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Ausland Terror im Iran

Ahmadinedschad entging nur knapp dem Tod

Die Dschundullah richten ihre Gefangenen vor laufender Kamera hin Die Dschundullah richten ihre Gefangenen vor laufender Kamera hin
Die Dschundullah richten ihre Gefangenen vor laufender Kamera hin
Quelle: Florian Flade
Im Iran tobt ein Anti-Terror-Krieg, von dem im Westen kaum Notiz genommen wird. Militante Extremisten der Provinz Belutschistan bomben für Autonomie. Ihr jüngster Anschlag tötete 31 Menschen, darunter Kommandeure der Revolutionsgarden. Das Regime in Teheran bekämpft den Terror mit Folter.

Abdul Malik Rigi ist mit 26 Jahren bereits Irans Staatsfeind Nr.1. Für die einen ist er ein bereits mehrfach totgesagter Freiheitskämpfer, der sich einer rassistischen Diktatur widersetzt. Für die anderen ist er ein skrupelloser Terrorist, an dessen Händen das Blut vieler Unschuldiger klebt. Das Regime in Teheran sieht in dem schmächtigen Belutschen einen religiösen Fanatiker, vergleichbar mit den Kämpfern der al-Qaida und der Taliban, und macht ihn für die größten Terroranschläge der vergangenen Jahre verantwortlich. Seinen Ruf erwarb sich Rigi, als er seinen eigenen Schwager vor laufender Kamera köpfte, weil dieser angeblich Informationen über die Gruppe an den iranischen Geheimdienst weitergegeben habe

Rigi gehört zu einem der einflussreichsten sunnitischen Stämme der ost-iranischen Provinz Sistan-Belutschistan. Er besuchte Religionsschulen in Pakistan und führt seit 2003 die militante Separatistenbewegung Dschundullah an.

Dschundullah, wörtlich „Brigade Gottes“, führt einen blutigen Terrorkrieg gegen den iranischen Staat und dessen Sicherheitskräfte. Bei einem verheerenden Selbstmordanschlag auf die paramilitärische Revolutionsgarden im Iran töteten sie am Sonntag mindestens 31 Menschen. Unter den Toten waren auch sechs Kommandeure der Gardisten. Weitere 28 Menschen wurden bei dem Blutbad in der Provinz Sistan-Balutschistan im Südosten des Landes verletzt.

Die Gruppierung verfügt nach Aussagen ihres Anführers Rigi über lediglich 200 aktive Kämpfer, meist junge Männer aus den ärmlichen Gegenden im Südosten des Iran. Sie fordern mit Waffengewalt die Gleichberechtigung und Autonomie für die ethnische Minderheit der iranischen Belutschen. Ziele des Kampfes von Dschundullah sind die Repräsentanten des schiitischen Gottesstaates, die Sicherheitskräfte, Polizei, Militär und Politiker. Über 400 iranische Soldaten, so behaupten die sunnitischen Rebellen, seien von ihnen in den vergangenen sechs Jahren getötet worden.

Iranischen Angaben zufolge soll Dschundullah mehr als 1000 Mitglieder stark sein und über weitreichende Kontakte ins Ausland verfügen. Direkte Verbindungen zu den pakistanischen Taliban und dem Terrornetzwerk al-Qaida werden vermutet. Ranghohe Dschihadisten wie der Chefplaner der Terroranschläge vom 11. September 2001, Khalid Sheich Mohammed, ist selbst gebürtiger Belutsche. Er und andere sollen die Kontakte zwischen den Gruppierungen aufgebaut haben.

„Das einzige was wir von der iranischen Regierung fordern, ist, Staatsbürger zu sein. Wir wollen die gleichen Rechte wie die iranischen Schiiten. Mehr nicht“, sagte Dschundullah Führer Abdul Malik Rigi 2008 in einem TV-Interview mit dem arabischen Sender al-Arabiya.

Im Widerspruch dazu stehen die im Internet geäußerten Forderungen der Terrorgruppe. Da ist die Rede von einem “Islamischen Emirat Belutschistan” und einem Freiheitskampf für die sunnitischen Muslime gegen die “iranischen Teufel”. Außerdem finden sich Porträts getöteter „Märtyrer“, Videos vom militärischen Training in den Bergen und Abschiedsbotschaften von Selbstmordattentätern.

