Digitale Exzellenz
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KI @ China: Wie das Fernost-Facebook das Gesundheitswesen revolutioniert

, 24. Oktober 2018

Lesezeit: 6 Minuten

KI @ China: Wie das Fernost-Facebook das Gesundheitswesen revolutioniert

Chinas medizinische Versorgung ist, salopp gesagt, verbesserungswürdig: wenig qualifizierte Ärzte, viele Patienten und eine ungerechte Ressourcenverteilung. Der Konzern Tencent hat sich zum Ziel gesetzt, das bröckelnde Gesundheitswesen im Reich der Mitte zu revolutionieren und setzt dabei in erster Linie auf Künstliche Intelligenz.

Nach einem Einblick in zwei künstlich intelligente Sicherheitsprojekte Chinas behandelt Teil 2 der dreiteiligen Serie über KI im Reich der Mitte den Gesundheitssektor. Hier hat sich ein ursprünglich als Social Network gestartetes Tech-Unternehmen als digitaler Marktführer im Gesundheitswesen etabliert.

Als Hintergrund sollte man wissen: Chinas medizinische Versorgung spielt sich primär in Krankenhäusern ab. Hausärzte, wie wir sie in Deutschland kennen, sind rar. Oftmals wird der Arztbesuch zur Tortur: Krankenhäuser sind überfüllt, die Wartezeiten lang und die Ärzte oftmals unzureichend qualifiziert. Die Ressourcen des primären Versorgungssystems werden in China zudem schlecht verteilt.

Während es in den USA durchschnittlich 2,6 und in Deutschland durchschnittlich 4,2 Ärzte pro 1000 Einwohner gibt, kommen in China 1,8 Mediziner auf 1.000 Menschen (Stand 2015/2016). Und das, obwohl die Anzahl der Patienten rasant ansteigt. Prognosen gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2020 mehr als 800.000 Chinesen an Lungenkrebs erkranken werden, viele davon aufgrund der Umweltverschmutzung und der hohen Raucherraten. Das zeigt: Chinas Gesundheitssystem braucht dringend einen Wandel.

Tencents Rolle in Chinas Gesundheitssystem

Tencent, das größte Social-Network-Unternehmen Chinas, mit einer Milliarde Nutzer auf seiner App WeChat, der „App für Alles”, und 632 Millionen aktiven Nutzern auf seinem sozialen Netzwerk Qzone, hat den Ehrgeiz und die Fähigkeit, so einen Wandel umzusetzen. Über Instant Messaging hinaus bietet Tencent auch Dienstleistungen, wie mobiles Zahlen (WeChat Pay), Cloud-Speicher, Live-Streaming, Bildung, Sport, Filme sowie einen digitalen Assistenten und Künstliche Intelligenz an.

Derzeit haben mehr als 38.000 medizinische Institutionen WeChat-Konten, 60 Prozent davon erlauben es auch, Termine online zu vereinbaren. Zusätzlich akzeptieren bereits mehr als 2.000 Krankenhäuser WeChat Pay als Zahlungsmethode. Diese Dienstleistungen ermöglichen es Tencent, hochwertige Verbraucherdaten zu sammeln, um seine KI-Algorithmen intensiv zu trainieren. Seit 2014 hat das Unternehmen massiv in die Gesundheitsbranche investiert und sich darauf konzentriert, dort KI-betriebene Systeme zu integrieren. Einige dieser Investitionen in gesundheitsbezogene Produkte und Dienstleistungen sind im Folgenden dargestellt.

Tencents eigene Plattformen:

  1. WeChat Smart Hospital Service (2015)
    Eingeführt in der Stadt Guangzhou, kann dieses KI-System den Patienten Empfehlungen geben, bevor sie im Krankenhaus ankommen und ihnen dabei helfen, Termine zu vereinbaren und Zahlungen über WeChat Pay durchzuführen. Das intelligente Diagnosesystem hilft Ärzten sogar dabei, Medikamente zu verschreiben. WeChat Smart Hospital Service wird bereits von über 1.000 chinesischen Krankenhäusern verwendet.
  2. Tencent Doctorwork (2015)
    Gegründet von Tencent und einigen weiteren Unternehmen, dient dieses Internet-Startup für medizinische Dienstleistungen als eine Plattform, die Online-Ressourcen in Offline-Arztpraxen integriert. Dieses Geschäftsmodell ähnelt dem der privaten Arztpraxen im Westen, in dem der Allgemeinmediziner Familien eine lebenslange Gesundheitsversorgung bietet.
  3. AI Medical Innovation System (AIMIS oder Miying, 2017)
    Das KI-integrierte Miying-Gesundheitssystem startete im Jahr 2017. Es unterstützt medizinische Fachkräfte dabei, verschiedene Arten von Krebs zu diagnostizieren und Gesundheitsakten zu analysieren und zu verwalten. Das Gerät führt endoskopische Untersuchungen in weniger als vier Sekunden durch und stellt beispielsweise frühen Speiseröhrenkrebs mit 90 Prozent Genauigkeit fest. Das Gerät wird zur Diagnose von Lungenknoten, Diabetes, Fundus Läsionen und anderen Krankheiten angewendet. Miying wird aktuell in mehr als 100 Krankenhäusern verwendet und ist zum nationalen KI-Maßstab im Bereich Medizin geworden.

