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"Stuttgart 21": Protest gegen Abrissarbeiten

Foto: Franziska Kraufmann/ dpa

"Stuttgart 21" Baden-Württemberg vergab fragwürdigen Millionenauftrag

Um den umstrittenen Bahnhofsumbau "Stuttgart 21" zu retten, hat sich Baden-Württemberg einen merkwürdigen Auftrag geleistet: Nach Informationen des SPIEGEL zahlt das Land seit 2001 viele Millionen an die Deutsche Bahn - für Zugverkehr, der noch gar nicht gebraucht wird.

Das Land Baden-Württemberg hat im Jahr 2001 nach Informationen des SPIEGEL der Deutschen Bahn einen fragwürdigen Auftrag über mehrere hundert Millionen Euro zugeschanzt, um das umstrittene Verkehrsprojekt Stuttgart 21 zu retten. Beteiligt war auch Ministerpräsident Stefan Mappus, damals politischer Staatssekretär im Verkehrsministerium und zuständig für den Regionalverkehr.

In Stuttgart ist das Projekt hochumstritten: Zehntausende Bürger haben am Freitag gegen den 4,1 Milliarden Euro teuren Umbau demonstriert. Sie berufen sich unter anderem auf ein Gutachten für das Umweltbundesamt (UBA), nach dem der aufwändige Umbau "von geringem verkehrlichen Nutzen" sei. Am Morgen hatten Polizisten den Beginn der Abrissarbeiten am Nordflügel des Bahnhofs geschützt, vier Sitzblockierer wurden weggetragen.

Ende 1999 hatte eine Wirtschaftlichkeitsberechnung der Bahn ergeben, dass 344 Millionen Mark für den geplanten Riesenumbau des Hauptbahnhofs fehlten. Die Verlegung des Stuttgarter Bahnhofs in 32 Kilometer lange Tunnel unter der Erde sowie eine neue Trasse nach Ulm gelten als das größte Infrastrukturprojekt Europas. Kostendeckend wäre das Projekt nur, wenn Baden-Württemberg regionalen Zugverkehr bezahlen würde, der teilweise erst nach Fertigstellung des Großprojekts gebraucht würde.

Zu diesem "Mehrverkehr" heißt es in dem Vertragsentwurf zwischen Land und Bahn nach Informationen des SPIEGEL: "Das Land wird rd. 1,45 Millionen Zugkm/a, die ursprünglich nach Fertigstellung von Stuttgart 21 eingeführt werden sollten, möglichst bereits ab dem Fahrplanwechsel 2001 bei der DB Regio AG für die Dauer von 10 Jahren bestellen." Als Preis wurden rund sieben Euro pro Kilometer vereinbart. Dazu kamen unter anderem 200 Millionen Mark für neue Züge. Der Vertrag wurde leicht modifiziert 2001 abgeschlossen und gilt bis 2016.

Die Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg, für die Bestellungen bei der Bahn zuständig, räumt einen Zusammenhang der Zahlungen mit dem Projekt Stuttgart 21 ein - der zusätzliche Zugverkehr sei aber nicht nur bestellt worden, um die Wirtschaftlichkeit des Projekts zu verbessern.

Mappus damaliger Vorgesetzter, der ehemalige Verkehrsminister Ulrich Müller, weist eine unzulässige Verknüpfung zwischen Stuttgart 21 und bestellten Bahnkilometern zurück; er habe "für das Land das Beste herausgeholt". Mappus selbst lässt erklären, er habe nur an der "Schlussverhandlung teilgenommen, nicht aber an Vorgesprächen in den monatelangen komplexen Vorbereitungen auf Arbeitsebene".

Derartige Geschäfte hält der Düsseldorfer Wettbewerbsrechtler Clemens Antweiler für unzulässig: "Das ist nur eine kaschierte Subvention für die Deutsche Bahn."

ore