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Schäuble lehnt Anhebung von Hartz-IV-Sätzen ab

"Spätkapitalistischer Irrsinn", der Außenminister ein "Esel" – während die Diskussion über die Hartz-IV-Äußerungen von FDP-Chef Westerwelle weitere Runden dreht, versucht Finanzminister Schäuble (CDU) zum Kern des Themas zurückzukehren: mit einem strikten Nein zu einer Erhöhung der Hartz-IV-Bezüge.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat sich gegen höhere Hartz-IV-Sätze ausgesprochen. „Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich nicht gesagt, die Hartz-IV-Sätze seien unzureichend“, sagte Schäuble der „Frankfurter Rundschau“.

Auf die Frage, ob er damit höhere Leistungen für Langzeitarbeitslose ausschließe, antwortete Schäuble: „Ich glaube, Sie haben mich nicht falsch verstanden.“ Er erwarte jedenfalls keine Auswirkungen des Urteils auf den Bundeshaushalt.

Deutlich warnte der Finanzminister vor einer Ausweitung des Sozialstaates. „Wir dürfen den Grundgedanken von Hartz IV nicht aus den Augen verlieren: Die notwendigen Sozialleistungen dürfen die Aufnahme von Arbeit nicht unattraktiv machen“, sagte Schäuble. Nach seinen Angaben gibt der deutsche Staat pro Jahr eine Billion Euro für Sozialleistungen aus, 12.500 Euro pro Kopf.

Auch der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende im Bundestag, Michael Fuchs (CDU), rechnet nach dem Karlsruher Hartz-IV-Urteil nicht mit einer Erhöhung der Regelsätze für Langzeitarbeitslose.

Den Verfassungsrichtern sei es bei ihrem Urteilsspruch nicht um mehr Geld gegangen, sagte Fuchs der „Rheinpfalz am Sonntag“. Vielmehr sei es dem Gericht um eine differenziertere Darstellung der staatlichen Unterstützung angekommen. Das gelte vor allem für die Bezüge der Kinder von Hartz-IV-Empfängern, die künftig nicht mehr pauschal an Werten der Erwachsenen gemessen werden dürften.

Bei der Umsetzung des Urteils muss nach den Worten von Fuchs weiter das Lohnabstandsgebot eingehalten werden. „Es kann nicht sein, dass die Hartz-IV-Bezüge eine Höhe erreichen, dass sich eine Beschäftigung im Niedriglohnbereich nicht mehr lohnt“, warnte der CDU-Wirtschaftsexperte.

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, wies Kritik von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Hartz-IV-Urteil zurück. Der Erste Senat verlange nicht stets eine Einzelfallprüfung, sagte Papier. De Maizière hatte gesagt: „Das Urteil zeigt eine problematische Tendenz hin zu einer übertriebenen Einzelfallbetrachtung statt zu einer vernünftigen Pauschalierung.“

Papier betonte: „Eine typisierende und pauschalierende Regelung durch den Gesetzgeber hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich für zulässig gehalten.“ Verlangt werde in dem Urteil aber, dass die Regelleistungen, die der Gesetzgeber festsetzt, „in einem transparenten, einleuchtenden und sachgerechten Verfahren bestimmt werden“.

Die festgestellten verfassungsrechtlichen Mängel beträfen vor allem die Vorgehensweise des Gesetzgebers bei der Bemessung der Regelleistungen. „Darin sehe ich gerade keine Aussage dergestalt, dass wir stets eine Einzelfallprüfung verlangen“, sagte der scheidende Gerichtspräsident.

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Allerdings müsse der Gesetzgeber für atypische Lagen, die einen dauerhaft höheren Bedarf offenbaren, eine Härtefallklausel vorsehen. „Eine solche Klausel war dem bisherigen Sozialhilferecht immer schon immanent“, unterstrich der Gerichtspräsident. Wegen der engen tatbestandlichen Voraussetzungen müsste eine solche Härtefallregelung aber „die Ausnahme“ sein.

Der Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, kritisierte die Äußerungen von FDP-Chef Guido Westerwelle zu Hartz IV („spätrömische Dekadenz“ - Der volle Wortlaut hier) energisch. „Die Wortwahl ist diffamierend. Das ist nicht akzeptabel“, sagte Glück der „Passauer Neuen Presse“. „Herr Westerwelle scheint eine Möglichkeit gesucht zu haben, sinkenden Umfragewerten durch eine solche pauschale Polemik entgegenzuwirken“, sagte der ZdK-Präsident.

Der ehemalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler sagte WELT ONLINE: „Die spätrömische Dekadenz bestand darin, dass die Reichen nach ihren Fressgelagen sich in Eselsmilch gebadet haben und der Kaiser Caligula einen Esel zum Konsul ernannt hat. Insofern stimmt Westerwelles Vergleich: Vor 100 Tagen ist ein Esel Bundesaußenminister geworden."

Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Brigitte Pothmer, machte bei Westerwelle „spätkapitalistischen Irrsinn aus“. Der „Neuen Presse“ aus Hannover sagte Pothmer, Westerwelle leide unter einem kompletten Realitätsverlust. „Er steht mit dem Rücken an der Wand, hat lausige Umfragewerte und ist inzwischen sogar in der eigenen Partei umstritten. Deswegen drischt er auf Hartz-IV-Empfänger ein.“

ddp/dpa/omi

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