Zum Inhalt springen

Tod eines Bundeswehrsoldaten Bericht gibt erstmals Hinweis auf Strafaktionen durch Ausbilder

In Munster starb ein Bundeswehrsoldat bei einer Marschübung. In dem Fall gibt es neue, heikle Details: Nach SPIEGEL-Informationen zeigen Ermittlungen, dass er und andere kollabierte Soldaten zusätzlich einen Strafmarsch absolvieren mussten.
Bundeswehrsoldat

Bundeswehrsoldat

Foto: Karl-Josef Hildenbrand/ dpa

Im Fall des bei einer Marschübung in Munster verstorbenen Offiziersanwärters werfen neue Details aus den Ermittlungen Fragen auf. In einem ersten Untersuchungsbericht, der dem SPIEGEL vorliegt, gesteht die Bundeswehr ein, dass der verstorbene Soldat und mehrere Kameraden, die ebenfalls kollabiert waren, offenbar einen brachialen Strafmarsch laufen mussten.

Der Bericht für den Bundestag korrigiert somit die bisherige Darstellung. Die Bundewehr hatte bisher stets behauptet, mehrere Soldaten seien am 19. Juli bei einem regulären Zwölf-Kilometer-Marsch bei moderater Hitze von 27 Grad und ohne schweres Gepäck kollabiert. Einer von ihnen starb später im Krankenhaus, ein weiterer kämpft im Hamburger Uni-Klinikum noch um sein Leben.

"Streckenweise im Laufschritt"

In dem neuen Bericht hingegen heißt es, dass die Gruppe rund um den verstorbenen Soldaten offenbar zur Strafe vor der eigentlichen Übung eine Art Extra-Marsch ablegen musste. Dabei, so der Bericht, legten die Soldaten "eine Strecke von insgesamt sechseinhalb Kilometern, streckenweise im Laufschritt zurück", zudem hätten einige "Liegestütze absolvieren" müssen.

Der Bericht bleibt bei den Fakten einigermaßen vage. So wird der Extra-Marsch, den nur einige der Offiziersanwärter mitlaufen mussten, damit begründet, dass man fehlende Ausrüstungsgegenstände aus der Kaserne habe holen müssen. Der verstorbene Soldat kollabierte bereits, als die Gruppe die Unterkünfte erreichte. Mehrere seiner Kameraden brachen dann später ebenfalls zusammen.

Aus Bundeswehrkreisen war schon seit Tagen von einem Strafmarsch die Rede gewesen, allerdings wollte niemand offiziell über den Verdacht sprechen. Insider hatten schon nach dem Tod des Soldaten vermutet, dass dieser bei einem normalen Marsch ohne Gepäck wohl nicht hätte kollabieren können. Dass gleich mehrere Soldaten an dem Tag kollabierten, sei völlig unerklärbar.

Ausbilder sollen Aussage verweigert haben

Grundsätzlich sind Extra-Märsche und auch Liegestütze bei der Truppe als sogenannte erzieherische Maßnahme durchaus üblich. Dass die Ausbilder allerdings den Rest des Trupps nach dem Kollabieren des ersten Soldaten einfach weiterlaufen ließ, ist ungewöhnlich.

Im Ministerium wird der Fall mittlerweile argwöhnisch betrachtet. So verweigerten nach SPIEGEL-Informationen mehrere der am 19. Juli eingesetzten Ausbilder eine Vernehmung, offiziell sind sie krankgeschrieben. Bei erfahrenen Soldaten wirft das den Verdacht auf, dass die fraglichen Personen etwas verschweigen oder sich schützen wollen.

Was sich an dem Julitag in Munster abspielte, wird durch den Bericht eher rätselhafter. So gesteht die Truppe erstmals ein, dass mehr Soldaten bei den verschiedenen Übungen zusammenbrachen oder ernst zu nehmende Erschöpfungserscheinungen zeigten. So sei eine Soldatin "kurzzeitig benommen und nicht ansprechbar" gewesen.

Obduktion ergibt keine Klarheit

Noch merkwürdiger wirken andere Details. So klagten Soldaten aus dem Trupp über Verletzungen am Knie, die offenbar von Stürzen stammten. Trotzdem mussten sie zunächst weiterlaufen. Insgesamt, so der Bericht, hätten an dem Tag nicht nur wie zunächst berichtet nur vier, sondern elf Soldaten über akute Erschöpfungssymptome geklagt.

Auch der Obduktionsbericht des verstorbenen Soldaten ergab keine Klarheit. Die Staatsanwaltschaft Lüneburg teilte mit, der junge Mann sei laut den Pathologen an einer Sepsis, einer Art Blutvergiftung durch eine dramatisch eskalierte Entzündung im Körper gestorben. Was das ungewöhnliche Phänomen ausgelöst habe, sei noch unklar.

Die Bundeswehrführung gibt sich ähnlich ratlos. Im Bericht heißt es, bisher gebe es noch "keine stichhaltige Erklärung für das Gesamtbild an Ereignissen und Auffälligkeiten dieses Ausbildungstages". Allerdings würden zwei Untersuchungsteams alle Details, von der Laufstrecke bis hin zu möglichen Fehlern der Ausbilder, weiter intensiv untersuchen.

Die Opposition kritisierte das Ministerium scharf. Alexander Neu von den Linken sagte, er habe von Beginn an nach einem Strafmarsch gefragt, wurde aber mit "einem unverschämten und höhnischem Unterton" abgewimmelt. "Ich hoffe, das Ministerium klärt nun auf", sagte Neu, "jede weitere Verharmlosung schadet nur dem Image der Truppe".

Mehr lesen über

Verwandte Artikel