Urs Fischer: «Es wurmt mich immer noch» – nun hat er wieder Lust, zu arbeiten

Was kommt nach dem FC Basel? Der Trainer Urs Fischer hat erstmals einen Berater engagiert, der für ihn den Markt sondiert. Fischer könnte sich auch vorstellen, wie Murat Yakin in der Challenge League tätig zu sein.

Flurin Clalüna, Zürich
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Urs Fischer ist wieder voller Tatendrang, er plant Stages bei Trainerkollegen im Ausland. (Simon Tanner / NZZ)

Urs Fischer ist wieder voller Tatendrang, er plant Stages bei Trainerkollegen im Ausland. (Simon Tanner / NZZ)

Urs Fischer spaziert zum Bürkliplatz in Zürich, er trägt kurze Hosen und ein unscheinbares blaues Shirt. Auch wenn bei ihm alles auf Understatement und Bescheidenheit hindeutet: Fischer, 51 Jahre alt, ist der erfolgreichste Schweizer Fussballtrainer der letzten zwei Jahre, Meister und Doublegewinner mit dem FC Basel, und an diesem Sommermorgen Anfang August sieht er genau so aus, wie man ihn immer gesehen hat: bodenständig, im gutschweizerischen Freizeitlook, wie auf dem Zeltplatz. Manchmal klang es wie ein Vorwurf, wenn man sagte, der Fischer sei halt einfach ein ehrlicher Chrampfer, aber er hat nie verstanden, was daran schlecht sein soll.

Er ging ohne Rührseligkeit

Seit Anfang Juni ist Fischer arbeitslos, es war keine Entlassung, aber gefühlsmässig etwas Ähnliches, weil sie ihn beim neuen FCB nicht mehr haben wollten. Wie soll man so etwas nicht persönlich nehmen? Er ging ohne Rührseligkeit, ohne sentimentales Abschiedslied, wie man es für Christian Gross gespielt hatte. Aber Fischer ging mit dem guten Gefühl, dass viele in Basel denken: Doch, doch, der Fischer aus Zürich war ein Guter. Vielleicht sogar die, die bei seiner Vorstellung das Plakat geschrieben hatten: «Fischer, nie eine vo uns».

Fischer kam und ging, wie es im Fussballgeschäft selten vorkommt – irgendwie sehr erwachsen. Das Ende, es hätte schöner sein können, «es wurmt mich immer noch», sagt Fischer. «Wurmen» ist in diesem Zusammenhang ein schönes Wort, es hat etwas von unterdrückter, polemikfreier Enttäuschung, und genau so ist es: Fischers Kopf akzeptiert und versteht den Entscheid der neuen Führung sogar, aber der Bauch tut sich noch schwer. Doch unter der Zurückweisung scheint Fischer nicht zu leiden. Er sagt: «Der Erfolg mit dem FC Basel hat meine Art und mein Denken nicht verändert.» Das vielleicht nicht, eine Veränderung wäre auch schwierig bei einem wie Fischer, der seit Jahren immer einfach der Urs ist und sich nichts anderes vorstellen kann, als der Urs zu sein. Aber wie er wahrgenommen wird, hat sich verändert.

Es gab damals einige, die Angst um seine Karriere hatten, weil sie ihn sich nur in Zürich vorstellen konnten. Das ist heute anders.

Er sagt: «Nach der Entlassung beim FCZ 2012 hatte ich mich vier Monate verkrochen. Ich hatte das Gefühl, ich hätte alles falsch gemacht und dass mich die Leute schief ansehen.» Fischer war damals ein Jungprofi-Trainer, er wusste nicht, wie es mit ihm weitergeht. Und ob überhaupt. Es habe ihm den Boden weggezogen, sagt er. Es gab damals einige, die Angst um seine Karriere hatten, weil sie ihn sich nur in Zürich vorstellen konnten. Das ist heute anders.

In Basel hat er immer noch ein Angler-Patent

Die Zeit im FC Thun und in Basel waren auch Befreiungsjahre, eine Emanzipation vom FC Zürich, in dem er dreissig Jahre seines Lebens verbracht hatte, als Spieler und Trainer. Existenzängste hat er heute keine. Fischer ist immer noch Fischer. Aber sein Status ist so, dass er sich eigentlich keine Sorgen machen muss: Er wird wieder einen Job finden, vermutlich wird er sogar auswählen dürfen, und er hat auch die Geduld und die Gelassenheit, um auf das richtige Angebot zu warten. Ob sich sein Vertrag mit dem FCB Ende letzter Saison dank dem Meistertitel verlängert hat und eine Abfindung fällig geworden ist, bleibt ein Basler Stadt-Geheimnis. Anzunehmen aber ist es. Der FC Basel und Fischer haben Stillschweigen darüber vereinbart, und einer wie er hält sein Wort.

