mitwirkung vollautomatisiert agieren kann – mitunter auch aufgrund bloßen Zufalls:
Symmetrie i.S.d. ANT
▪ Eine Stimme im Fernsehen sagt zufällig „Alexa, schalte das Licht an“
▪ Alexa hört das und schaltet zwar zufällig, aber autonom das Wohnzimmerlicht an.
Mensch
Papagei
Fernseher
Licht an
Das Beispiel unterstreicht das Prinzip der „Symmetrie“ i.S.d. ANT aus Sicht von
AOP-Akteuren: Selbst ein sprechender Papagei könnte den Impuls eines AOPAkteurs wie Alexa auslösen. Gleich ob Mensch, Natur oder Technik: Jeder AkteurTypus kann (zumindest potenziell) die gleiche Wirkung bei Alexa auslösen!
Aber: Trotz fehlender Fähigkeit, Emotion zu empfinden, kann Alexa Emotion beim
Menschen erkennen und sogar auslösen: Sie hat z.B. eine Stimme. Das wirkt menschlich. Auch (selbstfahrende) Autos könnten emotional aufgeladen werden (u.a.
„Dudu“ oder „K.I.T.T.“). Technik kann im menschlichen Gehirn sogar ähnliche Impulse stimulieren wie Liebe oder Religion. Folglich können AOP-Akteure Menschen
emotional manipulieren, ohne selbst Emotion oder Empathie zu empfinden. Auch
dieser Umstand führt tendenziell zu einer wirkbezogenen Überlegenheit von AOPAkteuren gegenüber dem Menschen als operativem Akteur.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
11
Intuitive Bedienbarkeit
Assistenzsysteme sind aktuell noch wesentlich häufiger zu finden als echte AOPAkteure. Assistenzsysteme und Produkte wie Alexa werden vom Menschen initialisiert und dezentral konfiguriert. Mobile Anwendungen und Apps spielen dabei eine
wichtige Rolle. Durch sie wird die Verfolgung der im ersten Teil beschriebenen optionalen „Multi-Ziele“ erst wirklich beherrschbar: Optimale UX ist dafür elementar!
Simplifizierung und UX
„Multi-Ziele“ =
optimale UX =
User-Experience
Start
Hoch vernetzte digitale Akteur-Netzwerke sind komplex! Die Komplexität gezielt zu reduzieren, ist daher ein
wesentlicher Teil des Erfolgs:
▪ Unternehmen wie google und
Apple optimieren die User Experience (UX) bewußt auf radikalst
mögliche Art und Weise.
▪ Das ist nicht nur gut für den User,
es ist die Basis dafür, dass man
die gesamte Marke als bewährten
digitalen Problemlöser nicht nur
akzeptiert, sondern begehrt und
sich mit ihr sogar identifiziert.
▪ Attraktive Simplifikation, gutes
Design und Usability sind elementare Erfolgsfaktoren von hoch
vernetzten digitalen AkteurNetzwerken i.S.d. ANT
Die Relevanz entsprechender Faktoren wird in technischen „IngenieursKulturen“ häufig unterschätzt.
Das Smartphone ist das wichtigste Steuerungstool für unzählige digitale AkteurNetzwerke: Soziale Netzwerke, Smart-Home-Anwendungen, Navigationssysteme
oder Chat-Programme. Mitunter lässt sich das gesamte „digitale Myzel“ eines hoch
komplexen Akteur-Netzwerks mit einer einzigen App steuern. Die „Multi-Ziel“-Fähigkeit des Smartphones ist ein zentraler Wirkungsturbo digitaler Akteur-Netzwerke.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
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Der niedliche AOP-Akteur
Kuri – das autonom-soziale Familienmitglied
In mancher Hinsicht ähnlich und doch ganz anders als Alexa sind Haushaltsroboter
wie Kuri (von Mayfield), die gezielt Emotionen wecken, um den Menschen an die
permanente Präsenz von Maschinen im Alltag zu gewöhnen. Dabei werden Muster
wie das „Kindchenschema“ ebenso verwendet wie typische Körperbewegungen
oder Geräusche, die menschliche Freude simulieren.
In manchen Hightech-Ländern wie z.B. Japan ist die Nutzung von Pflegerobotern für
ältere Menschen bereits in vieler Hinsicht etabliert. Sie entlasten bei einem drängenden Problem: Das der Pflege in Anbetracht demoskopischer Verschiebung bzw.
der Überalterung der Gesellschaft.
Dass sich die Roboter frei im Raum bewegen können, macht sie noch „menschlicher“ und damit noch eindeutiger im
Hinblick auf die „Symmetrie“ i.S.d. ANT.
Digitale Transformation bedeutet bei Kuri
& co. nicht die Umwandlung von Menschen in Roboter, sondern die „Übersetzung“ von menschlichen Problemstellungen in neue digital vernetzte Lösungsansätze, die ohne Digitalisierung und Vernetzung nicht vorstellbar wären.
http://www.it-times.de/news/bosch-kommt-mit-humanoidenroboter-kuri-zur-ces-kunstliches-familienmitglied-121924
Im Hinblick auf Digitalisierung gilt es folglich weniger um den Repräsentanten eines Netzwerks (hier den Roboter), sondern darum, wie man ein bekanntes Problem oder Bedürfnis (z.B. Einsamkeit,
Pflege, Unterhaltung, Aufräumen) aufgrund innovativ vernetzter AOP-Akteure
so übersetzt, dass die neue Lösung wirksamer und damit i.d.R. auch akzeptierter
ist als die bisherige Lösungsvariante.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
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Chancen, Risiken und Ethik
Extrembeispiel: Autonome Kampfdrohnen
AOP-Akteure haben mittlerweile die ultimative Dimension menschlicher Aktivität
erklommen: Das Töten! Kampfdrohnen können sich (als Schwarm) selbst organisieren und – zumindest potenziell – eigenständig über Leben und Tod entscheiden. Die ANT bewertet dies nicht. Sie besagt lediglich, dass durch Digitalisierung
neue Akteur-Netzwerke entstehen, die aufgrund intelligenter „Übersetzung“ ihren
Vorgängern in vieler Hinsicht überlegen sind – auch im militärischen Konflikt.
Schwarm autonomer
Kampfdrohnen
www.golem.de/news/schwarm-us-militaer-laesst-hundert-drohnen-schwaermen-1701-125527.html
Das Beispiel digital vernetzter Kampfdrohnen ist bezüglich der ANT in mehrfacher
Hinsicht relevant. Es stellt im Hinblick auf die Parallelität von passiver Adaptivität
und aktiver Gestaltung der Umwelt ein anschauliches Extrembeispiel dar:
▪ Der autonome Schwarm kann als Ganzheit mit enormer Vielseitigkeit koordiniert
auf die Umwelt einwirken: Die Kampfdrohen machen sich im oben dargestellten
Bild im wahrsten Sinne des Wortes zur 360-Grad-Umwelt ihres Gegners!
▪ Die Vielzahl kleiner Akteure ist schwerer angreifbar und damit in vieler Hinsicht
robuster als ein Einzelakteur. Der Schwarm kann sich durch gezielte Dezentralisierung Angriffen anderer (vernetzter) Akteure effektiv entziehen.
▪ Die Wirküberlegenheit beruht auf digital vernetzter, hoch komplexer Real-TimeKommunikation einer Vielzahl von Akteuren, die dank intelligenter Algorithmen in
konzertierte Aktivität umgewandelt wird. Menschen wäre gleiches kaum möglich.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
14
Roboter: Dem Menschen x-fach überlegen!?
Egal ob amazon oder Alibaba: Beide
Unternehmen nutzen im großen Umfang
AOP-Akteure i.S.d. ANT z.B. in der
Logistik. Vernetzte Warehouse-Roboter
besitzen nicht nur Kollisions-Sensoren,
sie haben auch übermenschliche Kräfte,
um tonnenschwere Gewichte zu transportieren. Sie sind darüber hinaus in der
Lage, ein scheinbar chaotisches Ablagesytem zu verstehen: Sie können in Sekundenbruchteilen jeden freien Lagerplatz
erkennen und beliebig befüllen – Menschen müssten Gedächtnisweltmeister
sein, um gleiches zu bewirken. Was
jedoch gerne übersehen wird: Roboter
sind in der Regel nur die Repräsentanten digital hoch vernetzter Akteure.
Ohne ihr digitales „Myzel“ und ihre
umfassende Emotionslosigkeit wären
sie mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht
annähernd so wirkungsvoll (siehe dazu
Berechnungs-Beispiel am Ende).
Anzahl vernetzter Ziele * Gesamtqualität
Zeitaufwand * Ressourceneinsatz
Ein „Igel“-Netzwerk von Warehouse-Robotern ist einem analogen „Hasen“-Netzwerk von noch so vielen Lagerarbeitern potenziell weit überlegen: Es kann in der
Regel mehrere Ziele parallel verfolgen (u.a. Ware identifizieren, sortieren, ausliefern,
Kollisionsschutz) und dabei auch noch in kürzerer Zeit mit weniger Energie höhere
Qualität erzielen (z.B. Heben schwerer Gewichte, Finden freier Lagerplätze). Nimmt
man noch Faktoren wie Schichtarbeit und Pausen für Menschen dazu, kann die
Produktivität von Lager-Robotern schnell mehrere 1000% höher liegen als beim
Menschen – stets vorausgesetzt, dass Strom- und Internetanbindung da sind.
Bleibt die Bewertung der (gesellschaftlichen) Risiken: Diese zu beurteilen ist davon
abhängig, was man als Risiko bezeichnet und wie man dieses bewertet. Dieser
Aspekt wird im dritten Teil der Meta-Trilogie eine wichtige Rolle spielen.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
15
Maslow 4.0
Mensch-Maschine Interaktion und Bedürfnisse
Die ANT steht auf dem Standpunkt, dass „soziale“ Verbindungen kein Privileg des
Menschen sind. Dem kommt entgegen, dass mittlerweile ernsthaft die These diskutiert wird, dass Maschinen Bedürfnisse besitzen. Das Prinzip der MaslowschenBedürfnispyramide lässt sich tatsächlich auf AOP-Akteure übertragen:
https://medium.com/innogy-innovation-hub/machine-economy-a-decentralized-future-that-is-enabled-byautonomous-machine-to-machine-e497b90f13c1
Bei ihnen hängen die Bedürfnisse ähnlich wie beim Menschen stark von der (mittels
Skills definierbaren) „individuellen Persönlichkeit“ ab. Im Rahmen eines Akteur-Netzwerks gibt es aber auch typische Bedürfnis-Muster, die bei Menschen, Maschinen
und in der Natur strukturelle Ähnlichkeit aufweisen. Die Maschinenbedürfnisse von
AOP-Akteuren besitzen genauso wie menschliche Bedürfnisse hohe Praxisrelevanz:
▪ Damit der AOP-Akteur initial agieren kann (Strom und Bandbreite etc.)
▪ Um die Resilienz im laufenden Wettbewerb zu sichern (Cyber-Security)
▪ Um sich laufend zu verbessern (Aktivität, die neue Daten produziert)
Besonders spannend wird es, wenn sich menschliche und AOP-Akteure zu einem
hybriden Gesamtorganismus, quasi zu einem „Super-Super-Akteur“ vernetzen:
Dadurch entstehen zeitgleich drei parallele Bedürfnis-Ebenen:
▪ Bedürfnisse der menschlichen Akteure
▪ Bedürfnisse der AOP-Akteure
▪ Sozio-technische Bedürfnisse der vernetzten Gesamtheit
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
16
Hybride AOP-Akteure
Cyborgs und Herzschrittmacher
Die These der „Symmetrie“ verschiedener Arten autonomer Akteure i.S.d. ANT führt
potenziell zur Gleichwertigkeit der drei Bedürfnisvarianten. Diese durchaus befremdlich wirkende These wird durch hybride Akteure unterstützt: Mensch und Maschine
wachsen im wahrsten Sinne des Wortes immer mehr zusammen!
Durch „Bodyhacking“ entstehen immer öfter digital vernetzte Misch-Akteure. Einfache Beispiele sind die Implementierung eines ID-Chips, eines Herzschrittmachers
oder das Einfügen eines Sensors zur Farberkennung. Die Grenzen zwischen Mensch und Maschine verschwimmen. Sie bilden als integrierte Akteur-Netzwerke ein
neues „hybrides Ganzes“ mit menschlichen und maschinellen Bedürfnissen.
symmetrische Arten (autonomer) Akteure
Mensch
Hybrid
Maschine
symmetrische Vernetzungen (semiotisch und/oder materiell)
Selbst wenn sich hybride AOP-Akteure in der Gegenwart noch eher in einem
Anfangsstadium befinden, so zeichnet sich doch ein klarer Trend in diese Richtung
ab. Egal ob als „hybrider Übermensch“ im Sinne Nietzsches oder als „hybrides
Überding“ im Sinne der Mensch-Maschine von kraftwerk: Der Blick in die nähere
Zukunft bestätigt immer mehr das Prinzip der „Symmetrie“ von menschlichen und
nicht menschlichen Akteuren. Der Trend Richtung digital vernetzter Hybride bekräftigt somit eine zentrale These der ANT: Die der “Symmetrie“ aller Akteur-Typen.
Zusätzlich erschweren Hybride die Differenzierung nach eindeutigen moralischen
Wertkriterien: Kann man die höhere „Wertigkeit“ des Menschen gegenüber Maschinen noch vergleichsweise einfach herleiten (Moral, Empathie, soziale Werte), so ist
dies bei Hybriden, die beide Welten miteinander verbinden, ungleich schwieriger,
wenn nicht gar unmöglich. Bejaht man die “Symmetrie“ bei Hybriden, kann man sie
bei Maschinen in Anbetracht fließender Übergänge kaum mehr verneinen.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
17
(Über)natürliche (doppelte) AOP-Akteure?!
Anfang 2018 trugen weltweit rund 50.000 Menschen einen injezierten Mikro-Chip in
sich. Er dient als Universalschlüssel und/oder als Bezahlsystem. Chirurgen lassen
sich künstliche Sensoren in die Fingerspitzen einsetzen, um besser fühlen zu können. Wieder andere lassen ihre Haare oder Teile der Haut im Wege des 4-D-Drucks
ergänzen oder gar ersetzen, weil diese Form der Herstellung auf Umwelteinflüsse
reagieren kann und damit lebendig bzw. natürlicher anmutet.
Darüber hinaus können Farbenblinde
dank sinneserweiternden Implantaten
Farben hören und UV-Licht und Infrarot
wahrnehmen. Andererseits arbeitet das
militärische US-Forschungszentrum
„DARPA“ an Implataten und AssistenzSystemen, die Soldaten übermenschliche Fähigketen verleihen.
https://3druck.com/forschung/forscher-entwickelndrucksensoren-fuer-menschliche-fingerspitzen-4257741
Die Grenze zur virtuellen Realität mit
Datenbrillen und Augmented Reality ist
fließend. Diese und ähnliche Beispiele
sind wirkungsoptimierende Übersetzungen i.S.d. ANT.
Dabei sind z.B. intelligente Implantate materiell mit dem Menschen vernetzt. Da es
sich dabei z.T. um hochleistungsfähige Mini-Computer handelt, die Umweltdaten (wie
beim autonomen Auto) sensorisch erfassen und digital in Realtime interpretieren und
zusätzlich an den menschlichen Träger weitergeben, entsteht der wirkungsbezogene
Mehrwert meist auf der Ebene semiotischer Maschine-Mensch-Vernetzung.
