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Museumsraub in Griechenland: Griff ins Herz von Olympia

Foto: Dimitris Papaioannou/ AP

Museumsraub in Griechenland Attacke aufs Herz von Olympia

Mit Kalaschnikows bewaffnete Gangster haben ein Museum im antiken Olympia überfallen und Kunstschätze von unschätzbarem Wert geraubt. Die Empörung in Griechenland ist groß. Ist der rigide Sparkurs der Regierung Ursache des Coups?
Von Ferry Batzoglou

Um 7:33 Uhr schlugen die beiden Vermummten zu. Gerade hatte die junge Museumswächterin zu Dienstbeginn die Alarmanlage des Museums der Olympischen Spiele im antiken Olympia ausgeschaltet. Mit Kalaschnikow-Handfeuerwaffen bedrohten sie die Angestellte des Kulturministeriums."Wo sind die Goldstücke?", fragten sie."Gold? Das haben wir hier nicht."

Dann ging alles ganz schnell.

Die Eindringlinge trugen Militäruniformen, sie fesselten die Wachfrau an eine Statue, knebelten sie und zerschlugen mehrere Vitrinen, in denen sich antike Ausstellungsstücke befanden. Sie entwendeten mehr als 60 kleine und kleinste Statuen aus Kupfer und Ton. Nach übereinstimmenden Berichten griechischer Medien befindet sich auch ein Goldring unter den Beutestücken. Er sei bei Ausgrabungen in dem Ort Antheia in der Region Messinien im Südwesten des Peloponnes gefunden worden. Archäologen und Ermittler erfassen derzeit, welche Stücke dem Museum fehlen.

Nach wenigen Minuten suchten die Täter zu Fuß das Weite. Die griechische Polizei geht davon aus, dass sie anschließend mit einem Auto flüchteten. Offenbar kannten sie sich in der dünn besiedelten Region auf der Halbinsel Peloponnes rund 300 Kilometer westlich der Hauptstadt Athen gut aus. Eine sofort eingeleitete Großfahndung der Polizei blieb bislang jedenfalls ohne Erfolg.

"Das Ereignis macht uns tief betroffen. Ein sehr wichtiger Teil des griechischen und globalen Kulturerbes ist verloren gegangen", klagte der Bürgermeister von Olympia, Thimios Kotzias.

"Einige Desperados glauben wohl, dass sie damit Geld verdienen werden"

Das Museum an der Ursprungsstätte der Olympischen Spiele befindet sich am Ortsrand. Wichtigstes Museum von Olympia ist das Archäologische Museum. Es ist besser bewacht als das Museum der Geschichte der Spiele. Letzteres war zu den Sommerspielen 2004 in Athen restauriert und neu eröffnet worden. Die Sammlung in dem von deutschen Architekten entworfenen Gebäude befasst sich mit der Geschichte der Olympischen Spiele im antiken Griechenland.

Die Ausstellungsstücke stammen aus dem Zeitraum vom 2. Jahrtausend vor Christi Geburt bis zum 5. Jahrhundert nach Christi Geburt. Das Gros befand sich ursprünglich im Zeustempel im Antiken Olympia. Auf insgesamt sieben Sälen verteilt sind verschiedene Exponate zu sehen. Zur Ausstellung gehören der nackte Gott Hermes aus der Zeit um 330 vor Christus, ein Teil des Schatzhauses von Megara oder der Helm des Miltiades. Auch eine drei Meter hohe Marmorfigur gehört in das Museum. Ursprünglich stand die Figur auf einem Sockel vor dem Zeustempel.

Einige Beobachter sehen Kriminelle am Werk, die nicht nur Profit schlagen, sondern das krisengeschüttelte Griechenland gezielt destabilisieren oder gar umstürzlerische Aktivitäten verfolgen wollten. "Einige Desperados glauben wohl, dass sie damit Geld verdienen werden. Sie irren", erklärte Nikos Xidakis, renommierter Kulturredakteur der Athener Tageszeitung "Kathimerini". Die geklauten Ausstellungsstücke hätten zwar einen unschätzbaren historischen und symbolischen Wert. "Sie sind aber genauestens erfasst, beschrieben und fotografiert worden. Ganze Generationen von Archäologen sind daran ausgebildet worden. Sie sind faktisch unverkäuflich."

"Das ist das Ergebnis der rigorosen Sparpolitik"

Dennoch sei dieser Raub keinen Zufall, so Xidakis. Fest steht: Seit knapp 20 Jahren hat es in Griechenland nicht mehr einen derart schwerwiegenden Raub in Museen mit antiken Ausstellungsstücken gegeben. Bis 1993 wurden 14 Diebstähle, darunter in den Museen auf den Inseln Paros, Rhodos und Santorin gezählt. Die Polizei hielt einen Raub in antiken Museen für unwahrscheinlich. Die Begründung: Die Ausstellungsstücke seien mittlerweile ausnahmslos in Internet-Katalogen erfasst und dokumentiert. Daher sei ein Verkauf an Sammler im Ausland unmöglich.

Die Annahme der Polizei wurde heute widerlegt.

Griechenlands Museumswächter haben jedenfalls eine etwas differenziertere Sicht der Dinge. "Das ist das Ergebnis der rigorosen Sparpolitik, die von Griechenlands öffentlichen Geldgebern, der Troika, diktiert wird", sagte Jannis Mavrikopoulos von der Griechischen Museumswächter-Vereinigung. Es gebe kein Geld für die geeignete Bewachung der Museen und antiken Stätten. "Wir haben vor den Folgen des dramatischen Personalmangels schon vor geraumer Zeit gewarnt. Wir brauchen 4000 Wächter, haben aber nur die Hälfte."

Den Finger in die Wunde legte auch die Gewerkschaft der Angestellten im Kulturministerium. "Seit eineinhalb Jahren bemühen wir uns um ein Treffen mit der Ministeriumsspitze, um genau dieses Thema, die Bewachung der Museen, zu erörtern - ohne Erfolg. Die gesamte politische Führung des Kulturministeriums muss zurücktreten", hieß es dazu in einer offiziellen Mitteilung.

Kulturminister Pavlos Geroulanos bot Premier Loukas Papademos wenige Stunden nach Bekanntwerden des Diebstahls im Antiken Olympia zwar seinen Rücktritt an. Bis zum Abend jedoch lag keine Entscheidung in der Personalie vor. Geroulanos ist seit Oktober 2009 im Amt. Er ist ein enger Vertrauter des sozialdemokratischen Ex-Premiers Georgios Papandreou. Dessen Partei stützt den parteilosen Premier Papademos.

nga/AP/AFP