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Überwachungsprogramm Prism Innenpolitiker fordert ein deutsches Google

Aufgeschreckt durch Berichte über das NSA-Spähprogramm Prism sehen deutsche Innenpolitiker einen Ausweg in eigener, alternativer Technologie. Bürokraten sollen "europäische Angebote" schaffen fordert etwa Dieter Wiefelspütz - und ein zweites Google oder Facebook erfinden.
Kommunikationsüberwachung (Symbolbild): Abhörsicher durch nationale Dienste?

Kommunikationsüberwachung (Symbolbild): Abhörsicher durch nationale Dienste?

Foto: Arne Dedert/ dpa

Der Skandal um das amerikanische Spähprogramm Prism hinterlässt viele deutsche Politiker ratlos. Niemand weiß, auf welche Daten die amerikanische NSA (National Security Agency) wirklich zugreifen kann, welche Daten sie wie auswertet. Nur, dass der Geheimdienst offenbar Zugriff auf Daten hat, die bei amerikanischen Anbietern wie Google, Microsoft und Facebook gespeichert sind, ist klar. Doch nicht einmal wie oft und auf welche Weise dort Informationen abgegriffen werden, ist sicher.

In ihrer Verzweiflung ob dieser Unsicherheit ziehen einige deutsche Politiker jetzt die nationale Karte. In der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" ("FAS") fordert Hans-Peter Uhl (CSU): "Damit die Kommunikation unseres Staates und unserer Unternehmen kein amerikanischer und erst recht kein chinesischer oder russischer Dienst mitlesen kann, müssen wir unsere eigene Kommunikationstechnik aufbauen."

Ganz ähnliche Ideen hat Dieter Wiefelspütz von der SPD: "Wenn Washington die Marktmacht amerikanischer Unternehmen in der Internetbranche missbraucht, dann müssen wir angemessene Alternativen schaffen." Angesichts der Berichte über Prism müsse man sich unabhängig machen. "Wir brauchen europäische Angebote", sagt der Politiker.

Um die zu errichten, werde man viel Geld in die Hand nehmen müssen, glaubt Uhl. Ein dreistelliger Millionenbetrag werde wohl in die deutsche IT-Sicherheit investiert werden müssen. Diesem Vorschlag schließt sich auch die "FAS" an, als sie postuliert, dass Europa alternative Systeme für die Internetsuche und sozialen Netzwerke schaffen müsse. "Das braucht Subventionen", heißt es im Feuilleton der Zeitung.

Wer will so was haben?

Aber kann man mit Geld wirklich ein staatliches Google und ein europäisch reguliertes Facebook schaffen? Keine Frage, möglich ist das. Nur, ob solche Dienste von den Anwendern genutzt würden, muss man bezweifeln.

Heute populäre Angebote wie Google, Facebook und Twitter sind gerade deshalb so groß geworden, weil sie eben nicht staatlich finanziert und von Bürokraten reguliert, durchgeplant und entwickelt wurden. Stattdessen konnten sie sich, weitgehend unbeeinflusst von begrenzenden Regeln, langsam selbst erfinden.

Der Markt macht's

Und dabei wurden sie von den Mechanismen des freien Marktes getrieben. Google beispielsweise musste seine Suchalgorithmen immer mehr verfeinern, seine Angebote verbessern und sich vor allem den Wünschen seiner Kunden anpassen, um sich gegen Konkurrenten wie Altavista und Yahoo durchzusetzen.

Einem staatlich, womöglich gar europäisch, geschaffenen und reguliertem Angebot dürfte das schwerfallen. Zu langsam mahlen die Mühlen der Bürokratie, zu unflexibel wären staatliche Vorgaben, um mit dem heutigen Innovationstempo Schritt halten zu können. Das wäre, als würde man versuchen ein eigenes Windows XP zu entwickeln, während Microsoft schon Windows 8.1 vorbereitet. Was dabei am Ende herauskommt, würde niemand freiwillig benutzen wollen.

Negativbeispiel De-Mail

Wie schlecht so etwas funktioniert zeigt der Fall De-Mail. Nach Richtlinien vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und einem entsprechenden Gesetz entwickelt, soll die deutsche E-Mail-Alternative rechtssicheren digitalen Datenverkehr zwischen Behörden, Bürgern und Unternehmen gewährleisten.

Tatsächlich aber benutzt kaum jemand das System. Computerexperten kritisieren die nicht durchgängige Verschlüsselung der Nachrichten, De-Mails sind nicht kompatibel zu E-Mails und ihre Nutzbarkeit endet an der Staatsgrenze. Eine sichere Kommunikation mit Behörden ist mit dem System bisher kaum möglich und auch nicht sinnvoll, weil es bei den Behörden keine elektronischen Akten gibt. So gut die Idee rechtsverbindlicher elektronischer Nachrichten ist, so kläglich ist De-Mail bisher an der Realität gescheitert.

Hoffnung auf den Staatsbesuch

Ebenso richtig ist auch die Forderung nach mehr Sicherheit gegenüber Spähversuchen ausländischer Geheimdienste. Doch ein Staats-Google kann nicht die Lösung für dieses Problem sein.

Vor allem aber gilt es, erst einmal herauszufinden, wie tief die amerikanischen Geheimdienstler wirklich in den Daten deutscher Web-User schürfen können. Entsprechende Anfrage deutscher Politiker an US-Kollegen haben bisher keine befriedigenden Antworten erbracht.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) erhofft sich nun Aufklärung von US-Präsident Barack Obama, der kommende Woche in Berlin zu Besuch ist. "Wir sollten erstmal miteinander darüber reden, was wirklich stattfindet", sagte Westerwelle im Deutschlandfunk.

Bleibt abzuwarten, wie viel Obama verraten will und verraten darf.