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"Mashup. Lob der Kopie" Kopierer sind Künstler

Lieder, Videos, Texte, erstellt aus Schnippseln von Werken anderer: Dirk von Gehlen feiert in seinem Buch die Remix-Kultur des Internets, die durch veraltete Gesetze in Gefahr ist.

Ist das noch echt - oder schon eine Kopie? Wenn eine junge Autorin sich bei einem Blogger im Internet bedient, wenn Musiker über den Track eines anderen Komponisten rappen, wenn Fotos zu Collagen montiert werden - was unterscheidet ein schändliches Plagiat von einem anerkannten Kulturbeitrag?

Diesen Fragen widmet sich Dirk von Gehlen, Chefredakteur von jetzt.de. Er hat sich der Kulturgeschichte der Kopie angenommen und will sie von ihrem schlechten Ruf befreien. Denn zunehmend wird diese kulturelle Praxis kriminalisiert und technisch erschwert. Von "Raubkopieren" ist dann die Rede, von kriminellen Tauschbörsen, von Kampagnen wie "Kopien brauchen Originale". Man könnte meinen: Kopieren ist Teufelszeug.

Mit "Mashup. Lob der Kopie" will Gehlen den Gegenbeweis antreten und nimmt dafür dem genialen Original ein bisschen von seinem Glanz. Sein Buch ist selbst ein Mashup, eine Collage aus Erkenntnissen, Anekdoten, Zitaten und Interviews mit Menschen, die sich mit dem Kopieren als Kulturtechnik beschäftigen.

Das Buch ist ein lesenswertes Plädoyer für den Erhalt und Ausbau einer Remix-Kultur - auch wenn es im ersten Kapitel mit Fußball einsteigt. Während es im englischen Sprachraum bereits eine Reihe von lesenswerten Büchern dazu gibt, allen voran von Lawrence Lessig, ist Vergleichbares auf Deutsch immer noch Mangelware.

Gehlen lobt den schöpferischen Wert des Kopierens, das mit dem Internet einfacher als je zuvor geworden ist. Die Kehrseite: Wer mit Kultur, mit Musik und mit Texten sein Geld verdient, kann sich kaum mehr dagegen schützen, dass sein Werk kopiert wird. Ein Problem, das Gehlen in seiner Bestandsaufnahme zwar anspricht - aber letztlich nicht lösen kann. Keineswegs wolle er Urheberrechtsverletzungen rechtfertigen, schreibt er. Nur ist kreatives Kopieren so, wie das Urheberrecht derzeit aussieht, ohne Bruch dieses Gesetzes in vielen Fällen nicht zu haben.

Doch wir werden künftig noch an vielen Stellen mit der Frage nach Kopie und Original konfrontiert. Mehr Wissen um dieses Wechselverhältnis und die geschichtlichen Wurzeln des Urheberrechts können wir dafür gut gebrauchen. Wenn in der Debatte um die Remixkultur dann in Zukunft etwas trennschärfer zwischen Diebstahl und Inspiration unterschieden wird, dann hätte diese selbsternannte Streitschrift schon genug geleistet.

"Mashup" ist gespickt mit massiv vielen Fußnoten und einem Glossar, der auf über 50 Seiten so ziemlich alle Fachbegriffe der Debatte aufdröselt. Man könnte das Buch eigentlich ein zweites Mal lesen, indem man nur die Anmerkungen beachtet. Ehrlicherweise muss man allerdings sagen, dass eine interaktive Website viel passender für das Thema gewesen wäre - jedenfalls hätte sich dadurch der Lesespaß deutlich erhöht. Immerhin ein persönliches Best-of remixter Lieder stellt Gehlen in sein Blog .