Für uns oder gegen uns?

Zwingt Amerika Deutschland zu einer Entscheidung zwischen den USA und China?

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PICTURE ALLIANCE/AP PHOTO
Joe Biden und Angela Merkel 2013 in Berlin
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Joe Biden und Angela Merkel 2013 in Berlin

Für uns oder gegen uns?

Zwingt Amerika Deutschland zu einer Entscheidung zwischen den USA und China?

Kein Zweifel, die Wahl von Joe Biden zum 46. Präsidenten der Vereinigten Staaten ist eine gute Nachricht für Deutschland und die transatlantischen Beziehungen. Biden ist ein großer Befürworter der Nato, von der europäischen Idee überzeugt und hat einen engen Draht nach Deutschland. Zu Besuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin 2013 nannte Biden, damals noch Vize von Barack Obama, die deutsch-amerikanische Freundschaft den Grundpfeiler der US-Außenpolitik. Wenn Biden am 20. Januar 2021 sein Amt antritt, dürfte der Ton zwischen Washington und Berlin nach vier Jahren Eiszeit also um einiges herzlicher werden.

Die Chancen stehen gut, dass Deutschland jetzt wieder einen zuverlässigen und vor allem vertrauenswürdigen Verhandlungspartner im Weißen Haus hat. Schon im Wahlkampf kündigte Biden an, dass er den Austritt der USA aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem Pariser Klimavertrag rückgängig machen will. Ob Corona-Pandemie oder Klimawandel, im Gegensatz zu Donald Trump setzt Biden bei globalen Herausforderungen auf Kooperation statt Alleingang. Die kommende Ära macht daher Hoffnung auf Veränderungen, die ganz im Sinne von Deutschland und Europa sind.

Deutschland muss sich aber dennoch darauf einstellen, dass Bidens Sieg nicht alle Probleme zwischen Washington und Berlin löst, insbesondere in Sachen China. Bidens Präsidentschaft wird so schnell nichts an der Anti-China-Stimmung in den USA ändern. Das Misstrauen der Amerikaner gegenüber China war nie größer, wie aktuelle Umfrageergebnisse des Pew Research Centers mehr als deutlich zeigen. Im Sommer 2020 gaben rund 73 Prozent der Befragten an, eine negative Meinung von China zu haben. Damit ist ein neuer Tiefstand erreicht. In dieser Hinsicht herrscht überraschende Einigkeit in dem ansonsten tief gespaltenen Land, sogar über Parteigrenzen hinweg.

Rasantes Wirtschaftswachstum, eine umfangreiche militärische Modernisierung und neue Einflusssphären – schon vor Trump war für Washington klar, dass Chinas Aufstieg die amerikanische Vormachtstellung im Asien-Pazifik-Raum herausfordert. Seit mehreren Jahren beansprucht China immer selbstbewusster große Teile des Süd- und Ostchinesischen Meers. Im Konflikt mit US-Schützling Taiwan will Beijing eine „Wiedervereinigung“ mit dem chinesischen Festland. Aber auch jenseits seiner Nachbarschaft gewinnt China an Einfluss. Dank Beijings größtem Prestigeprojekt, der Belt and Road Initiative, sind bereits hunderte Milliarden US-Dollar in den Ausbau eines globalen Infrastruktur-Netzwerks geflossen, das China zum neuen Zentrum des Welthandels machen soll, so wie einst die historische Seidenstraße.

China steht daher seit langem an der Spitze der amerikanischen Bedrohungswahrnehmungen. Bereits unter George W. Bush begann sich der außenpolitische Fokus der USA auf den Asien-Pazifik-Raum zu konzentrieren. Sein Nachfolger Obama hat die Schwerpunktverlagerung mit dem Pivot to Asia dann zur offiziellen Regierungsdoktrin erklärt. Das Ziel: die US-amerikanische Position gegenüber China stärken. Dieser Schwenk macht sich vor allem in militärischer Hinsicht bemerkbar. Seit Mitte der 2000er-Jahre haben die USA ihre Militärstützpunkte in der Region ausgebaut und die Pazifik-Flotte verstärkt.

Für Deutschland ist der drohende „Kalte Krieg“ zwischen den Vereinigten Staaten und China ein Problem. Mehr als ein Drittel der Deutschen sind heute der Meinung, dass enge Beziehungen zu China für die Bundesrepublik wichtiger sind als ein gutes Verhältnis zu den USA. Die meisten China-Fans gibt es unter den 18- bis 34-jährigen. Fast die Hälfte von ihnen, etwa 46 Prozent, erwartet politisch mehr von Beijing als von Washington. Die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen geben allen Grund für diese Einschätzung. Mit einem Außenhandelsumsatz von rund 206 Milliarden Euro war China in 2019 bereits das vierte Mal in Folge Deutschlands wichtigster Handelspartner, noch vor den USA.

Deutschland steht deshalb vor einem großen Dilemma. Unter Biden ist keine Kurswende in der US-amerikanischen China-Politik zu erwarten. Berlin muss damit rechnen, dass die Vereinigten Staaten von ihren deutschen Verbündeten verlangen werden, sich auf ihre Seite zu stellen. Deutschland muss sich auf die Frage gefasst machen: Are you with us or are you against us? Unterstützt Deutschland die US-amerikanische China-Politik oder nicht?

Die Debatte über den chinesischen Konzern Huawei als 5G-Ausrüster in Deutschland hat gezeigt, wie solch politischer Druck aus den USA aussehen kann. Anfang 2019 warnte Trumps Außenminister Mike Pompeo die Bundesrepublik, dass die USA nicht länger Geheimdienst-Informationen mit Deutschland teilen würden, sollte Huawei das deutsche 5G-Netz aufbauen helfen. So ein Verhalten muss Deutschland auch in der Zukunft von den USA erwarten – unter Biden sicherlich mit freundlicheren Worten, aber nicht weniger bestimmt.

Die China-Frage wird sich auch als der eigentliche Knackpunkt für die Zukunft der Nato entpuppen. Früher oder später werden die USA von ihren Bündnispartnern Loyalität für das US-Engagement im Asien-Pazifik-Raum einfordern. Nur eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent wird es mittelfristig nicht tun. Was Berlin daher so schnell wie möglich braucht, ist eine strategische Debatte. Wie will Deutschland sich sicherheitspolitisch positionieren? Wenn es weiterhin Teil des US-Schutzschirms sein möchte, muss es seine China-Beziehungen überdenken.

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