Die zutiefst agnostische Sicht der ANT fragt dabei selbst bei Themen wie dem BodyHacking weder nach Moral, noch nach Risiken, sondern in erster Linie nach der Wirksamkeit von Akteur-Netzwerken. Dass die Vernetzung von digitalen (autonomen)
Akteuren und menschlichen (ebenfalls autonomen) Akteuren eine Art „doppelt autonomen Super-Akteur“ ermöglichen kann, ist daher eine (von den Umständen abhängende) Tatsache, die man nicht mit der ethisch-moralischen Dimension solcher Tendenzen verwechseln oder vorschnell vermengen sollte.
Die ANT macht moralische Diskussionen keinesfalls überflüssig – im Gegenteil: Sie
hebt die ethische Einstufung digitaler Vernetzung vielmehr auf die Ebene sozialer
„Multi-Ziele“, die mit (digitalen) Akteur-Netzwerken verfolgt werden können. Darunter
sind solche, die je nach Perspektive als ethisch gelten und andere, die zweifelhaft
erscheinen. Akteur-Netzwerke aller Art sind so gesehen wie Beton: Es kommt darauf
an, was man daraus macht bzw. nicht macht!
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
18
Zusammenfassung
AOP-Akteure
▪ Die Digitalisierung hat einen neuen Super-Akteur-Typus geschaffen: Den digital
vernetzten, autonomen, operativen (AOP-)Akteur. Er entscheidet und handelt in
vieler Hinsicht situativ/lokal selbständig.
▪ AOP-Akteure sehen die Welt genauso empathielos wie die ANT: Es gibt für sie
nur Objekte die als vernetzte Akteure oder Einzelakteure die Umwelt gestalten.
▪ AOP-Akteure wirken aufgrund ihrer lokal agierenden Repräsentanten z.T. wie ein
„Single-Point-Aktor“, obwohl es sich in Wirklichkeit um ein hoch komplexes,
dezentrales Netzwerk handelt („digitales Myzel“), das gleichzeitig an vielen
verschiedenen Orten koordiniert als auch individuell handeln kann.
▪ AOP-Akteure sind aufgrund ihrer hohen Vernetzung klassischen (analogen oder
gering vernetzten) Akteuren bezüglich der wirkungsoptimierten „Übersetzung“
von Lösungen exponentiell überlegen.
▪ Die Überlegenheit resultiert u.a. aus der Fähigkeit, viele (optionale) Ziele parallel
verfolgen zu können und schneller neue „Übersetzungen“ zu schaffen, also
Wechselbeziehungen neu zu definieren und aufzubauen.
▪ AOP-Akteure sind aufgrund dieser Überlegenheit in der Lage, traditionelle
Akteure teilweise oder vollständig zu verdrängen oder sogar zu zerstören.
▪ Die zunehmend fließenden Übergänge von Mensch, Hybrid und autonomen
Akteure bestätigen im wesentlichen das Prinzip der „Symmetrie“ i.S.d. ANT
▪ Die fließenden Übergänge erschweren die Verwendung der klassischen, rein
anthropozentrischen Ethik und Moral im Hinblick auf AOP-Akteure erheblich.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
19
Kapitel 2:
ECO-Akteure
Inhalte
▪
Wirtschaftliche ECO-Akteure
21
▪
Digitale „Mischkonzerne“ mit Multi-Zielen
23
▪
Native und transformierende ECO-Akteure
26
▪
Die klassische Wertschöpfungskette
27
▪
Die endkundengetriebene Wertschöpfungskette
29
▪
Asymmetrischer Multi-Wettbewerb
34
▪
Vom Silo zum vernetzten Unternehmen
37
▪
Zusammenfassung
38
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
20
Wirtschaftliche ECO-Akteure
Digitale ökonomische Akteur-Systeme
Im Kontext der Digitalisierung ist häufig von „Öko-“ oder „ECO-Systemen“ die
Rede. Damit gemeint ist eine wirtschaftliche Gemeinschaft, die zwischen digital
vernetzten wirtschaftlichen Akteuren besteht. Im Sinne der ANT ist im folgenden von
ECO-Akteuren (i.S.v. ECO-Akteur-Netzwerken) die Rede. Sie zeichnen sich durch
unterschiedliche Merkmale aus, die je nach Darstellung divergieren u.a.:
▪
▪
▪
▪
▪
▪
▪
▪
Emergente, branchenübergreifende Zusammensetzung.
Gemeinsame Aktivitäten auf digitalen Plattformen („Marktplätze“).
Nutzung gemeinsamer (technischer) Schnittstellen und Standards.
Ergänzung und Vernetzung von „as a Services“-Modulen via Cloud.
Open Innovation von Mitarbeitern mit Partnern und Kunden.
Schaffung von leistungsstarken integrierten Angeboten am Markt.
Gleiche Augenhöhe der Beteiligten als Partner mit gemeinsamen Zielen.
Kooperation und Kollaboration statt Wettbewerb (z.T. auch „Coopetition“).
Wirtschaftliche ECO-Akteur-Netzwerke i.S.d. ANT
Unternehmen
Partner
Endkunden
Digitale ECO-Akteure vernetzen Unternehmen direkt und indirekt mit Kunden,
Partnern, AOP-Akteuren und z.T. sogar
mit Wettbewerbern.
Auf einer gemeinsamen Plattform werden
auf unterschiedlichen Kanälen integrierte
Services angeboten, die sich – zumindest
in der Theorie – vor allem an den Endkundenbedürfnissen orientieren.
Wettbewerb
Gerade für b2b-Unternehmen sind ECOAkteure interessant, da sie oft keinen
direkten b2c-Kanal zu Endkunden besitzen, aber immer schneller auf deren Bedürfniss-Veränderung reagieren müssen.
Die vom Endkunden ausgehende b2c2bKette ist eine der wichtigsten Wirkfaktoren im Rahmen der Wirkformel.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
21
Groß und klein kombiniert
Vielfalt und McCalfesches Gesetz
Ökosysteme können aus einer Kombination vieler und z.T. äußerst unterschiedlicher
Akteure aus verschiedenen Branchen mit integrierter Identität bestehen z.B. aus:
▪
▪
▪
▪
Einem oder mehreren Konzernen und/oder aus
großen mittelständischen Unternehmen und/oder aus
hoch spezialisierten kleineren und mittleren Unternehmen und/oder aus
StartUps als experimentelle Innovationstreiber.
Im Sinne der ANT entsteht dadurch ein Mix, sich emergent ergänzender Akteure.
Die „Biodiversität“ der Akteure kann zu enormen Wettbewerbsvorteilen führen. Sie
führt aber auch zu erhöhten Kommunikations- und Abstimmungsaufwänden: Zwischen den Beteiligten müssen laufend Informationen sicher ausgetauscht und
gemeinsam Entscheidungen getroffen sowie Ziele (neu) definiert werden.
Die balancierte Verteilung von Chancen und Risiken ist eine
Herausforderung. Aber eine, die sich dauerhaft lohnen kann,
denn ECO-Akteure sind oft sehr robust. Aufgrund ihrer Vielschichtigkeit können sie auf mehreren (fachlichen) Ebenen
ihrer Umwelt parallel Information sammeln und mit Informationen anderer Akteure vernetzen. So entsteht ein umfassendes Bild der Umwelt als Basis optimaler Adaption,
aber auch als Basis erfolgreicher Innovation.
Kombiniert man die Vorteile der „Biodiversität“ mit der Logik
des McCalfeschen Gesetzes, wonach ein KommunikationsNetzwerk mit der Anzahl der Elemente immer wertvoller
wird, so ergeben sich hoch skalierbare Vorteile:
▪ Vernetzte mehrdimensionale Information führt (zumindest potenziell) zu besseren Services und Produkten.
▪ Gemeinsame Standards und Vertrauen unter den
Akteuren führen zu Zeit- und Energieersparnissen.
▪ Dies führt wiederum zu Kostenreduktion, mehr Wettbewerbsfähigkeit und höheren Margen.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
22
Digitale „Mischkonzerne“ mit Multi-Zielen
Viele Ziele kombiniert mit hoher Qualität und hoher Effizienz
ECO-Akteure haben strukturell ähnliche Stärken und Schwächen wie Mischkonzerne: Ihre Teilakteure agieren i.d.R. parallel in mehreren Branchen, sie erhöhen dadurch die Komplexität, sie verzichten zudem als Ganzes auf die Konzentration auf
Kernkompetenzen, dafür erlangen sie aufgrund von Synergien z.T. enorme Größe,
was wiederum dazu führen kann, dass die klare, gemeinsame Identität schwindet.
Unternehmen wie amazon, google oder Alibaba sind streng genommen Mischkonzerne: Sie bieten neben der Kernkompetenz u.a. Finanzierungen, Versicherungen,
Health-Produkte, Logistik, IT-Produkte u.V.m. Sie sind aber in erster Linie digitale
ECO-Akteure: Sie interagieren anders mit der Umwelt als klassische Unternehmen!
Dies gelingt in erster Linie aufgrund:
▪ Ökosystem-übergreifender digitaler (cloudbasierter) Infrastrukturen,
▪ diese vernetzen Informationen und Daten aller Einzelbereiche und
▪ sie werden mit intelligenten Algorithmen permanent zielorientiert ausgewertet.
Diese Umstände machen digitale ECO-Akteure entsprechend der Wirkformel i.S.d.
ANT so erfolgreich, denn:
▪
▪
▪
▪
Dank vernetzter Daten können multiple Ziele realistischer gesetzt werden,
ihre Erfüllung kann so zudem individualisiert und qualitativ verbessert werden,
das System kann in Realtime extrem schnell agieren und reagieren,
zudem erhöhen vernetzte Infrastrukturen die Effizienz (z.B. bei Investitionen).
Eine besondere Rolle kommt dabei den zuvor beschriebenen AOP-Akteuren zu.
Egal ob als Lagerroboter, Marketing-Automation oder Realtime-RecommendationTools für zielgenaues Targeting: Künstliche Intelligenz (im weiteren Sinne) wird
immer öfter zum automatisierten Entscheider entlang aller Prozessschritte von ECOAkteuren. Der Erfolg ruht dabei auf dem bereits zuvor skizzierten „MatrjoschkaEffekt“ verschachtelter Akteur-Netzwerke i.S.d. ANT.
Ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor digitaler ECO-Akteure sind „Data-Lakes“ in den
Daten erst einmal (z.T. unsortiert) gesammelt werden: Durch die laufende Weiterentwicklung intelligenter Algorithmen können dadurch – zumindest potenziell –
Gegenwarts- und Vergangenheitsdaten in „Zukunftsschätze“ verwandelt werden.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
23
Die Cloud als Backbone
ECO-Akteure sind ähnlich wie die zuvor
skizzierten AOP-Akteure kaum ohne
Cloud vorstellbar.
Die Cloud ist als Rechner-Netz selbst
ein (virtuelles) Akteur-Netzwerk i.S.d.
ANT. Die Vernetzung von Infrastruktur,
Plattform und Software as a Service
kann ebenfalls als Akteur-Netzwerk
i.S.d. ANT betrachtet werden.
Die Cloud ermöglicht aufgrund ihrer
vernetzten Struktur eine regelrechte
„kambrische Explosion“ von innovativen
digitalen Plattformen und Services wie
sie für AOP-Akteure erforderlich sind.
Zudem durchbricht die Cloud das
bisherige Siloprinzip bei der Datengewinnung und -haltung. Dadurch können
mittels Data-Analytics Zusammenhänge
Die Cloud: Ein Netzwerk i.S.d. ANT?!
Die Cloud vernetzt nicht nur verschiedene Rechner, sie vernetzt zugleich das
Tripple von Infrastruktur, Plattformen
und Applikationen auf dem Netzwerk.
Die Cloud ist die Basis des digitalen
„Myzels“ nahezu aller autonomer Akteure, deren Daten in Echtzeit miteinander vernetzt und analysiert werden
müssen. Erst dank der Cloud können
kontextbezogen sinnvolle Aktivitäten
vieler autonomer Akteure erfolgen.
Um die Geschwindigkeit der Berechnungen zu erhöhen gibt es mittlerweile
auf der Cloud aufbauende dezentrale
Ansätze (sog. Edge-Computing).
https://de.wikipedia.org/wiki/Cloud_Computing
https://de.wikipedia.org/wiki/Edge_Computing
(z.T. in Echtzeit) erschlossen werden, die ohne Cloud kaum oder gar nicht erkannt
werden könnten. Die Cloud hat bei den in diesem Abschnitt skizzierten ECO-Akteuren noch eine besondere Bedeutung: Unternehmen wie amazon oder Alibaba nutzen
die Cloud als Backbone ihres Business, zudem werden Infrastructure, Platform und
Application als as a Service Kunden und Partnern angeboten (Iaas, PaaS, AaaS).
Durch integrierte Plattformen können z.B. mittels identischer IDs verschiedene
Applikationen und Datenpools intelligent miteinander vernetzt werden (i.S.d. ANT ist
diese Vernetzung semiotisch). Gleiches ist bei weniger vernetzten Unternehmen
bzw. deren Daten kaum in vergleichbarer Weise möglich. Die Vorteile der Cloud
liegen auf der Hand – die Risiken gilt es natürlich nicht außer Acht zu lassen (dazu
insbesondere im dritten Teil der Meta-Trilogie).
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
24
Anwendung der Wirkformel
Digitales „Multi-Play“
Fasst man die vorherigen Aspekte zusammen, und nimmt man die Wirkformel des
ersten Teils als Orientierung, kristallisiert sich die wirkungsbezogene Besonderheit
von ECO-Akteuren heraus: Sie sind auf Basis integrierter digitaler Plattformen und
digitaler Intelligenz in doppelter Weise in der Lage, ihre Wirkung zu optimieren:
▪ Als digitales Akteur-Netzwerk können ECO-Akteure zunächst eine Vielzahl von
Zielen parallel verfolgen. Diese Ziele können auf Basis von vernetzten RealtimeDaten immer wieder flexibel neu justiert und variiert werden.
▪ Zugleich werden Prozesse der Umsetzung hoch automatisiert. Auf Basis umfassend zirkulierender Daten können Durchlaufzeiten und Ressourceneinsatz deutlich reduziert und Services maßgeschneidert werden.
Markt-Daten
ECO-Akteur
Kunden
Digitales „Multi-Play“
Anzahl vernetzter Ziele * Gesamtqualität
Zeitaufwand * Ressourceneinsatz
automatisierte Prozesse & AOP-Akteure
Integrierte digitale Plattform & Daten
Das Ergebnis ist ein hoch wirksames, plattformbasiertes Kreislaufmodell, das sich
laufend selbst optimiert. Je größer das Ökosystem des ECO-Akteurs, desto
wertvoller die vernetzt gewonnenen Daten. Sie dienen der effektiven Zielselektion.
Sie sind die Basis hoch automatisierter, kundenindividueller Prozesse.
ECO-Akteure und operativ agierende AOP-Akteure ergänzen sich aufgrund von
digital integrierten Infrastrukturen in Perfektion: Beide zusammen lassen umfassende, vielschichtige, hoch wirksame Akteur-Netzwerke i.S.d. ANT entstehen.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
25
Native und transformierende ECO-Akteure
Zwei Arten vernetzter ECO-Akteure
ECO-Akteure werden bislang kaum nach Typen differenziert. Dabei gibt es unterschiedliche Varianten, die lediglich auf den ersten Blick Ähnlichkeit besitzen:
▪ Digital native ECO-Akteure (z.B. amazon, Alibaba oder google)
▪ Transformierende ECO-Akteure (Vernetzung klassischer Unternehmen)
Letztere haben ihre Wurzeln überwiegend in der traditionellen Wertschöpfungskette,
während erstere von Beginn an als digitales Ökosystem gestartet sind.
