Krebs im Finanzsystem?

by Dirk Elsner on 12. Januar 2010

B0006421 Breast cancer cells

B0006421 Breast cancer cells Foto: Krebszellen in der Brust: flickr/crafty dame

Kräftige Worte eines Bankers: „Das Finanzsystem hat Krebs” überschreibt das Handelsblatt ein Interview mit Folker Hellmeyer, dem Chefanalysten der Bremer Landesbank. Genau hat er gesagt:

“Unser US-zentrisches Finanzsystem hat weiterhin Krebs. Wir haben gerade einmal geschafft, das Schlimmste durch eine massive Chemotherapie abzuwehren. Jetzt geht es darum, den Finanzsektor nachhaltig zu reformieren. Ein Thema ist die Zerschlagung der Bankenaristokratie. Wir brauchen keine Global Player, die maßgeblich nur die Verantwortung für sich selbst und ihre Aktionäre kennen.”

Zwar ist die Erkenntnis, wie ein Leserkommentar bemerkt, nichts Neues, “aber aus dem Munde eines Bankers sehr löblich.” Und ich füge hinzu, diese Form der Branchenselbstkritik ist auch überraschend, denn seit dem Fall von Lehman ist nur wenig Selbstkritik der Branche an die Öffentlichkeit gedrungen. Aussagen beschränkten sich bisher auf allgemeine Floskeln, die niemandem weh taten und dem Geloben von Besserung ohne freilich konkret zu werden.

Deutlich mehr Energie wenden dagegen die Bankenvertreter auf, wenn es darum geht durch Lobbyarbeit staatliche Reglementierungen abzuwenden. Von eigenen Anstrengungen zur Erneuerung ist derweil nicht viel zu spüren, wie jüngst erst wieder die New York Times feststellte.

Kommen wir zurück zur Krankheit Krebs für das Finanzsystem, die eine folgenreiche Diagnose darstellt. Offenbar zeugen solche Äußerungen davon, dass die Chemotherapien in Form staatlicher Garantien, Zwangskapitalisierungen und Bad Banks nur unzureichend angeschlagen haben. Dafür sprechen die aus dem Finanzsektor selbst kommenden Darstellungen. So hat vor einigen Wochen die bisher von Schieflagen befreite NordLB vorsorglich angekündigt, sie fürchte ein schweres Jahr 2010. Und ausgerechnet die Deutsche Bank warnte vor deutschen Bankaktien:

„Wir würden vor allem die deutschen und die französischen Banken meiden, da sie Risiken von Seiten des Kapitals, der Refinanzierung und der Komplexität aufweisen,“ zitiert die FTD aus einer nicht öffentlich verfügbaren Studie der Bank.

Tatsächlich ist eine Sofadiagnose schwer zu erstellen, denn die Institute gestatten der Öffentlichkeit trotz der direkten und indirekten staatlichen Milliardenunterstützung nur sporadische Blick in ihre Organe. Es bestehen allerdings zu Recht weiter erhebliche Zweifel am Gesundheitszustand des Bankwesens.  Vermutet werden weiterhin Risiken aus toxischen Papieren sowie aus Wertberichtigungen auf Kredite.

Von Erneuerungen sind die Institute weiter meilenweit entfernt. Dazu zitierte die SZ in der vergangenen Woche Paul Volcker, Paul Volcker, den früheren Chef der US-Notenbank. Der sagte nämlich jüngst, die einzige sinnvolle Finanzinnovation der vergangenen Jahre, die ihm einfalle, sei der Geldautomat.

Es bleibt also fraglich, ob der Krebs im Finanzsystem tatsächlich terapierbar ist oder ob das Finanzsystem das Schicksal der meisten Krebspatienten teilt, die früher oder später doch ihrem Leiden selbst nach zwischenzeitlicher Heilung erliegen. In wenigen Tagen werden wir anhand der Bulletins in Form von (vorläufigen) Jahresabschlüssen wieder mehr über die Selbstdiagnosen der Finanzbranche erfahren.

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