Schon kurz nach dem Arbeitsende in Basel hatte Fischer Anfragen, «Verrücktes aus dem Ausland», sagt er.

Manchmal muss er bei der Jobsuche nun sogar achtgeben, dass ihm der Erfolg der letzten Jahre nicht in die Quere kommt. Fischer sagt, er könne sich auch vorstellen, in der Challenge League zu arbeiten, so wie Murat Yakin in Schaffhausen. «Aber ich frage mich, ob sich die Klubs das auch vorstellen können. Viele Vereine sagen sich wahrscheinlich: ‹Den müssen wir gar nicht anrufen. Der kommt sowieso nicht.› Das verstehe ich nicht, denn so ist es nicht.»

Schon kurz nach dem Arbeitsende in Basel hatte Fischer Anfragen, «Verrücktes aus dem Ausland», sagt er. Aber er hatte sich vorgenommen, keinen neuen Job anzunehmen, wenigstens zwei Monate lang. Er sagt, er habe sich zwar nicht ausgebrannt oder erschöpft gefühlt, er war bis zum letzten Arbeitstag früh morgens im Büro, «aber in meinem Umfeld gab es Leute, die sagten: ‹Du siehst aber müde aus›. Das nehme ich ernst.» Wenn man sich in der Arbeit verliert, haben Freunde manchmal das bessere Gefühl für einen als man selber.

Also hat sich Fischer eine Pause verordnet, er geht zum Fischen an den Sihlsee oder an die Birs nach Basel, dort hat er immer noch ein Angler-Patent. Er werkelt am Haus herum, kümmert sich um ein neues Badezimmer, trifft Freunde zum Kaffeetrinken und geht mit seiner Frau auf Städtereisen, nach Málaga und Salzburg. Aber nun hat er wieder Lust, zu arbeiten. Er möchte bald Stages bei Trainerkollegen machen.

Urs Fischer in Zürich (Bild: Tanner / NZZ)

Urs Fischer in Zürich (Bild: Tanner / NZZ)

Zum ersten Mal in seiner Karriere hat Fischer nun einen Berater, Dino Lamberti, er kennt ihn schon seit vielen Jahren. Fischer hat zwar immer auf Eigenständigkeit Wert gelegt, er hat diese Heimwerker-Mentalität: «Das kann ich doch auch selber.» Aber er weiss eben auch, was er nicht kann. Sollte er einen Job im Ausland wollen, braucht er Hilfe. Fischer im Ausland: Wer hätte sich das vor ein paar Jahren vorstellen können?

Wicky verteidigen

Wie sehr sich Fischers Stellung im Schweizer Fussball verändert hat, zeigt auch, wie gefragt seine Meinung ist und dass er keine falsche Scheu hat, diese zu äussern. Er wird zwar eine Zeitlang nicht in den St.-Jakob-Park gehen. Aber wenn man ihn fragt, was er vom neuen FC Basel hält, hat er genug Selbstvertrauen, zu sagen, was er denkt: Kann er nachvollziehen, dass ein Klub, der jahrelang so erfolgreich war, nun vom Kopf auf die Füsse gestellt worden ist? Fischer sagt: «Der FCB war im eigenen Erfolg gefangen. Ich verstehe es und finde es richtig, dass man neue Reize setzt.» Selbst wenn dies auf seine Kosten geht und ihn die Stelle gekostet hat.

Mit Raphael Wicky, dem neuen FCB-Trainer, hatte Fischer keinen Kontakt; er hätte es seltsam gefunden, sich so gegenüberzustehen, der Alte und der Neue. Was hätten sie sich auch sagen sollen? Aber Wicky ist für Fischer nicht der, der ihm den Job weggeschnappt hat, «ich bin ihm nicht böse, ich gönne es ihm, wenn er erfolgreich ist». Nach der Niederlage gegen YB hat er mitbekommen, wie Wicky als «mutlos» kritisiert wurde, «weil er das Fischer-System gewählt hat». Mutlosigkeit: Es war Fischers Lieblings-Konflikt mit den Medien. Und wenn er jetzt Wicky verteidigt und sagt, dieser sei nicht ängstlich gewesen, dann verteidigt er auch sich selber – und die Zeit, die er in Basel mitgeprägt hat.

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