ECO-Akteur-Netzwerke i.S.d. ANT
Digital-native ECO-Akteure
Transformierende ECO-Akteure
Von Beginn an digital vernetzt
Neu-Vernetzung ehemals klassischer Akteure
Aufbau vertikaler Branchenkompetenz notw.
Digitale Transformation erforderlich
Meist aus dem b2c-Bereich kommend
Häufig starker b2b-Bezug
Oft aggressiv in b2b-Bereich vorstoßend
Häufig in b2c-Bereich vorstoßend
Endkundengetriebene Wertschöpfungskette
Fachlich geprägte Wertschöpfungskette
Von Beginn an integrierte Daten via Cloud
Datensilos müssen vernetzt werden
Digital innovativ, fachlich adaptiv
Fachlich erfahren, digital adaptiv
Highspeed, Flexibilität, Trial & Error
Two-Speed (alt/neu), Fehlervermeidung
▪ Zusammenfassend verfügen erstere über ein starkes „digitales Gen“, das sich
laufend um fachliche Lösungen und Services erweitert (Transfomationsphase 3).
▪ Zweitere haben ein überwiegend „fachliches Gen“, das sich im Hinblick auf Digitalisierung und Vernetzung einer hoch dynamischen, digital geprägten wirtschaftlichen Umwelt zu allererst initial anpassen muss (Transformationsphase 1 & 2).
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
26
Die klassische Wertschöpfungskette
Lose vernetzte Silo-Strukturen
Der klassische Ansatz war und ist ein über Jahrzehnte eingespieltes Konzert hoch
spezialisierter, ressourcenfokussierter Wirtschaftsakteure: Es reicht von der Rohstoffgewinnung über die Produktion und den Handel bis zum Konsumenten.
Rohstoff
Fertigung
Großhandel
Handel
Endkunde
Transport und Logistik
Finanzierung und Versicherung
Die einzelnen Akteure sind nur lose vernetzt. Übergreifendende Vernetzung besteht
kaum. Alle Akteure haben meist klare Grenzen und Spezialisierungen. Bei geringer
Umwelt-Dynamik ist dieser Ansatz hoch effektiv und zugleich hoch effizient.
Rohstoff
Fertigung
Großhandel
Handel
Endkunde
Transport und Logistik
Finanzierung und Versicherung
Die klassische Ketten-Struktur hat dazu geführt, dass jeder Akteur oft nur das nächste Glied der Kette kennt – das allerdings sehr gut. Daten wurden gezielt abgeschottet und in Form von „Daten-Silos“ weitgehend isoliert gesammelt. Die übergreifende
Gesamtheit aller Elemente und ihr Zusammenspiel bleibt so weitgehend unbekannt.
Der klassische Ansatz hatte jahrzehntelang Berechtigung, da es kaum bessere Alternativen und daher keine ernsthafte Bedrohungen des Models gab.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
27
Dynamik und Komplexität
Es ist kein Zufall, dass sich die Ökonomie der Begriffe der Biologie bedient: Die
Muster komplexer dynamischer Akteur-Netzwerke i.S.d. ANT sind stets ähnlich.
ECO-Akteure können hohe Umweltdynamik und Systemkomplexität kombinieren –
ganz einfach deshalb, weil sie selbst ein zentraler Teil der Umwelt sind und diese
aktiv mit prägen, also nicht nur reagieren, sondern umweltgestaltend agieren!
Umweltdynamik
ECO-Akteure
digital nativ
transformierend
Systemkomplexität
Die klassische Wertschöpfungskette
funktioniert bei geringer Umweltdynamik
sehr gut. Sie setzt aber ein konstantes
Ziel voraus, auf das man die Ressourcen optimal ausrichten kann. Für ein
„Fast Moving-Target“ ist die klassische
Kette i.d.R. wenig geeignet.
Die Digitalisierung hat die Dynamik der
Wertschöpfung erheblich erhöht. Daher
werden wirtschaftliche Ökosysteme
immer wichtiger: Sie können Flexibilität
und Komplexität miteinander verbinden.
Digital native ECO-Akteure ähneln Banyam-Bäumen: Diese wachsen vernetzt.
Über Luftwurzeln können sie flächig von
„oben nach unten“ wachsen und so riesige
Flächen okkupieren! Der größte BanyamBaum der Welt erreicht einen Umfang von
430 Metern – Weltrekord!
Digital native ECO-Akteure „übersetzen“
das Prinzip des Wachstums ähnlich: Sie
„wachsen“ von der Kundenschnittstelle in
die Wertschöpfungskette hinein!
Mittels vernetzter „digitaler Luftwurzeln“ fassen sie weit außerhalb ihres Kernbereichs auf fremdem fachlichen Terrain Fuß. Gelingt der Smart Entry, verwandeln
sich die digitalen „Luftwurzeln“ in massive „Brettwurzeln“. So können riesige zusammenhängende Ökosysteme entstehen, die wie ein Waldsystem wirken, obwohl
sie ein einzelner Baum sind. Klassische Unternehmen ähneln dagegen vertikalen
„Baum-Silos“, die nur in die Höhe wachsen, aber kaum in die Breite. Sie sind ohne
digitale Transformation nur bedingt in der Lage, ihr Kerngebiet zu erweitern.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
28
Die Endkundengetriebene Wertschöpfungskette
Datengetriebene b2c2b-onDemand-Prozesse
Digital native ECO-Akteure „übersetzen“ die Wertschöpfungskette schlicht anderes
und schaffen so ein wirksameres Netzwerk-Prinzip i.S.d. ANT: Es zeichnet sich
dadurch aus, dass ein dominanter Hauptakteur große Teile der klassischen Kette
vom Endkunden kommend nach und nach selbst abdeckt und auf der gesamten
Breite auf Vernetzung und Automatisierung setzt. Dabei werden über die gesamte
b2c2b-Wertschöpfungskette in riesigem Umfang vernetzte Daten gesammelt.
Native ECO-Akteure agieren folglich von „vorne nach hinten“: Sie entwickeln ihre
eigene Logistik, zudem bieten sie Finanzierung und Versicherung an. Last but not
least binden sie immer mehr Hersteller und Händler als auch Kunden in ihr System
ein z.B. als Shop-in-Shop-Anbieter oder sogar als regionale Zusteller.
Endkundengetriebene b2c2b-Wertschöpfungskette
Rohstoff
Fertigung
Großhand
el
Handel
Endkunde
Transport und Logistik
Reversive b2c2b
Banyam-Strategie
Finanzierung und Versicherung
Vergleicht man die endkundenzentrierte Wertschöpfungskette mit einem BanyamBaum, so wird deutlich, dass beide durch ihren flächigen Breitenwuchs die Umwelt
für andersartige Akteure erheblich einschränken und dadurch dominieren.
Wer Gegendruck aufbauen will, ist gut beraten, seinerseits auf vernetzte (Öko-)Systeme zu setzen und sich Richtung Endkunde zu orientieren, denn der Erfolg nativer
ECO-Akteure beruht schlicht darauf, dass sie direkt an der digitalisierten Endkundenschnittstelle ansetzen. Diese Basis wird durch digitale Innovationen im Sinne
des Endkunden permanent optimiert. Klassische Akteure werden so abgehängt.
Für native ECO-Akteure ist eine erlebnisstarke, b2c-orientierte Marke elementar!
Transformierende ECO-Akteure müssen sich daher nicht nur mittels Daten vernetzen, sie müssen sich auch die Markenfrage stellen: Wie werde ich attraktiv?
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
29
IT-gestützte Erlebnisanbieter
Let me entertain you!
Der Vergleich der klassischen mit der endkundengetriebenen Wertschöpfungskette
verdeutlicht die Grundherausforderung traditioneller Akteure. Der Vergleich ist aber
noch unvollständig, denn digital-native Imperien wie amazon, Alibaba, oder google
besitzen noch einen weiteren Joker, der sich ebenfalls in der Wirkformel bemerkbar
macht: Sie sind Medienunternehmen mit Musik-, Film und weiteren vielfältigen Contentangeboten, die über alle erdenklichen Devices angeboten werden können.
Die permanente Weiterentwicklung von innovativen Devices und Content-Angeboten zeigt, dass sich auch digital-native ECO-Akteure, also die digtalen Leader laufend transformieren: Allerdings befinden sie sich dabei fast ausschließlich in der
dritten und nicht in der ersten oder zweiten Phase Digitaler Transformation.
Digital-native ECO-Akteure verdeutlichen, was viele traditionelle Unternehmen nur
allzu gern verdrängen: Mit der Einführung digitaler Infrastrukturen (Phase 1) und der
initialen Vernetzung mit anderen Akteuren (Phase 2) ist die Digitale Transformation
noch lange nicht beendet – sie geht unentwegt weiter! Ein Ende gibt es nicht.
Zudem besitzt die parallele Verfolgung von rationalen und emotionalen Zielen im
Sinne der Wirkformel hohe Relevanz! Aus diesem Grund ist nicht nur Medienkompetenz auf Seiten der ECO-Akteure gefragt: Man benötigt auch wertige emotionalisierende Contents bzw. Inhalte. Sie sind ein wichtiger Erfolgsfaktor aller Arten von
endkundengetriebenen ECO-Akteuren, u.a. weil sie viel über den User/Kunden aussagen und eine hohe Nutzungsfrequenz besitzen.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
30
Vernetzung digital-nativer Akteure
Multi-Schichten-Modell
Besonders aggressiv expandierende digital-navite ECO-Akteure wie amazon oder
Alibaba bestehen in der Regel aus mehreren miteinander vernetzten Akteur-Netzwerken i.S.d. ANT. Diese können in einer Art Schichten-Modell dargestellt werden,
das sich einerseits an verschiedenen Bereichen der Wertschöpfungskette und
andererseits an digitalen Infrastrukturen orientiert:
Multi-Schichten-Modell digital-nativer ECO-Akteure i.S.d. ANT
b2b-Akteure
b2c-Akteure
c2c-Akteure
Handelsplattformen;
Cloud-Services
Online-Kaufhäuser;
Handelsplattformen;
Entertainment-Angebote
Auktionshäuser;
Social-Media &
Communities
Systemübergreifend vernetzende Akteure
ID & Bezahlsysteme; Finanzierung & Versicherung; Geodatensysteme & Logistik
vernetzte Daten; Data-Analytics; Automatisierung & künstliche Intelligenz
Das Schichtenmodell verdeutlich, dass besonders erfolgreiche ECO-Akteure wie
Alibaba oder amazon weit mehr als bloß Technologie-Unternehmen sind:
▪
▪
▪
▪
▪
Sie bieten gleichermaßen rationalen und emotionalen Nutzen für Endkunden.
Beispiele für rationale Mehrwerte sind große Auswahl, Zeit- und Kostenvorteile
Hochwertige Entertainment- und Social-Media-Angebote emotionalisieren
Rationale und emotionale Faktoren zahlen parallel auf die Akteur-Marke ein.
So werden ECO-Akteure zu 24/7 Lebensbegleitern des Kunden.
Gerade die digitale Erlebnisführerschaft (z.B. UX, Media und Entertainment) wird von
klassischen Wirtschaftsakteuren häufig massiv unterschätzt, weil diese in ihrem
Kernbusiness bislang kaum relevant war bzw. auch nicht ist. Das Verständnis der
Relevanz von eher soften Faktoren liegt einfach nicht in den „Genen“ klassischer
Akteure: Weder beim Management noch bei einer Vielzahl fachlicher Mitarbeiter.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
31
Wer ist größer als der Riese …?
… wer auf den Schultern des Riesen ruht!
Wenn Zwerge auf den Schultern von Riesen ruhen, sind sie zwar nicht automatisch
größer als der Riese, wohl aber „größer“ als andere Zwerge. Das Multi-SchichtenModell lebt in vieler Hinsicht von diesem Effekt der Symbiose zwischen kleinen und
großen Akteuren. Das Gleichnis verdeutlicht, wie sich ECO-Akteur-Netzwerke i.S.d.
ANT häufig positionieren: Als Mehrwert bzw. Heimat für unzählige Klein-Akteure!
▪ Der „Riese“ profitiert von der Kundennähe und der hohen Spezialisierung einer
Vielzahl von sich z.T. konkurrierender „Zwerge“ auf seinen Schultern.
▪ Die „Zwerge“ profitieren vom Marktzugang und optimalen, hoch vernetzten
digitalen Infrastrukturen und Services des „Riesen“ – eine Win/Win-Situation.
„Zwerge“ in diesem Sinne sind aber nicht nur Unternehmen,
sondern auch und gerade die Endkunden selber, die z.B. auf
sozialen Netzwerken und Tausch-Plattformen im c2c-Bereich aktiv sind. In vielen dieser Fälle ist den Usern gar nicht
klar, dass sie ein zentraler Teil eines ECO-Akteurs sind.
Die Endkunden sind sich zudem nur selten bewusst, dass
ihre ID nicht nur der passwortgeschützte Zugang zum eigenen Account, sondern der Schlüssel zu hoch vernetzten Daten
sind, die Dank einer ID rund um den User entstehen:
▪ Dadurch lassen sich die laufend ändernden Kundenbedürfnisse und deren Entwicklung individuell evaluieren.
▪ Dies ermöglicht das Angebot individuell passender Services für unzählige Micro-Zielgruppen.
▪ So entstehen Innovationen, die z.T. gemeinsam mit Kunden und Partnern entwickelt und getestet werden.
Die „Riesen“ innerhalb von ECO-Akteuren nehmen so gesehen zwar immer etwas von den „Zwergen“ (egal ob c2c, b2c
oder b2b), sie geben aber auch eine Reihe von Vorteilen zurück, die aus Sicht der „Zwerge“ den Nachteil überwiegen:
Auf diese Art, kommt es zur Symbiose!
https://de.wikipedia.org/wiki/Zwerge_auf_den_Schultern_von_Riesen
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
32
No limits?!
Erweiterung um unzählige Branchen und Partner möglich
ECO-Akteure sind auf Basis des Multischichten-Modells in der Lage, sowohl Adaption als auch Prägung der Umwelt gemeinsam mit Kunden und Partnern in einzigartiger Weise zu vollziehen: Sie können beliebig viele Spezialisten in ihr System aufnehmen und sich so gleichzeitig auf der Seite der Erfassung von Kundenbedürfnissen als auch der Entwicklung dazu passender Services und Produkte optimieren
(vgl. zur Wirkformel das Berechnungsbeispiel am Ende).
Markt
ECO-Akteur
Kundenbedürfnisse und TechTrends etc.
Integrierte digitale
Plattform & Daten
Services, Produkte und Innovationen etc.
Automation
sich selbst optimierender Wirkfaktor
Anzahl vernetzter Ziele * Gesamtqualität
Zeitaufwand * Ressourceneinsatz
Unternehmen wie amazon und Alibaba können daher Logistik, Finanzierung, Medien,
Lebensmittel, IT-Infrastrukturen u.v.m. so unter einem Dach integrieren, dass nicht
nur Qualität, Geschwindigkeit und Ressourcen-Einsatz stimmen, sie haben (und benötigen) zudem eine universelle Marke, die es den Kunden und Partnern erlaubt, die
Heterogenität von Angeboten als Einheit mit integrierter Identität zu betrachten.
