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Robert Habeck über den Alltag eines Spitzenpolitikers »Heute Morgen habe ich Müsli mit Wasser gegessen, ohne Scheiß«

Ein vernachlässigtes Privatleben, Zweifel am Regieren – in einem TV-Porträt des SPIEGEL-Autors Markus Feldenkirchen gibt Grünenchef Robert Habeck Einblicke in die Ampelverhandlungen und die Härten der Politik.
Grünenchef Habeck mit SPIEGEL-Autor Markus Feldenkirchen

Grünenchef Habeck mit SPIEGEL-Autor Markus Feldenkirchen

Foto: Ulrich Bentele / WDR

Wie schnell eine Regierung von der Wirklichkeit überholt werden kann, zeigt sich manchmal in einem Satz. »Die Wirklichkeit hat sich geändert: Delta-Variante«, sagt der Grünenchef und designierte Vizekanzler Robert Habeck. Deshalb sei er jetzt für eine Impfpflicht. Ohne Zögern antwortet er auf die Frage, ob er so einer Pflicht im Kampf gegen Corona im Bundestag zustimmen würde: »Ja.«

Doch zu dem Zeitpunkt, an dem das Gespräch für die WDR-Dokumentation »Konfrontation – Markus Feldenkirchen trifft Robert Habeck« geführt wurde, hätte Habecks Satz eigentlich so lauten müssen: »Die Wirklichkeit hat sich geändert: Omikron-Variante.«

Vieles deutet darauf hin, dass diese neue Mutante sehr viel ansteckender ist als die Delta-Variante oder extrem effektiv Immunisierung umgeht – oder beides. Und dass die Welt und damit auch die neue Bundesregierung vor einer ganz neuen Aufgabe steht.

Habeck hat seiner Partei immer wieder ins Gewissen geredet, sich keine Illusionen zu machen, was es bedeutet zu regieren. Jede Krise werde dann die Krise der Grünen sein, jede Pandemie, jeder Krieg, jede Notlage, jede harte Entscheidung. Er hat auch stets die Notwendigkeit vorausschauender Politik betont.

Dass er in diesem Moment von Delta spricht, bestätigt einerseits seine Warnung an die Partei – die Krisen überschlagen sich schon, bevor die Regierung im Amt ist. Zugleich ahnt man in diesem einen Moment, wie schwer es fällt, aus diesem Wissen Politik zu machen.

Die WDR-Produktion, die am Montagabend in der ARD ausgestrahlt wurde (und hier in der Mediathek  zu sehen ist), zeigt anschaulich, dass das selbst für einen wie Habeck gilt, der sich viele Gedanken über die Möglichkeiten, Grenzen und Zwänge von Politik macht. In einer Szene fahren der Grünenchef und SPIEGEL-Autor Feldenkirchen am Abend nach der Vorstellung des Koalitionsvertrags im Auto, laufen dann noch einige Meter zusammen. Im Auto sagt Habeck: »Man fragt sich ja manchmal: Wie kannst du nur so doof sein, regieren zu wollen?«.

Und weiter: »Die Aufgaben sind so riesengroß, und es wird so viel Ärger geben, und ich werde meine Familie so wenig sehen und so ins Fadenkreuz geraten.«

Habeck schildert kurz darauf, wie sein Leben während der Verhandlungen aussah: »Seit zehn Tagen habe ich nicht mehr abgewaschen. Der Müll ist nicht rausgebracht. Die Milch ist alle. Heute Morgen habe ich Müsli mit Wasser gegessen, ohne Scheiß.« So ist das Leben in der Politik auch. Nicht eben glamourös.

»Man fragt sich ja manchmal: Wie kannst du nur so doof sein, regieren zu wollen?«

Robert Habeck

Das sagt ein Politiker, der vor einigen Monaten im SPIEGEL-Gespräch  über sich gesagt hat: »Ich bin ein Mann der Exekutive.«

Später im Film ordnet Habeck diese Szene auch selbst ein. Die Szene habe nur eine Seite gezeigt. »Es ist ein Privileg«, sagt er über die Chance, Minister zu werden. »Wenn man ausbricht und mal so redet wie beispielsweise ich übermüdet am Anfang des Filmes, riskiert man viel.« Da werde man gleich gefragt: Will der gar nicht regieren? »Das war überhaupt nicht der Sinn. Ich habe einfach mal nur kurz nicht als Politiker geredet, sondern als ein müder Robert.«

Ein müder Robert, der womöglich künftig seltener zu sehen sein wird. »Man wird zu einem anderen Menschen«, sagt Habeck über das Leben als Amtsträger. Wird es den bisherigen Robert Habeck künftig noch geben, fragt Feldenkirchen. »Keine Ahnung«, sagt Habeck.

Die Strategie ging nicht so auf wie erhofft

Bemerkenswert ist auch, was Habeck über die Koalitionsverhandlungen erzählt. »Da haben sich schon Leute auch aneinander festgebissen und dann auch, nachdem sie gemerkt haben, wie sie einander reizen können, immer weitergemacht.« Draußen habe es immer geheißen, die Grünen verhandelten so soft. Drinnen habe es auch so ausgesehen: »Du fetzt dich gerade, die Türen knallen, du drohst mit Abbruch.«

Auch, weil ein zentraler Teil von Habecks Strategie nicht so funktionierte, wie erhofft – was er ebenfalls offen einräumt. »Grüne und FDP machen das mal miteinander klar, und wir vertragen uns und lassen die SPD auflaufen, hat sich im Detail dann nicht als besonders gut bewährt«, sagt Habeck.

In den ersten Runden der Sondierungsgespräche wirkte es, als spielten SPD und CDU gar keine Rolle, als klärten Grüne und FDP untereinander, wer Kanzler wird. Von einer grün-gelben Zitruskoalition war die Rede, als deren Architekt Habeck galt. In den Koalitionsverhandlungen selbst aber verschoben sich die Rollen. Auch aus Sicht vieler Grüner rückten SPD und FDP näher zusammen.

So, dass die Grünen am Ende sogar das Verkehrsministerium der FDP überlassen mussten. Warum genau, darüber rätseln vor allem Grüne noch immer. Ein Teil der Antwort lautet wohl: Weil FDP und SPD sich untergehakt hatten.

Einen anderen Teil der Antwort gibt Habeck im Film: »Wir haben uns halt entschieden, Annalena Baerbock und ich, im Kern in den Bereichen, wo der Koalitionsvertrag die progressivste Agenda ausbuchstabiert, da zu versuchen, die Ressorts zu bekommen. Und im Verkehrsbereich, das ist ja zuzugeben, haben wir uns auf ein paar ganz gute Dinge geeinigt. Bei anderen Sachen sind wir, würde ich sagen, unter dem eigentlich gesellschaftlich Notwendigen und Erwarteten ein bisschen zurückgeblieben.«

Das Interview- und Porträtformat »Konfrontation – Markus Feldenkirchen trifft Robert Habeck« ist in der ARD-Mediathek hier  abrufbar.

jos