In der Vergangenheit übernahm Dschundullah die Verantwortung für die schwersten Terroranschläge auf iranischem Boden. In der Sunniten-Hochburg Zahedan griffen im Februar 2007 Dschundullah-Kämpfer einen Bus der Revolutionsgarden an und töteten 18 Soldaten.

Kurz vor den Präsidentschaftswahlen am 28. Mai 2009 riss ein Dschundullah-Selbstmordattentäter in einer Moschee in Zahedan 20 Menschen mit in den Tod. Auch damals waren Angehörige des iranischen Militärs unter den Opfern. Irans Innenminister Mahsouli sagte später: „Diejenigen, die diesen Anschlag verübten, sind weder Schiiten noch Sunniten. Sie sind Amerikaner und Israelis.“

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Im Dezember 2005 wurde sogar Irans Präsident Mahmoud Ahmadinedschad Ziel eines Anschlages. Sein Konvoi wurde in der Provinz Sistan-Belutschistan mit Maschinengewehren und Sprengfallen angegriffen, der Präsident überlebte. Das Regime verhängte eine Informationssperre über den Vorfall.

Im Juni 2008 verschleppten Dschundullah-Kämpfer eine Gruppe von 16 iranischen Polizeibeamten nach Pakistan. Im darauffolgenden Dezember teilte Dschundullah mit, die Geiseln seien hingerichtet worden.

Mehrfach forderte das Regime von Teheran die pakistanische Regierung auf, die Aktivitäten der Dschundullah zu unterbinden und ihre Anführer auszuliefern. Bisher erfolglos. Das unkontrollierte, teilweise chaotische Grenzgebiet Belutschistan zwischen Iran und Pakistan, nutzen die Rebellen beinahe ungestört als Rückzugsgebiet und Trainingsstätte.

Im Iran selbst führt der Anti-Terror-Kampf gegen die belutschischen Terroristen zu Hinrichtungen mutmaßlicher Hintermänner der Bombenanschläge. Bis zu 700 Dschundullah-Unterstützer und Mitglieder warteten im März 2007 auf ihre Hinrichtung, sagte der Parlamentsabgeordnete der Provinz Belutschistan, Hussein Ali Shahriari.

Aus iranischer Sicht stecken hinter dem Terrorismus der Dschundullah westliche Staaten und Geheimdienste. In erster Linie seien die USA, Großbritannien und Israel verantwortlich für den Tod der Zivilisten und Militärs bei Dschundullah-Anschlägen.

„Wir sehen den jüngsten Terroranschlag als Ergebnis amerikanischer Aktivitäten“, sagte Irans Parlamentssprecher Laridschani. Das Staatsfernsehen berichtete außerdem „gut informierte Quellen” hätten bestätigt, dass Großbritannien direkt in den jüngsten Selbstmordanschlag involviert gewesen sein sollen.

Der amerikanische Enthüllungsjournalist Seymour Hersh berichtete im Juli 2008, die US-Administration unter Präsident George W. Bush habe einen Antrag an den Kongress gestellt, 400 Millionen US-Dollar für die Unterstützung „anti-iranischer Gruppierungen“ zur Verfügung zu stellen. Nach dem Prinzip „der Feind meines Feindes ist mein Freund“, erklärte Hersh, hätten die USA Gruppen wie Dschundullah finanziell unterstützt. Ziel sei es gewesen, „genug Probleme und Chaos zu provozieren so dass die iranische Regierung den Fehler macht aggressiv darauf zu antworten“. So hätte die Bush-Administration einen „Grund gehabt das Land (Iran) anzugreifen“.

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Dschundullah-Anführer Rigi wies in der Vergangenheit immer wieder Behauptungen zurück, er habe Hilfe aus dem Ausland erhalten. Recherchen des US TV-Journalisten Dan Rather zeigen jedoch, dass besonders die schwedische Gemeinde der Exil-Belutschen Aktivitäten der militanten Gruppierung finanziell unterstützt und für sie wirbt.

Im Internet fanden sich noch im vergangenen Jahr Vermutungen, Dschundullah habe für den Fall eines Krieges der USA gegen den Iran geplant, die gleiche Rolle übernehmen zu können wie die Nordallianz im Afghanistan-Krieg.

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