Der Grad zwischen der Positionierung als „Bauchladen“ und „glaubwürdigem Gesamtanbieter“ ist bei ECO-Akteuren sehr schmal. Dies ist in der Regel einer der typischen Handicaps etablierter Unternehmen beim Aufbau von ECO-Akteuren.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
33
Asymmetrischer Mehrfach-Wettbewerb
Triple-Wettbewerb: Alt gegen alt / alt gegen neu / neu gegen neu
Das Dilemma, in dem sich insbesondere etablierte klassische Akteure befinden,
besteht vor diesem Hintergrund in einem energieintensiven Mehrfach-Wettbewerb
verschiedener Akteur-Typen untereinander. Dabei konkurrieren:
1. Wettwerber innerhalb der klassischen Wertschöpfungskette wie bisher.
2. Klassische Akteure gegen digital-native ECO-Akteure.
3. Junge als auch etablierte digital-native ECO-Akteure miteinander.
Die Bildung von ECO-Akteuren ist seitens klassischer Akteure eine Reaktion auf diesen Mehrfachwettbewerb, um Vorteile im Hinblick auf Variante 1. und 2. zu generieren. Allerdings ist der gesamte Wettbewerb in mehrfacher Hinsicht asymmetrisch:
▪ Die nativen ECO-Akteure fokussieren sich voll auf die dritte Variante – die zweite
Variante ist aus ihrer Sicht oft kaum mehr als ein Nebenkriegsschauplatz.
▪ Klassische ECO-Akteure sind oft in regulierten Märkten „gefangen“, während
native ECO-Akteure durch Innovation vielfach unreguliertes Neuland erkunden
und ihre globalen Gewinne nur selten oder in geringem Umfang lokal abführen.
▪ Native ECO-Akteure können dank durchgängig integrierter ID-Systeme hochkomplexe Services maßgeschneidert anbieten, während transformierende ECOAkteure traditionelle cross-industry-Barrieren erst mit hohem Aufwand überwinden müssen und dabei noch kartellrechtliche Aspekte zu beachten haben.
▪ Dann heißt es für klassische Akteure schnell: Das Alte funktioniert nicht mehr und
das Neue funktioniert auch (noch) nicht …
Die Konsequenz des Ganzen ist eine Art „innerer Zerrissenheit“ transformierender
Akteure. Sie führt oft zu ökonomischer Defokussierung und damit zu Schwächung:
Doppeler Wettbewerb transformierender ECO-Akteure
Wettbewerb unter traditionellen Akteuren
(i.d.R. mit den bisherigen Wettbewerbern)
Wettbewerb mit nativen ECO-Akteuren
(StartUps und globale Super-Akteure)
Die alte Struktur ist hilfreich und bewährt.
Sie wird digital flankiert bzw. optimiert.
Die alte Struktur ist hinderlich und störend;
eine neue Struktur ist noch nicht vorhanden
Potenzielle Folge ist „innere Zerrissenheit“
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
34
Der „Klammerreflex“ im Wettbewerb
https://www.youtube.com/watch?v=we_8vye3Ua8
Im Mehrfachwettbewerb kommt es nicht
selten zur Fokussierung auf Szenario 1:
Den Wettbewerb mit den klassischen
Akteuren. Dieser „Klammerreflex“ basiert durchaus auf nachvollziehbaren
Gründen, denn der Wettbewerb mit
nativen ECO-Akteuren ist in vielen Fällen aussichtslos – vor allem im Hinblick
auf den Wettbewerb mit globalen Giganten.
Der „Klammerreflex“, also die Fokussierung auf den bekannten Wettbewerb, birgt
allerdings nicht zu unterschätzende Gefahren! Das Risiko liegt vor allem darin, dass
man sich dadurch fast wie von selbst zum Steigbügelhalter nativer ECO-Akteure
macht. Insofern erinnert die Situation ein wenig an Disneys Klassiker „Die lustige
Welt der Tiere“. Dort gibt es eine Szene, in dem ein Pavian seine Hand in ein von
Buschmännern erstelltes Loch steckt, um Samenkörner zu herauszunehmen. Durch
das Schließen der Faust wird diese zu groß, um sie aus dem Loch wieder heraus zu
ziehen. Aufgrund seines „Klammerreflexes“ wird der Affe letztendlich gefangen.
Wer sich im wirtschaftlichen Wettbewerb im
Sinne eines „Klammerreflexes“ nur auf sein Kerngeschäft konzentriert, könnte schnell ein ähnliches Schicksal erleiden: Wer seinen digitalen
Wettbewerbern keinen Widerstand (mehr) leistet,
verliert wie von selbst den Anschluss! Die Bildung von ECO-Akteuren ist zwar aufwändig, aber
eine der stärksten Waffen im Wettbewerb mit
globalen digital-nativen Imperien.
Als native ECO-Akteure zu nennen sind insbesondere die amerikanischen „Big Five“,
also amazon, google, facebook, Apple und Microsoft sowie die asiatischen „Big
Three“ Alibaba, Tencent und Samsung. Jeder dieser Akteure hat eine Börsenkapitalisierung von mehreren hundert Milliarden Dollar.
Nichts desto trotz gibt es immer wieder neue, nativ-digitale ECO-Akteure, die in
rasanter Geschwindigkeit entstehen und klassische ebenso wie digitale Wettbewerber angreifen (sog. „Einhörner“). Andere StartUps sind vielleicht nicht immer
ganz so erfolgreich, aber dafür häufig wertvolle Partner im Rahmen von transformierenden ECO-Akteuren. Zu Unternehmen wie Uber und Airbnb geht es im
Folgekapitel, da sie vorliegend als P2P-Akteure qualifiziert werden.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
35
Zeit und Energie der Transformation
Der Einfluss der Wirkungs-Formel
Der tiefere Grund der Zerrissenheit wird auch anhand der Wirkungsformel deutlich.
Transformation ist für klassische Unternehmen sowohl Chance als auch Risiko:
▪ Klassische Akteure können bei Szenario 1 und diesbezüglich fokussierten Investitionen die zusätzlichen Mehrerträge fast ausnahmslos selbst ernten.
▪ Tranformierende ECO-Akteure müssen i.d.R. neben dem Kernbusiness zusätzlich
ins (parallel entstehende) Ökosystem investieren, bevor sie von der Wirkformel
profitieren. Schließlich müssen die im Ökosystem erwirtschafteten Ergebnisse
innerhalb des Akteur-Netzwerks auch noch mit anderen geteilt werden.
▪ Anders bei digital-nativen ECO-Akteuren: Bei ihnen sind zwar auch laufend Investitionen ins Ökosystem erforderlich – dies ist allerdings von Beginn an die Basis
des Kerngeschäfts und damit kein Verlust. Zudem können sie den Löwenanteil
aller erwirtschafteten Ergebnisse des Ökosystems selbst einstreichen. Die Partner
bekommen zwar auch einen Anteil, aber der ist relativ gesehen deutlich geringer.
Würde man es mit einem Ballon-System vergleichen, dann könnte der Einzelakteur
die Erträge überwiegend in sich selbst hinein pumpen. Der native ECO-Akteur hätte
zusätzlich noch den Ertrags-Zuschuss seiner Partner sowie den Vorteil der hohen
Vielfalt. Transformierende ECO-Akteure müssen daher genau abwägen, wieviel sie
ins Kerngeschäft und wieviel sie in die Transformation stecken: Gelingt letztere
nicht, geht das Kerngeschäft häufig geschwächt hervor.
Kerngeschäft
Ökosystem
Kerngeschäft =
Ökosystem
Kerngeschäft
klassischer
Akteur
Transformierender
ECO-Akteur
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
Nativer
ECO-Akteur
36
Vom Silo zum vernetzten Unternehmen
Agieren als Netzwerk oder als Einzelakteur
Digitale ECO-Akteure sind kein Selbstzweck, sondern eine wirkungsorientierte
„Übersetzung“ der Wertschöpfungskette i.S.d. ANT. Aus Sicht von Unternehmen
der klassischen Wertschöpfungskette sind sie sogar eine Überlebensstrategie, da
lose vernetzte Einzelakteure mit geschlossenen Systemen kaum eine Chance gegen
digital-native ECO-Akteure besitzen. Letztere dringen wie ein Banyam-Baum mit
ihren unendlich vielen digitalen „Luftwurzeln“ in für ein sie fremdes Terrain vor, um
sich dort zu verankern, aggressiv zu expandieren und andere zu verdrängen.
Im Sinne der ANT sind digital native ECO-Akteure gering vernetzten, hoch spezialisierten Akteuren in vielen Fällen weit überlegen, denn sie können hohe Dynamik
und Komplexität miteinander verbinden. Sie bieten zudem einer Vielzahl kleinerer
hoch spezialisierter Akteure kooperationsbasierte Mehrwerte. Transformierende
ECO-Akteure sind zwar grds. in der Lage, Gegendruck zu bewirken. Ihre Bildung
setzt bei den Initiatoren (= klassische Akteure) jedoch in vieler Hinsicht ein sowohl
ein komplettes „Umdenken“ als auch ein „anders Handeln“ voraus:
▪
▪
▪
▪
▪
Transformierende ECO-Akteure erfordern offenere Kultur und offenere Systeme.
Sie erfordern auf Vernetzung ausgerichtete Strategien und Strukturen.
Sie dürfen nicht vom „Klammerreflex“ des Festhaltens dominiert werden.
Sie benötigen die Bereitschaft, neue Werte zu leben und neue Wege zu gehen.
Sie müssen Erlebnis- und Qualitätsführerschaft gleichermaßen integrieren.
Ähnlich wie bei den autonomen Akteuren kennt die ANT auch bei ECO-Akteuren
keine Emotion: Wenn ein ECO-Akteur wirksamer ist als ein anderer, wird er sich
dauerhaft durchsetzen. Welcher Akteur wirksamer ist, hängt in erster Linie von den
konkreten Umständen bzw. der wirtschaftlichen Umwelt ab.
In einer zunehmend digitalisierten Umwelt sind digital-native ECO-Akteure i.d.R. um
ein vielfaches wirksamer als ihre klassischen Alternativen, da sie aufgrund der Kombination von vernetzten Daten, vernetzten Services und Produkten sowie großem
Expansionsdrang mittels „digitaler Luftwurzeln“ eine Bastion der klassischen Wertschöpfungskette nach der anderen erobern können.
Die ANT hilft auch in diesem Fall dabei, die überlegenen Wirkmechanismen digitalnativer ECO-Akteure zu erkennen, um selbst geeignete Maßnahmen zu initiieren
(dazu ausführlich im dritten und wettbewerbsbezogenen Teil der Meta-Trilogie).
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
37
Zusammenfassung
ECO-Akteure:
▪ ECO-Akteure sind wirtschaftlich agierende Akteur-Netzwerke i.S.d. ANT:
▪ Dabei können zwei unterschiedliche ECO-Akteur-Typen unterschieden werden:
Digital-native und transformierende ECO-Akteure.
▪ Digital-native ECO-Akteure sind von Beginn an hoch vernetzt konzipiert: Sie
nutzen cloudbasierte Infrastrukturen, um von der Endkundenschnittstelle von
„vorne nach hinten“ zu expandieren und über die gesamte Wertschöpfungskette
(z.T. mittels gemeinsamer IDs) Daten zu aggregieren. .
▪ Sie sind im Hinblick auf ihre Strategie mit Banyam-Bäumen vergleichbar, die
mittels unzähliger Luftwurzeln neue Areale per Trial and Error okkupieren.
▪ Transformierende ECO-Akteure entstehen, in dem sich Unternehmen der klassischen Wertschöpfungskette komplementär/emergent digital vernetzen.
▪ Dabei kann es zur Integration von Akteuren unterschiedlichen Branchen also auch
von Wettbewerbern und digital-nativen StartUps kommen.
▪ Digital native ECO-Akteure versetzen klassische Akteure in einen parallelen
Mehrfach-Wettbewerb: Gegen klassische und digital-native Wettbewerber.
▪ Der „Klammerreflex“ der Fokussierung auf den klassischen Wettbewerb führt oft
ungewollt zur Stärkung digital-nativer ECO-Akteure.
▪ Dagegen führt die halbherzige Verfolgung des Doppelwettbewerbs schnell zu
einer Art „innerer Zerrissenheit“ und damit zur Schwächung.
▪ Digital-native ECO-Akteure sind insbesondere aufgrund ihres Schichtenmodells
im Vorteil. Es besteht aus hoch vernetzten Teilakteuren i.S.d. ANT.
▪ In einer zunehmend digital vernetzten Umwelt sind beide ECO-Akteur-Typen den
klassischen Wertschöpfungsansätzen potenziell deutlich überlegen.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
38
Kapitel 3:
P2P-Akteure
Inhalte
▪
Direkte Kommunikation „unter Gleichen“
40
▪
Überall entlang der Wertschöpfungskette
42
▪
Mal mit, mal ohne Intermediär
43
▪
Entfachen von P2P-Stürmen
45
▪
Neue „Übersetzung“ eines alten Prinzips
47
▪
Adaption und Gestaltung der Umwelt
53
▪
Zusammenfassung
56
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
39
Direkte Kommunikation „unter Gleichen“
Peer-to-Peer-Akteur-Netzwerke
Alexa schaltet das Licht im(P2P)
Wohnzimmer
an. Eine
unbekannte
Stimme
Fernsehen
hat
den
BefehlImdazu
P2P
ist die Bezeichnung
für die im
direkte
Kommunikation
“unter
Gleichen“.
Kontext
der
Digitalisierung
bezieht
P2P auf die Kommunikation
Rechnernetz
gegeben.
Wer
hatsich
gehandelt?
Ein Akteurin einem
Netzwerk!
und darüber hinaus auf die Kommunikation von Personen und Unternehmen mittels
eines Rechnernetzes. Die Gesamtheit von Rechnern und der sie steuernden Beteiligten ist ein sozio-technisches Akteur-Netzwerk i.S.d. ANT.
P2P-Konzepte und Anwendungen gibt es schon lange: Die Idee der Kommunikation
unter gleichberechtigten Rechnern wurde spätestens Ende der 70er-Jahre entwickelt, z.B. beim UUCP, dem „Unix-to-Unix-Communication-Protocol“. Größere Bekanntheit erlangten P2P-Konzepte ab den 2000er-Jahren. Grund war das sich rasch
ausbreitende Internet, das P2P-Tauschbörsen wie Napster oder Mega-Upload
hervorbrachte, die sich im Graubereich internationaler Regulierung befanden.
Spätestens seit Uber, Airbnb und dem kontrovers diskutierten Bitcoin-Boom sind
P2P-Konzepte zum Synonym für disruptive digitale Innovation geworden. Egal ob
Tausch, Kauf, Miete oder (Geld-)Handel, ob Autos, Häuser, Kleidung, Kredite,
Versicherungen und/ oder Lebensmittel: Digitale P2P-Netzwerke ermöglichen die
direkte Vernetzung bzw. den unmittelbaren Austausch zwischen Personen und
Institutionen – mal mit, mal ohne Intermediär. Das z.T. weltweite Matching von
Angebot und Nachfrage wird dabei in der Regel auf Basis intelligenter Algorithmen
und in verschiedenen Fällen sogar in Echtzeit ermöglicht.
P2P-Anwendungen finden sich in unzähligen Lebens- und Geschäftsbereichen, u.a.
