Hat Ihnen auch schon mal vor dem Montag gegraut? Haben Sie da einen Moment lang den Nachbarn beneidet, der gerade keinen Job hat und deshalb gemütlich ausschlafen kann? Natürlich ist es für ihn finanziell etwas enger, deshalb möchte man nicht wirklich mit ihm tauschen. Aber ansonsten führt er doch ein schönes Leben. Er genießt, frei nach Helmut Kohl, den »Freizeitpark Deutschland«.

Halt! Schon der Altkanzler hat sich geirrt. Wer Arbeit hat, freut sich auf den nächsten Urlaub, die »schönste Zeit des Jahres«. Und er setzt Arbeitslosigkeit insgeheim mit immerwährendem Urlaub gleich. Doch tatsächlich können wir unsere Freizeit nur dann genießen, wenn sie irgendwann ein Ende hat.

Die Arbeit steht im Zentrum unseres Lebens. Nicht nur, weil sie Geld bringt: Sie stiftet Sinn und Identität. Durch sie dürfen wir uns als nützliche Mitglieder der Gesellschaft fühlen. Wir brauchen sie, um glücklich zu sein – und sei es auch nur als Kontrast zur Freizeit, die wir ohne diesen Gegenpol nicht genießen könnten. Wer seine Arbeit verliert, hat nichts mehr zu erzählen, ihm droht die gesellschaftliche Isolation. Der Jobverlust belastet die Psyche und wird zur Gefahr für die Gesundheit.

Und doch, so scheint es, wissen wir unseren Job häufig nicht zu schätzen. Das amerikanische Meinungsforschungsinstitut Gallup Organization hat 2009 deutsche Arbeitnehmer zu ihrer Motivation befragt. Demnach machen 67 Prozent ihren Dienst nach Vorschrift, jeder Fünfte hat gar innerlich gekündigt. Nur 13 Prozent sind mit Begeisterung bei der Sache.

Noch deutlicher ist die Studie Gute Arbeit des Deutschen Gewerkschaftsbundes, die das Internationale Institut für empirische Sozialökonomie erstellt hat: 32 Prozent der Deutschen finden ihren Arbeitsplatz »schlecht«. Und das quer durch alle Branchen und Hierarchiestufen. Als Begründung nannten sie – neben der Belastung, dem mangelnden Respekt der Vorgesetzten und der niedrigen Bezahlung – die fehlende Sicherheit ihres Arbeitsplatzes. Diese Sicherheit gibt es heute immer seltener. Jeder Zweite, der einen neuen Job antritt, bekommt nur noch einen befristeten Vertrag . Das schürt die Angst, die Stelle wieder zu verlieren . Mehr als die Hälfte der betroffenen Menschen fühlt sich dadurch psychisch unter Druck gesetzt, hat die Bertelsmann Stiftung festgestellt.

Bereits die Angst vor der Arbeitslosigkei t kann Menschen krank machen. Der Zustand von immer wieder prekär Beschäftigten ist kaum besser als der von Langzeitarbeitslosen, aber wesentlich schlechter als der von Menschen mit einem sicheren Job. Die fortwährende Sorge um den Arbeitsplatz ist so belastend, dass es den Menschen sogar erst einmal wieder besser geht, wenn sie ihren Job dann tatsächlich verlieren. Zu dieser überraschenden Erkenntnis kommt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Nur: Je länger dann die Arbeitslosigkeit dauert, desto tiefer rutschen sie wieder ab.

Da ist es besonders tragisch, dass der Arbeitsmarkt so vielen keine Chance mehr bietet. 1982 bezeichnete der damalige Kanzlerkandidat Helmut Kohl eine Million Arbeitslose als untragbar. Inzwischen sind wir froh, wenn dieses Jahr weniger als vier Millionen Menschen ohne Job dastehen. Dass es jemals wieder so etwas wie Vollbeschäftigung geben könnte, erscheint unwahrscheinlicher denn je. In der globalisierten Wirtschaft werden Arbeitsplätze von einem Billiglohnland ins nächste verlegt. Und Soziologen wie der Amerikaner Jeremy Rifkin postulieren bereits das »Ende der Arbeit«, bedingt durch die zunehmende Automatisierung.

Kaum jemandem wird es künftig noch gelingen, eine Stelle auf Lebenszeit zu bekommen. Die meisten werden zwischendurch immer wieder, mal kürzer, mal länger, arbeitslos sein. Wir werden lernen müssen, damit umzugehen . Insofern ist Ihr arbeitsloser Nachbar so etwas wie die gesellschaftliche Vorhut. Er wird angefeindet und zum Schmarotzer erklärt. Dabei steht er vor der schweren Aufgabe, ein neues Lebensmodell zu entwickeln.