Investments in Startups:

  1. We Doctor ($500M investiert, 2014 & 2015)
    Dieses Tech-Einhorn funktioniert als eine intelligente medizinische Plattform, die unter anderem Dienstleistungen, Terminvereinbarung, Online- und medizinische Beratung anbietet. Sein Maschine-Learning-Algorithmus verwendet gesammelte Kundendaten, um eine personalisierte Anzeige für den Nutzer zu erzeugen und Medikamente, Nahrungsergänzungsmittel sowie Ernährungstipps zu geben.
  2. iCarbonX ($155M investiert, 2016)
    iCarbonX zielt ab auf eine personalisierte digitale Darstellung, um die Medizin individuell zu perfektionieren. Das Start-up ist aktuell in China, Amerika und Israel vertreten und kennt seine Kunden in- und auswendig, mitsamt ihrer DNA, Pheromone, Enzyme sowie Proteine. Insgesamt wird eine vollständige digitale Darstellung vom biologischen Selbst verwirklicht.
  3. Haodaifu ($200M investiert, 2017)
    Haodf.com besitzt und betreibt ein Gesundheitssozialnetzwerk, das Informationen von Krankenhäusern und Arztpraxen bietet, um Patienten bei der Suche nach geeigneten Ärzten zu helfen.
  4. Atomwise ($45M investiert, 2018)
    Ein Biotechnologie-Unternehmen, das Deep Learning und ein neuronales Netzwerk verwendet, um neue Medikamente zu entdecken und Wirkstoffkandidaten für Pharmaunternehmen, Start-ups und Forschungseinrichtungen vorherzusagen.
  5. XtalPi ($20M investiert, 2015 & 2018)
    Ebenfalls ein Biotechnologie-Unternehmen, dass die Entdeckung und Entwicklung von Medikamenten durch Quantenmechanik, KI und hochleistungsfähige Cloud-Computing-Algorithmen beschleunigt.

Partnerschaften und Joint Ventures:

  1. Babylon Health (U.K, 2018)
    Diese KI-Gesundheits-App bietet ihren über eine Millionen Nutzern Zugriff auf einen kostenlosen virtuellen Assistenten, der dazu in der Lage ist, Symptome zu überprüfen. Außerdem können die User kostenpflichtige Video-Sprechstunden mit Ärzten wahrnehmen. Durch die Partnerschaft können die Nutzer von WeChat ihre medizinischen Symptome direkt an die Babylon App schicken, die dann wiederum Gesundheitsberatung und Handlungsanweisungen gibt.
  2. Medopad (U.K., 2018)
    Medopad bietet eine mobile App, die es Ärzten erlaubt, ihre Patienten aus der Ferne zu überwachen und Analysen zu erstellen, um die Versorgung zu verbessern.
  3. Tencent Doctorwork + Trusted Doctors (2018)
    Das Joint Venture Tencent Trusted Doctors wird aus insgesamt 33 Kliniken in 8 Städten bestehen und somit das größte private medizinische Netzwerk Chinas werden, das off- und online Dienstleistungen bietet.
  4. Nature Research (U.K., 2018)
    Die strategische Partnerschaft zwischen Tencent AI Lab und Nature Research zielt darauf, interdisziplinäre Forschung in der KI-betriebenen Medizin und Kooperationen zwischen Industrie und Wissenschaft im Bereich KI zu fördern.

Ärzte verlassen sich stark auf ihre Wahrnehmungssinne, wie das Sehen und Hören, um Symptome von Patienten zu sammeln und einzuschätzen. Um den Mangel an qualifizierten Ärzten anzugehen, werden KI-Technologien wie Computer Vision und Natural Language Processing eingesetzt, damit der komplette Vorgang – von der Terminvereinbarung bis zur Diagnose und von der Behandlung bis zur Nachsorge – effizienter wird. Technologien, die auf Künstlicher Intelligenz beruhen, sind ideal für diesen Zweck. Es bleibt spannend zu sehen, wo Tencent das Gesundheitssystem Chinas hinführt.

Weitere genutzte Quellen in englischer und chinesischer Sprache:

http://www.gov.cn/zhengce/content/2017-01/10/content_5158488.htm

https://www.scmp.com/business/china-business/article/2154514/tencent-backed-health-care-platform-wedoctor-shrugs-bear

https://www.ft.com/content/40fae194-381d-11e8-8eee-e06bde01c544

http://www.gov.cn/zhengce/content/2017-01/10/content_5158488.htm

Foto: Getty Images / Photographer is my life.