Consumer-to-Consumer (c2c), Consumer-to-Business (c2b), Business-to-Consumer
(b2c), Business-to-Business (b2b) oder Government-to-Citizen (g2c).
Exemplarische P2P-Modelle
Crowdfunding,
Kreditvergabe oder
Versicherung
Matching v. Angebot u. Nachfrage
(Uber, Airbnb, Napster, Mega)
private P2P-Netzwerke
im Business (Konsortien)
ohne Intermediär
Soziale Netzwerke & Chats
(Whatsapp, Facebook)
Krypotwährungen f. Mensch u.
Maschine (Bitcoin, IOTA)
Digitale Wahlen und
Entscheidungsfindung
(blockchain-basiert)
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
40
Information, Interaktion, Transaktion
Intensität
und Vertrauen
Alexa schaltet
das Licht
im Wohnzimmer an. Eine
unbekannte
Stimme
im vor
Fernsehen
hatauf
den
Befehl technidazu
Der
P2P-Begriff wurde
längere Zeit
allem im Hinblick
die dezentrale
sche
Infrastruktur
verwendet.
Nicht zuletzt durch
rasant ansteigende
P2P-Shagegeben.
Wer
hat gehandelt?
Eindas
Akteur
Netzwerk!
ring mit seinen vielen Facetten (Verschenken, Verleihen, Co-Using etc.) hat sich Bedeutung immer weiter von der Infrastruktur entfernt und in Richtung von digital basierten Use Cases weiterentwickelt, die „unter gleichen Teilnehmern“ erfolgen.
Im Hinblick auf die durch eine P2P-Struktur ermöglichten Use Cases ist zwischen
Information, Interaktion und Transaktion zu unterscheiden. Die drei Gruppen erfordern i.d.R. ein unterschiedlich anspruchsvolles Technik- und Vertrauensniveau:
▪ Information betrifft den (nicht notwendigerweise bidirektionalen) Austausch von
fachlichen oder anderweitigen Informationen „unter Gleichen“. Ein P2P-Informationssystem kann z.B. im Wege des Crowdsourcing schlicht regionale Wetterdaten einsammeln und miteinander vernetzen.
▪ Interaktion geht darüber hinaus. Sie enthält dialogische Elemente. Typische Beispiele für P2P-Plattformen sind Social Media Angebote, aber auch Kollaborationssysteme oder Plattformen für Open Innovation.
▪ Transaktion geht noch weiter: Hier werden u.a. rechtlich verbindliche Aktionen
wie Käufe und Verkäufe, Tausch oder Transfers durchgeführt. P2P-Plattformen
kommen u.a. aus dem Bereich des Crowdfunding, der Versicherung oder dem
Handel. Kryptowährungen können dem ebenfalls zurechnet werden.
Vertrauenslevel
P2P-Transaktion
P2P-Interaktion
P2P-Information
Technische Komplexität
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
41
Überall entlang der Wertschöpfungskette
Jeder mit jedem und alle mit allem
P2P-Netzwerke ermöglichen direkte Transaktionen zwischen unbekannten als auch
bekannten Akteuren auf nahezu allen Bereichen der Wertschöpfungskette. Ein Intermediär wie z.B. eine Bank oder ein Reisebüro wird so z.T. überflüssig.
Auf Basis direkter End2End-Transaktion können etablierte Prozesse enorm effizienziert werden, z.B. beim Anmieten von Taxis, Autos oder Häusern. Zudem können
Prozesse ermöglicht werden, die bislang gar nicht vorstellbar gewesen sind, z.B.
der rechtssichere und vertrauenswürdige Austausch von Strom unter Nachbarn, bei
denen der eine Teil Hersteller und der andere Konsument ist (sog. „Prosumer“).
Das Strom-Beispiel zeigt, dass die millionenfache P2P-Transaktion von (Mini-) Anbietern sogar etablierte Erzeugerkonzerne bedrohen könnte: Durch P2P-AkteurNetzwerke kann eine bislang unkoordinierte Schar von Anbietern und Nachfragern
nahezu ohne klassische Intermediäre umfasssend organisiert werden.
Rohstoff
Fertigung
P2P
Großhandel
Handel
P2P
P2P
Endkunde
P2P
Transport und Logistik
P2P
P2P
P2P
Finanzierung und Versicherung
Durch P2P-Netzwerke werden hoch strukturierte Branchen wie der Bankensektor zu
einer Art digitalem „Ameisenhaufen“, in dem unzählige, selbstorganisierte P2PTransaktionen stattfinden können. Auf Basis einer digitalen Infrastruktur können entsprechend der Wirkformel unzählige Ziele so verfolgt werden, dass sowohl die Qualität der Leistung als auch die Geschwindigkeit der Leistungserbringung bei hohem
Vertrauenslevel unter den Beteiligten signifikant optimiert werden kann.
Gegenüber den bisherigen Formen intermediärbasierter Kommunikation und Transaktion entsteht so für alle Beteiligten eine potenzielle Win/Win-Situation: Für Anbieter ebenso wie für Nachfrager, denn die Intermediäre haben als „Zwischenhändler“
i.d.R. umfänglich mitverdient. Dieser Kontroll- und Kostenfaktor fällt potenziell weg.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
42
Mal mit, mal ohne Intermediär
Hierarchische und nicht-hierarchische Vernetzung
Digitale P2P-Akteure gibt es mit und ohne Intermediäre. Als Intermediär bezeichnet
man dabei einen Vermittler, der zwischen Angebot und Nachfrage vermittelt. Sie
haben die Funktion, Transaktionen zwischen Akteuren zweckmäßig zu gestalten und
Transaktionskosten zu senken. Typische Leistungen wirtschaftlicher Intermediäre
liegen darin, Informationen bzw. Produkte zu bündeln oder bereitzustellen, Kontakte
zwischen Anbietern und Nachfragern herzustellen oder Beschaffungstransaktionen
im Namen des beschaffenden Akteurs zu tätigen. Im Gegenzug erhalten sie dafür
einen Teil der ersparten Transaktionskosten. Klassische Intermediäre sind Banken,
Händler bzw. Großhändler.
Unterschiedlich hierarchische Vernetzungsstrukturen
hierarchisch
mit Intermediär
gleichgestellt mit
Intermediär (P2P)
gleichgestellt ohne
Intermediär (P2P)
P2P-Netzwerke sind u.a. auf Basis zunehmender Virtualisierung immer erfolgreicher
geworden, weil verschiedene Assets wie Musik, Bücher, Geld oder Wertpapiere
nicht mehr wie früher physisch gelagert und transportiert werden müssen. P2PSysteme wie Bitcoin benötigen daher grds. keinen Intermediär. Andere P2P-Varianten wie Uber und Airbnb sind ebenfalls P2P-Netzwerke, allerdings solche mit
einen Intermediär, der u.a. die Infrastruktur stellt und die Vermarktung übernimmt.
So gesehen gibt es mindestens zwei Typen von P2P-Akteuren i.S.d. ANT:
▪ Solche ersten Grades (ohne Intermediär, z.B. Bitcoin).
▪ Solche zweiten Grades (gleichgestellt, aber mit Intermediär bzw. Infrastruk-turAnbieter, z.B. facebook, whatsapp, Uber & Airbnb).
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
43
Bitcoin, ICOs und die Blockchain
P2P-Akteure sind eine besondere Form von Akteuren i.S.d. ANT, weil sie aufgrund
von digitaler Innovation und umfassender (globaler) Vernetzung gleichermaßen massiv die wirtschaftliche als auch ihre gesellschaftliche Umwelt beeinflussen und verändern können.
Eine für P2P-Akteure relevante Innovation ist insbesondere das Prinzip der Blockchain, die den vertrauenswürdigen und zuverlässigen Austausch von Transaktionen
unter einer Vielzahl bekannter als auch unbekannter Teilnehmer eines Netzwerks
ermöglicht. Speziell die letzte Variante, also die Transaktion unter unbekannten Teilnehmern, ist allerdings im Sinne der Wirkformel enorm energieaufwändig. Kryptowährungen wie der Bitcoin (der auf der Blockchain beruht) verbrauchen aufgrund
von sog. Mining-Prozessen die Energie einer Kleinstadt. Gleichwohl oder gerade
wegen dem hohen Energieverbrauch können P2P-Akteure enorm wirksam sein.
Der Grund liegt z.B. bei Crypowährungen
Bitcoin-Kursverlauf
wie dem Bitcoin darin, dass das digitale
Akteur-Netzwerk gleich mehrere rationalemotionale Ziele in hoher Qualität bedient, die von (subjektiv) überragender
Bedeutung sind: Dies sind u.a. das Vertrauen in die Richtigkeit der Information,
die Unabhängigkeit von klassischen
Bankern als auch der menschliche Spielund Spekulationstrieb.
Währungen können sich dank der Blockchain immer mehr von staatlichen Anbietern entkoppeln. Gleiches gilt für Börsen,
an denen u.a. Unternehmensfinanzierungen gehandelt werden: Auch sie werden durch Crypowährungen in Form von
ICOs (Initial Coin Offering) torpediert. Ihre
Zahl ist ähnlich wie der Aktienkurs des
Bitcoin jahrelang z.T. rasant angestiegen. Dass mit dieser Bergauffahrt auch
dramatische Abstürze verbunden sind bzw. sein können, ändert nichts an der Wirkungskraft von P2P-Akteuren: Auch die Vernichtung von Kapital oder Vertrauen ist
eine massive Wirkung, die nicht von jedem Akteur-Netzwerk gleichermaßen bewirkt
werden kann. Kryptowährungen belegen im positiven wie im negativen die Gewalt,
die in der Kombination digitaler Vernetzung und rational-emotionaler Ziele von Menschen liegt. All das findet seinen Ausdruck in P2P-Akteuren i.S.d. ANT.
ICO-Zunahme
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
44
Entfachen von P2P-Stürmen
Flashmob, Organisation und Widerstand
P2P-Netzwerke ermöglichen aufgrund ihrer Struktur eine radikale Form der rasanten
Selbstorganisation komplexer Prozesse. Ein bis dahin in seiner Form einzigartiges
Beispiel war die Nutzung Sozialer Netzwerke beim sog. arabischen Frühling 2011:
Egal ob über Facebook oder Twitter – mittels P2P-Kommunikation unter Gleichen
lassen sich in kürzester Zeit hoch komplexe, gut organisierte „Stürme“ entfachen,
die aus der virtuellen in die reale Welt überschwappen.
Diese Art der Kommunikation ist nicht
auf politischen Protest beschränkt, er
kann genauso bei Flutkatastrophen oder
auch bei Flashmobs verwendet werden:
Mal als Instrument der Realtime-Koordination von selbstorganisierten HilfeMaßnahmen, mal als mehr oder weniger privat organisierter Menschenauflauf mit vielfältigen Anlässen (u.a. Parties, Ladeneröffnungen, Kissenschlachten). Das Besondere ist dabei die hohttps://userwikis.fuberlin.de/pages/viewpage.action?pageId=409534487
he Geschwindigkeit mit der die Aktionen
durchgeführt werden können. Zugleich ist die Nicht-Vorhersehbarkeit, also die nichtlinearare Entstehung und Entwicklung einer P2P-Aktion von besonderer Bedeutung:
Ähnlich wie bei einem Tornado gibt es zwar eine „Großwetterlage“, die sein Entstehen wahrscheinlich sein lassen – ob, wo und wie viele digital entfachte „Tornados“
mit welcher Stärke genau entstehen, ist aber im Voraus kaum abschätzbar.
Im Hinblick auf die ANT ist dieser Umstand besonders wichtig, denn P2P-Akteure
bewirken durch ihre Aktion etwas als organisierte, temporär agierende, zielorientierte, hoch-vernetzte „Ganzheit“, das ohne digitale P2P-Infrastruktur kaum in
gleicher Art und Weise ermöglicht werden könnte.
Die Vernetzung von Menschen, mobilen Devices und Plattformen erschafft somit
einen neuartigen, ebenso machtvollen wie schwer berechenbaren P2P-AkteurTypus mit eigener, alle Elemente integrierenden Identität, den es als AkteurNetzwerk i.S.d. ANT überhaupt erst einmal zu erkennen gilt.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
45
Die Geburt eines Akteur-Hurrikans
Die Kunst, aus nichts etwas Gewaltiges zu schaffen!
Die einzelnen Elemente von P2P-Akteuren erscheinen auf den ersten Blick wie
unzählige wenig strukturierte Puzzleteile, die von außen betrachtet kein einheitliches
„Ganzes“ ergeben. Ihre Elemente sind wie unzählige Tropfen, die sich unter bestimmten Voraussetzungen zu gewaltigen Hurrikans verbinden können – die dann wiederum als „Ganzes“ klar erkennbar werden und massiv auf ihre Umwelt einwirken.
P2P-Akteure bestehen aber nicht aus Luft und Wasser, sondern aus vernetzten
digitalen Infrastrukturen und anfänglich loser und später sehr enger semiotischer
Vernetzung von Informationen. Sie sind dadurch in der Lage, einen der größten
Zaubertricks zu vollziehen, die es gibt – sie können aus einer Art Illusion, also aus
quasi nichts, etwas Gewaltiges mit realer Wirkung erschaffen, z.B. eine weltweite
Währung. Die Kombination emotionaler und rationaler Ziele spielt dabei eine enorme Rolle für den Erfolg.
Die große Gewalt von P2P-Akteuren entsteht ähnlich wie bei bei Geld oder Religionen durch (temporäre) Vernetzung von anfänglich rein imaginären, multisubjektiven
Wertvorstellungen, die objektiv-reale Wirkung entwickeln. Typische Muster dieses
„Der Glaube versetzt Berge“-Prinzips sind:
▪
▪
▪
▪
▪
▪
Hohe Anfangsfaszination einer potenziellen Zukunfts-Chance.
Eine kleine, hoch vernetzte P2P-Kerngruppe glaubt fest an das Potenzial.
Andere Breitengruppen folgen (Ansteckung und Massenpsychologie).
Mit zunehmender P2P-Vernetzung entsteht reale Wirkung.
Mit der Wirkung steigt die P2P-Vernetzung.
Es entsteht eine sich selbst laufend verstärkende Wirkungsspirale auf Basis digital
vernetzter Akteure i.S.d. ANT.
reale Wirkung
imaginäre Wirkung
zunehmende P2P-Vernetzung
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
46
Neue „Übersetzung“ eines alten Prinzips
Das P2P-Prinzip hat es schon immer gegeben
Die Digitalisierung erfindet das Prinzip des P2P-Akteurs nicht wirklich neu, denn das
Akteur-Modell der P2P-Organisation von Massen hat es schon immer gegeben –
nur hat es in der Vergangenheit mitunter Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte gedauert, bis sich entsprechend große und damit wirksame Akteur-Gruppen bilden konnten. In ähnlicher Weise hat es häufig auch sehr lange gedauert, bis sich entsprechende P2P-Akteur-Gruppen wieder aufgelöst hatten. Die Digitalisierung ist so gesehen eine Art „Brandbeschleuniger“, der dazu führt, dass P2P-Akteure schneller entstehen, schneller vergehen und zudem in höherer Anzahl kommen und gehen.
Unabhängig davon gibt es jedoch Besonderheiten, die digital vernetzte P2P-Akteure
in völlig neuer Form ermöglichen:
▪ Neben der P2P-Kommunikation unter Menschen entsteht durch die fortschreitende Digitalisierung die Möglichkeit der P2P-Kommunikation bzw. der Transaktion von, mit und unter Maschinen (darunter auch AOP- u. ECO-Akteure).
▪ Die P2P-Kommunikation unter Maschinen ist zwar nicht unmittelbar von imaginären Wertvorstellungen beeinflusst, aber zumindest mittelbar: Instrumente wie
der automatisierte Hochfrequenzhandel haben auch den Kursverlauf des Bitcoin
im positiven wie im negativen massiv mit beeinflusst.
▪ Anwendungsfelder wie das Internet der Dinge sind auf Basis von P2P-Transaktionen zumindest potenziell in der Lage, gewaltige, sich rasch hoch peitschende
„Digitale Stürme“ bislang unbekannten Ausmaßes zu verursachen. Sie können
ähnlich wie „Monsterwellen“ durch die Überlagerung oder Verkettung von mehreren P2P-Einzelwellen entstehen, die jeweils isoliert betrachtet, weniger gewaltig
sind, aber in Summe dafür umso machtvoller.
Vertrauenswürdige P2P-Kommunikation
Marke von Unternehmen
Mensch
Maschine
Mensch
Maschine
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
47
Mensch-Maschine Kollaboration
Umkehrung aller Werte?
Digitale P2P-Kommunikation bzw. Transaktion wird unter Menschen schon lange
praktiziert, genauso wie die zwischen Maschinen (M2M). Zwischen Mensch und
Maschine war sie hingegen bislang kaum „unter Gleichen“ vorstellbar, da Mensch
und Maschine einfach nicht als „gleich“ angesehen wurden bzw. werden.
Die ANT tut sich diesbezüglich leichter: Ihre wirkungsbezogene Grundthese der
„Symmetrie“ lässt das Prinzip der „Gleichheit“ i.S.d. P2P-Definition durchaus vorstellbar sein. Kommunizieren also ein Fußgänger, ein Fahrradfahrer, ein „klassischer“ Autofahrer und ein selbstfahrendes Auto mittels digitaler Tools mit- und
untereinander, dann erfüllt dies das Kriterium der „Gleichheit“ verschiedener mehr
oder weniger autonomer Verkehrsakteure – ganz egal, ob im selbstfahrenden Auto
ein Passagier sitzt oder nicht. Diese Logik ist auf alle Formen digitaler geprägter
Akteure i.S.d. ANT übertragbar:
▪
▪
▪
▪
▪
Autonome Fahrzeuge
Logistik- und Fertigungsroboter
Smart-Home und IoT-Akteure
Bots und virtuelle AOP-Akteure
u.V.m.
P2P-Akteur-Netzwerk mit verschachtelten „gleichen“ Akteuren
P2P-Akteur
Maschinen
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
Menschen
48
Roboter, Bots und Menschen
Wann sind Akteure gleich?
Die Formulierung „unter Gleichen“ lässt schnell übersehen, dass Akteure innerhalb
von Akteur-Netzwerken wie einem Unternehmen oder einer Institution fast immer
ungleich sind, insbesondere aufgrund von Hierarchien. So kann z.B. in der Wirtschaft zwischen Führungskräften, Wissensarbeitern und operativen Kräften unterschieden werden, die häufig hierarchisch abgestuft sind. Bei Maschinen gibt es eine
ähnliche Typen-Differenzierung, z.B. zwischen Robotern und Bots. Während erstere
physische Bewegungsautomaten sind, stellen Bots Computerprogramme dar, die
Funktion/Akteur
Mensch
Maschine
Beispiel
Führung
Führungskraft
Bot/KI
DAO (Smart Contracts)
Wissen
Wissensexperte
Bot/KI
KI (Watson)
Dialogexperte
Bot/KI
Chabot (Alexa)
Mail-Bot (O 365)
operativer
Arbeiter
Roboter
Kommunikation
Fertigung
Industrie-Roboter
(Kuka)
als virtueller Akteur automatisierbare Bewegungen ausführen. Zwischen den verschiedenen Typen von Bots und Robotern gibt es aber trotz Aufgabenteilung bzw.
Spezialisierung (anders als beim Menschen) grundsätzlich keine Hierarchie.
Nur unter dem Blickwinkel der „Symmetrie“ aller Akteure i.S.d. ANT sind alle Akteure in einem P2P-Akteur-Netzwerk im hierarchischen Sinne gleich – egal ob
Mensch oder Maschine. Sie sind aber – abhängig von den jeweiligen Umständen –
unterschiedlich wirksam. Gleichwohl ist es eine soziale Realität, dass menschliche
Akteure (egal in welchem Kontext) dazu neigen, im Rahmen von Gruppen faktische
Hierarchien zu bilden, selbst wenn diese nicht dokumentiert sind. Genau aus diesem
Grund sind digitale P2P-Akteure ein zweischneidiges Schwert, das Gleichheit der
Beteiligten oft nur temporär ermöglicht und dann in Hierarchiestrukturen umschlägt.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
49
P2P-Unternehmenssteuerung
Entscheiden und Führen durch Smart Contracts?!
Das Prinzip der dezentralen autonomen Organisation (DAO) versprach eine revolutionäre Neuerung im Bereich der Führung von (virtuellen) Unternehmen, die allein
auf Basis einer Blockchain vollautomatisch im Wege von Smart-Contracts und festen Regeln basieren sollte. Die Idee, dass Gremien oder Vorstände künftig überflüssig sein könnten, brachte nach nur zwei Tagen $ 144 Mio. via Crowdfunding ein.
Auch wenn das Prinzip am Ende scheiterte und sogar gehackt wurde: Es zeigte,
dass P2P-Akteure zumindest potenziell in der Lage sein könnten, Führungsakteure
durch Einsatz vertrauenswürdiger digitaler
Vernetzungstools wie der Blockchain zu
Top-Down-Führung
ersetzen.
Das i.S.d. ANT Besondere des DAO-Prinzips
ist die innovative “Übersetzung“ des Prinzip
der Führung mittels vertrauenswürdiger, regelbasierter, hochgradiger Vernetzung sowie
die „Symmetrie“ zweier völlig unterschiedlicher Arten von Führungsakteuren.
Dezentral-autonome Führung
Selbst wenn dies aus heutiger Sicht noch
Zukunftsmusik ist, so spiegelt der Ansatz
gleichwohl wider, welche Wechselwirkung
zwischen imaginären Zielen, digital-basierter
P2P-Vernetzung und realen Wirkungspotenzialen besteht: Die Kombination lässt klassische Akteur-Typen potenziell verschwinden
(z.B. Vorstände und Gremien) und neue Akteur-Typen potenziell entstehen (DAO).
DAO repräsentiert insofern auch die Veränderungsgewalt, die durch die Kombination
imaginärer Ziele, digitaler Infrastrukturen und
Akteur-Vernetzung entfaltet werden könnte –
wenn noch nicht heute, so doch zumindest
in Zukunft.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
50
Iungere et impera – vernetze und herrsche!
P2P-Akteure kehren ein uraltes Prinzip der Herrschaft um – zumindest potenziell:
Das Bestreben vieler Zentralgewalten besteht nicht erst seit den Römern darin, nach
dem Prinzip von „divide et impera“ die Vernetzung von einzelnen Gruppen gezielt zu
unterbinden. Stattdessen werden sie in sich gegenseitig widerstrebende, miteinander rivalisierende Einzelakteure dividiert – und so beherrschbar gemacht.
Ein großer oder (nur) viele kleine Stürme?
Aus Sicht totalitärer Staaten sind digitale P2P-Strukturen nicht ohne Grund gefürchtet und mitunter entweder ganz verboten oder enorm reguliert bzw. bewacht. Aber
auch in freien Staaten ist die Logik des digitalen „Schmetterlingseffekts“ mittlerweile bekannt, wie das Beispiel der US-Wahlen 2016 verdeutlicht hat: Bei imaginären
Faktoren, wie sie gerade am Anfang eines „digitalen Hurrikans“ stehen, kommt es
kaum auf Wahrheit oder Realität an. Es macht am Ende keinen Unterschied, ob ein
Sturm auf Basis von „Fake News“ oder harten Fakten entfacht wird. Fakten fehlt sogar häufig das für ein Entfachen erforderliche Element der Faszination und Imagination. Insofern sind „Fake News“ sogar häufig die wirksamere Basis eines Sturms.
So oder so: Digitale P2P-Akteure i.S.d. ANT sind ambivalent. Sie sind deshalb im
Hinblick auf ihr kaum berechenbares Wirkpotenzial mit Vorsicht zu genießen:
▪ Sie sind „Herrschaftsdurchbrecher“, weil sie Intermediäre und zentrale Gatekeeper überflüssig machen können. Diese Variante von P2P-Akteuren beruht oft
auf disruptiven Kalkül, z.B. beim Brechen wirtschaftlicher Monopole.
▪ Sie sind zugleich neuartige Herrschaftsinstrumente, die gezielt eingesetzt, monopolistische Strukturen initial erschaffen können. Dies ist insbesondere dadurch
möglich, dass hoch emotionale, imaginäre Faktoren manipulativ gebraucht werden können, um in der realen Welt gezielt Wirkungen zu erzielen.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
51
Wegfall klassischer Monopole
Kaum absehbare Wirkungsmöglichkeiten
P2P-Akteure von Mensch und Maschine sind (mit und ohne Intermediär) der Anfang
einer durch digitale Innovation und Vernetzung in Gang gesetzte Zeitenwende mit
potenziell hoch disruptiver Wirkung – im Positiven wie im Negativen:
▪ Durch das Wegfallen von Intermediären sind ganze Branchen in ihrer Existenz
potenziell bedroht (z.B. Finanz- und Energiewirtschaft, Reise etc).
▪ Staatliche Monopole wie die des „Gelddrucks“ werden durch globale Netzwerke
in Frage gestellt.
▪ Die Regulierung von P2P-Akteuren ist hoch komplex und zeitaufwändig. Sie birgt
zwar einerseits die Chance der Erhaltung gewachsener Strukturen, sie korreliert
aber auf der anderen Seite mit der Gefahr, dass Regulierung als „Überwachung“
und Instrument des Machterhalts interpretiert wird – was potenziell dazu führt,
dass immer mehr und facettenreichere P2P-Akteure entstehen, um genau diesen
Effekt zu umgehen – so kommt es zu einer Art „Katz und Maus“-Spiel.
▪ Zugleich entstehen unendlich viele neue Chancen für mehr Selbstbestimmung
und innovative Geschäftsmodelle durch P2P-Akteure.
P2P-Akteure sind so vielfältig und flexibel wie Bilder auf einem Farbbildschirm, die
durch Vernetzung der Farben rot, grün und blau (rgb) entstehen. Sie können eine
schöne Blume ebenso ermöglichen wie einen mörderischen Hai.
RGB-Bildpunkte
flächige Vernetzung
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
potenzielle Gesamtbilder
52
Adaption und Gestaltung der Umwelt
„Guerilla 4.0“: P2P-Akteure als Umwelt für andere Akteure
Das Bildschirmbeispiel lässt erahnen, welches universelle Potenzial in P2P-Akteuren
liegt: Diese können nicht nur jede beliebig vorstellbare Form annehmen, die direkte
Vernetzung von Millionen von Akteuren ist zugleich ein beispielloser Akt der aktiven
Umweltgestaltung und flexiblen passiven Umweltanpassung gleichermaßen.
▪ P2P-Netze sind (zumindest potenziell) in der Lage,
riesige, komplexe, hoch organisierte digitale „Guerilla-Systeme“ vernetzter kleiner Einzelakteure zu
bilden, die großen Wirtschafts-Oligopolen als eine
Art „Guerilla 4.0“ Konkurrenz machen könn(t)en.
▪ Ähnlich wie der Vietcong im Vietnam-Krieg bildet
und prägt die „Guerilla 4.0“ die Umwelt aufgrund
ihrer unzähligen kleinen, überall gleichzeitig agierenden Elemente: Sie wird selbst zur Umwelt!
▪ Aus der Notwendigkeit des Reagierens einer Vielzahl kleiner Akteure entsteht eine hoch wirksame,
hoch organisierte Gesamtheit, die aufgrund innovativer Aktion andere zum Reagieren zwingt.
▪ Agile P2P-Einheiten, die als Ganzes agieren, werden so zum potenziellen Gegner großer Einzelakteure oder dominanter nativ-digitaler ECO-Akteure.
Welcher Akteur(-Netzwerk)-Typus frisst wen in einer digital-vernetzten Welt?
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
53
Die Wirkformel bei David vs. Goliath-Strategien
Nimmt man die Wirkformel bei P2P-Akteuren im Rahmen von „David gegen Goliath“
Wettbewerben näher unter die Lupe, so entsteht ein durchaus überraschender
Umkehr-Effekt:
▪ Das Ziel der Unabhängigkeit und Freiheit besitzt nicht nur für Menschen, sondern
auch für Unternehmen häufig einen überragend wichtigen Stellenwert.
▪ Es reichen daher wenige Ziele von überragender (subjektiver) Bedeutung aus, um
dominante, an Effizienz orientierte „Imperatoren“ ernsthaft herauszufordern.
▪ Wichtig ist allerdings, dass die wenigen Ziele von vielen Akteuren nahezu identisch geteilt werden (z.B. Unabhängigkeit). Dies unterstellt ist die P2P-Vernetzung
der einzelnen Akteure „unter Gleichen“ das vermutlich effektivste Instrument, um
gemeinsam geteilte Ziele mit flacher Hierarchie tatsächlich zu erreichen.
Die Anzahl der Ziele kann gering
sein (z.B. Freiheit), dafür zählt die
Anzahl vernetzter P2P-Akteure mit
gleichem Ziel umso mehr.
P2P
Die hohe Qualität der Zielerreichung ist bei P2P-Akteuren
das wichtigste Kriterium.
Anzahl vernetzter Ziele * Gesamtqualität
Zeitaufwand * Ressourceneinsatz
Guerilla-Akteure spielen häufig auf
Zeit (vgl. Vietnam), um dann überraschend zu „explodieren“.
Auch dieser Punkt ist nicht so wichtig wie
sonst: Guerilla-Akteure nehmen z.T. enorme Verluste und Energieaufwände in Kauf.
Im Rahmen von P2P-Guerilla-Systemen, sind sowohl das Zeit- als auch das Ressourceninvestment ausnahmsweise nachrangig. Wie im Vietnam-Krieg zeichnet sich
die „Guerilla 4.0“-Strategie vielmehr dadurch aus, dass sie einen langen Atem und
z.T. hohe Verlustbereitschaft und sogar Bereitschaft zum Märtyrertum besitzt.
Aus diesem Grund sind „David vs. Goliath“-Strategien bei digitalen P2P-Akteuren
meist nur auf Basis klarer Feindbilder erfolgversprechend. Dies war beim Bitcoin
tatsächlich der Fall: Er richtete sich von Beginn an gegen die klassische Finanzwirtschaft und besaß somit sowohl ein klares Feind- als auch ein positives Zielbild.
Hoch wirksame P2P-Akteure sind daher – zumindest potenziell – von äußeren Zwängen geprägt. Fehlen diese oder sind diese nicht eindeutig, entsteht schnell der
Effekt der „Judäischen Volksfront“ vs. der „Volksfront von Judäa“ aus dem Film
„Das Leben des Brian“: Statt den gemeinsamen Gegner (im Film die Römer) zu
bekämpfen, zerreibt sich die Guerilla (digital oder analog) untereinander.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
54
Machtverschiebungen
Wirtschaftliche vs. staatliche Akteur-Netzwerke
P2P-Akteure können aber den umgekehrten Effekt haben und große Player noch
größer machen. Dies wird erkennbar, wenn man sich das potenzielle „Sprengen“
etablierter Machtmonopole vor Augen führt, z.B. bei staatlichen Währungen.
Diesbezügliche Maßstäbe setzt die Komplementär-Währung „Libra“: Das Besondere
an ihr ist weniger, dass die Währung die Blockchain-Technologie verwendet. Viel
bemerkenswerter ist das einzigartige Konsortium, das als Intermediär des P2PAkteurs fungiert, denn dieses ist seinerseits ein hoch vernetzter ECO-Akteur. Libra
wäre eine beispiellose Kombination von integrierten P2P- und ECO-Akteuren.
Exemplarisch: Libra-Konsortium
P2P und ECO-Kombination
ECO-Intermediär
P2P-Vernetzung
https://www.bitcoinnews.ch/15551/facebook-stable-coin-dies-ist-die-liste-der-libra-association/
Solche Kombinationen sind (potenziell) in der Lage, Machtverschiebungen zwischen
Staat, Zentralbanken und Wirtschaft zu bewirken. Nicht einmal die Tatsache, dass
globale Crypto-Währungen wie Libra gigantische Energiemengen benötigen, wäre
ein Hindernis: Dies wird entlang der Wirkformel durch die kumulierten Einzelziele
von Millionen (potenzieller) weltweiter Nutzer in Schwellenländern kompensiert (vgl.
dazu das P2P-Berechnungsbeispiel zur Wirkformel am Ende).
Ob und wieweit sich Währungen wie Libra tatsächlich durchsetzen werden, ist zwar
noch unklar. Sicher ist im Rahmen der ANT jedoch das enorme Wirkpotenzial, das
durch digitale P2P-Vernetzung und Matrjoschka-Verschachtelung von gleich zwei
Super-Akteur-Netzwerken wie P2P- und ECO-Akteuren ermöglicht wird.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
55
Zusammenfassung
P2P-Akteure
▪ P2P-Akteure sind digitale Akteur-Netzwerke, die u.a. Kommunikation und
Transaktionen „unter Gleichen“ ermöglichen.
▪ Es gibt sie mit und ohne Intermediäre. Beispiele mit Intermediär sind facebook,
Uber oder Airbnb. Ein Beispiel ohne Intermediär ist der Bitcoin.
▪ P2P-Akteure können wie ein hoch organisierter Ameisenhaufen selbst großen
Einzelakteuren gefährlich werden (z.B. bei der P2P-Stromerzeugung).
▪ Durch das Auflösen von Hierarchien können P2P-Akteure klassische Machtstrukturen dezentralisieren und dadurch sowohl radikale wirtschaftliche als auch
gesellschaftliche Wirkungen hervorrufen.
▪ Die Entstehung von P2P-Akteuren ist in hohem Maße unberechenbar. Sie basiert
in vielen Fällen auf der Kombination imaginärer und real erreichbarer Ziele.
▪ Auf diese Art können P2P-Akteure quasi aus dem Nichts heraus gewaltige, kaum
vorab abschätzbare reale Wirkungen erzielen („Der Glaube versetzt Berge“).
▪ Kommunikation und Transaktion unter „Gleichen“ ist zwischen Menschen und
autonomen Akteuren möglich („Symmetrie“ i.S.d. ANT).
▪ P2P-Akteure können zumindest potenziell hierarchische Führung durch regelbasierte dezentrale technische Lösungen ersetzen (mittels wirksamerer
„Übersetzung“ i.S.d. ANT).
▪ Als „Guerilla 4.0“ können P2P-Akteure bei „klarem Feindbild“ selbst übermächtig
erscheinende Gegner ernsthaft herausfordern.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
56
Kapitel 4:
Zusammenfassung und Ausblick
Inhalte
▪
Giganto-Metamorphose
58
▪
Drei Wirksäulen der Digitalisierung
59
▪
Zusammenspiel von AOP, ECO & P2P
61
▪
Drei „Meta-Ebenen“ der Digitalisierung
63
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
57
Giganto Metamorphose
Digitale Transformation und Super-Akteur-Netzwerke
Durch die Brille der ANT gesehen, ist Digitalisierung die Fortsetzung der Evolution
von Akteur-Netzwerken mit digitalen Mitteln:
▪ Die Umwandlung von klassischen, eher gering vernetzten analogen Akteuren
(„Hasen“) in digital hoch vernetzte Akteur-Netzwerke („Igel“) ist das, was im Kern
als digitale Transformation bezeichnet wird. Sie ist eine dreistufige „Akteur-Metamorphose“ die zwar stets einen Anfang, aber kein klares zeitliches Ende besitzt.
▪ Auf der dritten Stufe ermöglicht Digitalisierung das Entstehen neuer, hoch
wirksamer Super-Akteur-Netzwerk-Typen i.S.d. ANT, die operativ, wirtschaftlich
und/oder gesellschaftlich agieren können, darunter AOP-Akteure, ECO-Akteure
und P2P-Akteure sowie ihre (mehrfach verschachtelte) Kombination.
▪ Digitalisierung offenbart (insbesondere durch AOP-Akteure) die schon immer
bestehende „Symmetrie“ zwischen menschlichen und nicht menschlichen
Akteuren i.S.d. ANT. „Symmetrie“ ist ein zeitlos gültiges Grundprinzip.
▪ AOP-, ECO- und P2P-Akteure sind jeweils in der Lage, bestehende wirtschaftliche und gesellschaftliche Herausforderungen exponentiell besser i.S.d. ANT zu
„übersetzen“ als alles zuvor dagewesene.
Exponentiell zunehmende
Wirkung durch Vernetzung
▪ AOP-Akteure
▪ ECO-Akteure
▪ P2P-Akteure
Stufe 1:
Stufe 2:
Stufe 3:
Aufbau digitaler
Infrastrukturen
Agieren als digitales
Akteur-Netzwerk
Permanente Innovation;
Ent- und Neu-Vernetzung
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
58
Drei Wirksäulen der Digitalisierung
Hardware, Daten und Algorithmen
Die drei zuvor skizzieren Super-Akteur-Typen sind dabei nur exemplarisch und nicht
abschließend. Sie sind typische Beispiele für das durch Digitalisierung und Vernetzung exponentiell steigende Wirkpotenzial im Hinblick auf operatives, wirtschaftliches und gesellschaftliches Wirken.
Jeder der zuvor skizzierten Akteur-Typen beruht dabei im Kern auf drei miteinander
hoch vernetzten, sich gegenseitig ergänzenden digitalen Wirksäulen:
▪ Daten,
▪ Algorithmen und
▪ Hardware.
Es ist möglich, jedes dieser drei Elemente als jeweils individuellen Akteur und ihre
Kombination als Akteur-Netzwerk i.S.d. ANT zu betrachten: Jedes der drei Elemente
allein ist nämlich kaum in der Lage, die exponentiell steigende Wirkung digitaler Akteur-Netzwerke zu ermöglichen. Erst als vernetzte, sich laufend weiterentwickelnde
Gesamtheit, in der jedes der drei Elemente die jeweils anderen beiden Elemente
wechselseitig mit zieht und voran treibt, ergibt sich eine Wirksteigerung, die ähnlich
einer logarithmischen Spirale permanent exponentiell zunimmt (Fibunacci-Spirale).
Ermöglicht wird die exponentielle Zunahme auch durch die Möglichkeit der Matrjoschka-Verschachtelung der drei Elemente mit- und untereinander.
Dreigliedriges digitales
Akteur-Netzwerk
Matrjoschka
Verschachtelung
D
A
H
Hardware
P2P
H
D
Daten
A
A
H
H
A
D
Algorithmen
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
ECO
Exponentiell zunehmende Wirksamkeit
digitaler Akteure
AOP
59
Sich selbst verstärkende Digitalisierung
Das Bessere ist der Feind des Guten
Die digitale Transformation der dritten Stufe lässt es so gesehen fast schon zwingend erscheinen, dass digitaler Fortschritt dort am schnellsten voran schreitet, wo
ohnehin bereits der höchste digitale Fortschritt besteht: Bei digitalen Leadern! Dort
werden Hardware, Daten und Algorithmen permanent optimiert und gegen leistungsfähigere bzw. wirksamere digitale Akteure eingetauscht.
Hardware
Ziele
Qualität
Zeit
Ressourcen
Daten
Algorithmen
Werden differenzierter
(z.B. neue Prozessoren,
Sensoren, Roboter)
Werden immer vernetzter
und globaler
Werden immer anspruchsvoller
Leistung wird immer
besser
Werden immer präziser
und umfassender
Werden immer intelligenter
Werden immer schneller
Werden in immer kürzeren
Abständen erhoben
Werden immer schneller
Werden immer kleiner,
verbrauchen weniger
Energie
Erfordern immer mehr
Speicherplatz
Benötigen immer mehr
Daten
Die permanente Weiterentwicklung von Hardware, Daten und Algorithmen ist sehr
aufwändig. Daher werden Infrastruktur, Plattformen, Applikationen und Daten immer
öfter als ein (ihrerseits vernetzt-verschachteltes) „as a Service“-Paket von spezialisierten Angeboten bezogen – i.d.R. nur so lange, bis der Markt wieder neuere und
bessere Angebote bietet. Deshalb ist im Laufe der Zeit damit zu rechnen, dass
Hardware, Daten und Intelligenz zunehmend outgesourced werden, da dies im Sinne der Wirkformel Zeit und Ressourcen spart. Eigene Hardware, Daten und Intelligenz werden dafür auf ein Minimum reduziert werden.
vernetzt-verschachtelte
digitale Akteure:
„as-a-Service“ Akteure
eigene Akteure
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
60
Zusammenspiel von AOP, ECO & P2P
Substitution und Vernetzung
AOP, ECO, P2P-Akteur-Netzwerke sind jeweils für sich betrachtet im Hinblick auf
eine bestimmten Funktion exponentiell überlegen – was ahnen lässt, welche klassischen Akteur-Typen von ihnen verdrängt werden:
▪ Im Hinblick auf operatives Handeln sind AOP-Akteure schon sehr weit. Sie ersetzen Menschen sowohl als operative wie gering qualifizierte Wissensarbeiter.
▪ Ähnliches gilt für ECO-Akteure, die mit unglaublichen Mengen von Daten arbeiten
und somit vor allem höher qualifizierten Wissensarbeitern Konkurrenz machen.
▪ Zudem eröffnen P2P-Akteure sowohl in wirtschaftlichen als auch in politischen
Systemen neue Möglichkeiten, Macht und damit Führung neu zu formieren.
Super-Akteur-Netzwerke
Mensch/Maschine
FührungAkteure
WissensAkteureHandlungsAkteure
Maschine
P2P-Akteure
?
ECO-Akteure
AOP-Akteure
SuperOrganismus
Mensch
Die drei Beispiele zeigen zudem, dass sich die drei Super-Akteur-Netzwerke mitund untereinander verbinden lassen und somit eine Art „Super-Organismus“ bilden
können, in dem durchschnittliche Menschen kaum noch einen Mehrwert bieten.
Im Hinblick auf die ANT kommt es dabei weniger darauf an, ob bzw. wann dies der
Fall sein könnte und welche Folgen dies für die Menschheit hätte. Wichtiger ist
vielmehr, dass die Kombination von ANT und Digitalisierung offenbart, wie exponentielle Wirkung durch die Vernetzung von jeweils selbst hoch vernetzten Teilakteuren (zumindest potenziell) erzielt und durch arbeitsteilige Organisation sogar noch
erhöht werden kann. Ebenso relevant ist die Frage, welche Wirkungsgrenzen diese
Entwicklung entlang der ANT haben könnte.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
61
Komplexität und Intransparenz
Nicht nur die Wirksamkeit steigt mit der Vernetzung
Auf der dritten Stufe ist die erhöhte Wirksamkeit nur eine von mehreren relevanten
Faktoren, die exponentiell zunehmen:
▪ Durch Digitalisierung nehmen auch Virtualisierung und die Geschwindigkeit des
Informationsaustauschs zu, was die menschliche Kontrolle erschwert.
▪ Vernetzung, Virtualisierung, Verschachtelung und Geschwindigkeit führen zusammen mit dem Phänomen der Entgrenzung zu einer exponentiell wachsenden
Komplexität und Intransparenz von digitalen Super-Akteur-Netzwerken.
▪ Um die rasant zunehmende Intransparenz und Komplexität überhaupt noch bewältigen und kontrollieren zu können, benötigt die Digitale Transformation ihrerseits digitale Hilfsmittel, weil der Mensch allein sie nicht mehr beherrschen kann.
▪ Dadurch wird digitale Hyper-Vernetzung einerseits zu einem sich selbst verstärkenden und andererseits zu einem sich auch selbst gefährdenden Phänomen!
Vernetzung
Geschwindigkeit
Intransparenz
Entgrenzung
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
Komplexität
Virtualisierung
Verschachtelung
62
Drei „Meta-Ebenen“ der Digitalisierung
Mit- und/oder gegeneinander?
Die zunehmende Hyper-Vernetzung von Akteur-Netzwerken i.S.d. ANT führt folglich
zu neuen Herausforderungen, die ebenfalls exponentiell zunehmen. Diese wirken
sich unmittelbar auf zwei Faktoren von Super-Akteur-Netzwerken aus:
▪ Das Prinzip der Identität: Ihre Rolle gewinnt im Rahmen zunehmender Grenzauflösung und permanenter Ver- und Entnetzung exponentiell an Bedeutung. Mit
jeder Neu-, Ent- und Umnetzung der Teil-Akteure entsteht i.d.R. nicht nur eine
Akteurs-, sondern auch eine Identitäts-Metamorphose. Die Fähigkeit von AkteurNetzwerken, „als Ganzes“ zu agieren, ist jedoch ohne Identität kaum möglich.
▪ Das Prinzip der Coopitition: Digitale Akteur-Netzwerke stehen vor der Herausforderung, sowohl kooperativ als auch konkurrierend zu agieren. Aufgrund der
Undurchsichtigkeit und Schnelligkeit aller Entwicklungen sind neue Wettbewerbsstrategien gefordert, die Vernetzung als auch Identität beachten.
Wettbewerb
Identität
Vernetzung
Vernetzung, Identität und Wettbewerb sind drei miteinander korrelierende Wirkfaktoren, die (nicht nur) im Rahmen der Digitalisierung bzw. der Digitalen Transformation eine zentrale Rolle spielen. Im nachfolgenden dritten Teil der Meta-Trilogie wird
es daher vor allem um das Prinzip der Identität gehen: Sie ist ein Faktor, der im
Rahmen jedes Elements der Wirkformel eine wichtige Rolle spielt und daher auch
einen erweiterten Teil der Wirkformel darstellt. Diese Erweiterung lautet:
w=
Anzahl vernetzter Ziele * Gesamtqualität
Zeitaufwand * Ressourceneinsatz
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
* Identität
63
Vertrauen vs. Misstrauen
Wirksamkeit: Eine Frage der Identität
Das Erfordernis der Identität ist eine Art Widerhaken jeder allzu zu sehr an Wirkoptimierung orientierten Wettbewerbsstrategie. Das Erfordernis der Identität sorgt
dafür, dass digitale Akteur-Netzwerke im Wettbewerb immer wieder entweder an
sich selbst oder am Verhältnis zu ihrer Umwelt scheitern.
Das Prinzip der Identität symbolisiert die Fähigkeit jedes Akteur-Netzwerks i.S.d.
ANT entweder:
▪ Erfolgreich als integriertes „Ganzes“ zu agieren oder
▪ in getrennte Teile zu zerfallen, die sich z.T. auch noch bekämpfen.
Identität ist sowohl beim Erfordernis der Koordination als auch der des Vertrauens
eine Art Joker. Sie sorgt immer wieder für Überraschungen, denn sie kann dazu
führen, dass das pro forma wirksamere Akteur-Netzwerk im Wettbewerb gleichwohl
unterliegt. Vernetzung und Identität, müssen sich daher jeweils gegenseitig als
elementare Wirkfaktoren i.S.d. ANT beachten.
Vernetzung
Identität
bedingen einander
Wieso dies so ist, und wie sich die Identität auf verschiedene Arten von digitalen
Akteur-Netzwerken auswirkt, beschreibt der dritte Teil der Meta-Trilogie:
Identität und Wettbewerb – Ganzheit. Resilienz. Überlegenheit.
Wie sich die Kombination von Vernetzung und Identität im Wettbewerb mehrerer
(digitaler) Akteur-Netzwerke auswirkt, wird dabei anhand des Meta-Modell
erläutert. Dabei gilt die Formel: Erst kommt die Wirkung, dann die Moral!
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
64
Anhang
▪
Wirkformel: Berechnungsbeispiele
66
▪
Steckbrief AOP-Akteure
71
▪
Steckbrief ECO-Akteure
72
▪
Steckbrief P2P-Akteure
73
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
65
Wirkformel: Berechnungsbeispiele
Faustformeln und Daumenregeln
Die in der Meta-Trilogie verwendete Wirkformel entspricht dem, was umgangssprachlich als Daumenregel oder Faustformel bezeichnet wird. Faustformeln sind so
gestaltet, dass sie sich anhand grober Werte in kurzer Zeit im Kopf ausrechnen lassen und dadurch bei der schnellen Bestimmung von Tendenzen hilfreich sind. Vor
diesem Hintergrund ist die Wirkformel für Akteur-Netzwerke ein Hilfsmittel, um z.B.
bei vernetzten Produkten und Services eine Einschätzung der jeweiligen Wirksamkeit im Rahmen unterschiedlich vernetzter „Übersetzungen“ von Lösungen vollziehen.
Die Wirkformel ist stets vergleichend anzuwenden, so wie dies in der folgenden
Matrix exemplarisch dargestellt ist.
w (Wirkfaktor) =
Ziele
Anzahl vernetzter Ziele * Gesamtqualität
Zeitaufwand * Ressourceneinsatz
Klassischer Akteur
Super-Akteur-Netzwerk
Primärziele
Zusatzziele
Potenzielle Ziele
Vernetzung
Wirkformel
Auch bei den im zweiten Teil vorgestellten Super-Akteur-Netzwerken kann im Hinblick auf die Anzahl vernetzter (optionaler) Ziele zwischen Primärzielen, Zusatzzielen
und potenziellen Zielen unterschieden werden. Das Zuordnen von absoluten, objektiven Zahlen ist nicht immer möglich. Vielmehr kommt es darauf an, relative Schätzwerte zu verwenden, anhand denen die Wirkungstendenzen deutlich werden. Dies
ist in vielen Fällen möglich, wie die Folgebeispiele zeigen.
Meta-Trilogie, Teil 1: Akteur-Netzwerk-Theorie
66
Wirkformel: Berechnungsbeispiele
Operativ. Wirtschaftlich. Politisch Sozial.
Der Vergleich der Wirkung erfolgt anhand von Beispielen der jeweiligen spezifischen
Aktionsart der drei digitalen Super-Akteur-Netzwerke:
Aktionsart
Klassischer Akteur
Super Akteur-Netzwerk
operativ
Mensch
AOP-Akteure
wirtschaftlich
Unternehmen
ECO-Akteure
politisch-soziall
Gesellschaft
P2P-Akteure
Der Vergleich entlang der Wirkformel macht dabei erneut deutlich, dass es nicht
immer nur auf die rationalen, sondern im „wahren Leben“ zusätzlich auf emotionale
Macht-Faktoren ankommt (die aber in der Regel gut kaschiert werden):
▪ AOP-Akteure sind nicht nur operativ leistungsfähiger, sondern auch potenziell
stärker kontrollierbar.
▪ ECO-Akteure sind nicht nur besser vernetzt und näher am Kunden, sondern auch
hoch komplex, supranational organisiert und äußerlich betrachtet kaum durchdringlich und damit u.a. potenziell schwerer zu regulieren und zu besteuern.
▪ P2P-Akteure sind nicht nur (ohne Intermediär) demokratisierend und damit
Macht-reduzierend einsetzbar, sondern auch (mit Intermediärs-Struktur) im Sinne
einer zentralisierten „Supermacht“ branchen-beherrschend verwendbar.
Die exponentielle Überlegenheit besteht immer nur potenziell: Ob und wie weit
tatsächlich eine höhere Wirksamkeit der digitalen Super-Akteur-Netzwerke im
Einzelfall besteht, ist – wie im ersten Teil der Meta-Trilogie erläutert – stets von den
konkreten Umweltfaktoren abhängig.
Meta-Trilogie, Teil 1: Akteur-Netzwerk-Theorie
67
Mensch vs. AOP-Akteur
Lagerarbeiter vs. Warehouse-Roboter
Will man einen AOP-Akteur mit einem Menschen bzw. einer Mehrzahl von kollaborierenden Menschen vergleichen, ist Wirtschaftlichkeit nicht der einzige Aspekt:
▪ Im Hinblick auf die Primärziele ist Wirtschaftlichkeit sicherlich ein ganz zentraler
Aspekt. Dies gilt auch in vieler Hinsicht für Zusatzziele.
▪ Doch schon bei den Zusatzzielen wird deutlich, dass es neben höherer Wirtschaftlichkeit auch häufig um Themen wie Unabhängigkeit von Menschen geht.
▪ Schaut man auf die potenziellen Ziele, so ist ein AOP-Akteur z.T. auch aus
emotionalen Gründen wirksamer, die nur wenig mit Wirtschaftlichkeit, sondern
z.T. auch mit Machtaspekten zu tun haben.
Ziele
Lagerarbeiter
Warehouse-Roboter
Primärziele
Waren einsortieren, Finden freier Plätze, Heben schwerer Gewichte,
höherer Speed, bessere Platznutzung, Senkung Produktionskosten
Zusatzziele
24/7 Tag- und Nachtarbeit, Kollisionsschutz, kein Arbeitsschutz,
digitale Vernetzung von Bestellung bis Auslieferung, Datenerfassung
Potenzielle Ziele
keine Streiks, Loyalität gegenüber Werksbetreiber, vollständige Kontrolle
Gesamtziele
Vernetzung
30 *
gering-hoch
Sehr hoch
30 *
100 *
Zeit
200 *
10 *
Ressourcen
500 *
5*
(30 x 30) / (200 x 500) = 0,009
(30 x 100) / (100 x 10) = 30
Qualität
Wirkformel **
* Diese Zahlen sind im Sinne einer Faustformel tendenzielle Schätzwerte
** Pfeile = Tendenz bzgl. relativer Wirksamkeit (sehr hoch bis gering)
Meta-Trilogie, Teil 1: Akteur-Netzwerk-Theorie
68
Klassisches Unternehmen vs. ECO-Akteur
Flug auf Sicht vs. maßgeschneiderte Produktion on demand
Digital native ECO-Akteure sind weit mehr als „nur“ Unternehmen: Sie sind Marktgestalter und sogar ein hoch dynamischer Teil der Umwelt ihres Wettbewerbs:
▪ Sie entwickeln in rasender Geschwindigkeit neue datenbasierte Produkte,
Services und Geschäftsmodelle.
▪ Sie setzen (technische) Standards von denen Partner, Wettbewerber und sogar
ganze Volkswirtschaften abhängig sind.
▪ Sie entziehen sich als globaler Multipoint-Akteur in vieler Hinsicht erfolgreich der
Möglichkeit lokaler Regulierung.
Ziele
klassisches Unternehmen
ECO-Akteur
Primärziele
gewinnorientierter Vertrieb von Services und Produkten ohne Gefahr von
Fehl- und Überproduktion; Optimierung von Margen
Zusatzziele
Erfassung von sich rasch ändernden Kundenwünschen und hohe
Datenerfassung; Innovationsführerschaft; Gewinnung von Investoren
Kontrollierende Instanz im Rahmen von Business-Partnerschaften;
geringe Abhängigkeiten; geringe Regulierbarkeit; geringe Steuern
Potenzielle Ziele
Gesamtziele
Vernetzung
Qualität
Zeit
Ressourcen
Wirkformel **
20 *
Gering
Sehr hoch
5*
100 *
100 *
50 *
50 *
5*
(20 x 5) / (200 x 50) = 0,2
(20 x 100) / (50 x 5) = 1,6
* Diese Zahlen sind im Sinne einer Faustformel tendenzielle Schätzwerte
** Pfeile = Tendenz bzgl. relativer Wirksamkeit (sehr hoch bis gering)
Meta-Trilogie, Teil 1: Akteur-Netzwerk-Theorie
69
Gesellschaft vs. P2P-Akteur
Sprengung bisheriger Grenzen
Wie bereits dargestellt, sind P2P-Akteure so vielseitig wie die Pixel eines Farbfernsehers. Sie bieten enorme disruptive Möglichkeiten, um völlig neue Wirkungen z.B.
im Wege einer Komplementärwährung zu erzielen und so Geld von Staaten
unabhängig zu machen. Dabei spielt der Ressourcen-Einsatz kaum eine Rolle.
▪ Beispiel dafür ist die Komplementär-Währung „Libra“ deren Intermediär seinerseits ein ECO-Akteur-Netzwerk ist.
▪ Mit ihr können u.a. Personen am digitalen Zahlungsverkehr teilnehmen, die
bislang davon ausgeschlossen sind (z.B. in Schwellenländern). Deren Ziele lassen
sich milliardenfach addieren. Dies wiederum ermöglicht exponentielle Wirkung.
Ziele
Staatliches Geld
Virtuelles Geld
Primärziele
Weltweit gültige Komplementär-Währung für identifizierbare Nutzer (also
nicht anonym wie Bitcoin). Zahlung ohne (lizensierte) Bank.
Zusatzziele
Beteiligung von Personen mit und ohne Konto. Erschließung von
Schwellenländern als neuem Kapitalmarkt.
Potenzielle Ziele
Sprengung der Grenzen für Regulatorik des Bankenbereichs und
währungspolitische Machtverschiebungen.
Gesamtziele
Vernetzung
500.000.000 * (kumulierte Ziele von bislang Ausgeschlossenen)
Mittel
Sehr hoch
0 * (aus Sicht Ausgeschlossener)
100 * (aus Sicht Ausgeschlossener)
Zeit
0*
1*
Ressourcen
0*
1.000.000 *
0
Exponentiell & einzigarteig
Qualität
Wirkformel **
* Diese Zahlen sind im Sinne einer Faustformel tendenzielle Schätzwerte
** Pfeile = Tendenz bzgl. relativer Wirksamkeit (sehr hoch bis gering)
Meta-Trilogie, Teil 1: Akteur-Netzwerk-Theorie
70
Steckbrief:
AOP-Akteure
▪
AOP-Akteure finden sich insbesondere dort, wo operative Handlungen bislang
überwiegend durch Menschen ausgeführt und bestimmt werden.
▪
Autonom bedeutet, dass die Akteure automatisiert und regelbasiert ohne
unmittelbare Teilnahme des Menschen situativ selbst handeln.
▪
Sie nutzen vielfältige Sensoren, um sich Echtzeit ein umfassendes digitales Bild
der sie umgebenden Umwelt zu machen.
▪
Sie sammeln und verbinden große Datenmengen über ihre Umwelt, die sie
mittels intelligenter Algorithmen in Echtzeit interpretieren.
▪
Sie sind teilweise in der Lage, selbstlernend neue Regeln zu entwickeln und sich
fortlaufend autonom zu optimieren.
▪
Aufgrund dieser Multi-Faktoren können sie in vielen Fällen effizienter und/oder
effektiver agieren als Menschen.
▪
Sie suggerieren durch ihre Bezeichnung und/oder ihre Repräsentanten häufig
die Existenz eines intelligenten, lokal agierenden Einzelakteurs.
▪
Typische Beispiele sind das selbstfahrende Auto, Smart Home Anwendungen
wie Alexa, Logistikroboter oder autonome Kampfdrohnen.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
71
Steckbrief:
ECO-Akteure
▪
ECO-Akteure sind wirtschaftliche, digital vernetzte Ökosysteme. Sie entstehen
dort, wo bislang Unternehmen als Einzelakteure am Markt agieren.
▪
Sie beruhen auf einer Kombination vernetzter Unternehmen und spezialisierter
Services, die zunehmend durch AOP-Akteure erbracht werden.
▪
Sie sind in der Lage, einerseits hoch komplexe und andererseits hoch dynamische Abläufe bei hoher Effizienz zu integrieren und so Vorteile zu erzielen.
▪
Es gibt zwei Varianten: Transformierende und digital-native ECO-Akteure. Letztere agieren oft auf Basis einer endkundenzentrierten Wertschöpfungskette.
▪
Durch beide Arten von ECO-Akteuren werden gewachsene Marktstrukturen und
Wertschöpfungsprozesse nachhaltig revolutioniert.
▪
Sie zwingen traditionelle Unternehmen in einen Zwei-Fronten-Konflikt:
Wettbewerb mit bisherigen Wettbewerbern und digitalen ECO-Systemen.
▪
ECO-Akteure sind besonders erfolgreich, wenn ihre Wahrnehmung als Ganzes
durch Simplifikation vereinfacht und durch Emotionalisierung erlebbar wird.
▪
Typische Beispiele digital-nativer ECO-Akteure sind Weltmarktführer wie
amazon, Alibaba, Tencent, facebook oder Google.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
72
Steckbrief:
P2P-Akteure
▪
P2P-Akteure ermöglichen die direkte, hoch skalierbare, vertrauenswürdige
Transaktion von unbekannten und/oder bekannten Akteuren untereinander.
▪
Akteure i.d.S. können Menschen als auch Maschinen sein, die miteinander in
Transaktion stehen und so gemischte Netzwerke i.S.d. ANT bilden.
▪
Typisches Feature von P2P-Akteuren ist die optimale Übersetzung von Matching-Funktionen (suche/finde) sowie das fälschungssichere Tracking von
Transaktionen auf der Zeitachse.
▪
P2P-Akteure können auf Basis intermediärer Strukturen und (z.B. auf Basis der
Blockchain) auch ohne Intermediäre realisiert werden.
▪
Blockchain-basierte P2P-Akteur-Netzwerke können automatisch vollstreckbare
Regeln enthalten und dadurch hoch komplexe Entscheidungsprozesse erheblich beschleunigen (u.a. durch Smart Contracts).
▪
P2P-Akteure sind ein Booster die Entwicklung dezentraler, flacher hierarchischer Netzwerke, in denen die Zuteilung von Rollen und Rechten bzw. der
Zugriff auf Daten direkt von den einzelnen Akteuren gesteuert werden kann.
▪
P2P-Akteure können sowohl AOP-Akteure, ECO-Akteure und andere P2PAkteure zu Super-Organismen mit dezentraler Führung verbinden.
Meta-Trilogie, Teil 2: Digitale Super-Akteur-Netzwerke
73