Über die Romantik - Die blaue Blume, das Sinnbild der Romantik


 


"Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe." - Ricarda Huch

Als Erster verwendete Novalis (Friedrich von Hardenberg 1772-1801) das Symbol der Blauen Blume in seinem fragmentarischen Roman "Heinrich von Ofterdingen" (veröffentlicht 1802).

Dieser philosophische Künstlerroman, der in der Tradition der großen Bildungsromane, vor allem in Auseinandersetzung mit Wilhelm Meister, entstanden ist thematisiert den (poetischen) Weg des Menschen "nach innen", damit aber gleichzeitig in die Unendlichkeit.

Die blaue Blume verkörpert wie kein anderes Motiv die Suche der Romantiker nach einem Zentrum, nach einer inneren Einheit, nach Unendlichkeit. Sie wurde zum  Hauptsymbol der romantischen, ins Unendliche gerichteten Sehnsucht sowie der romantischen Dichtung und Malerei überhaupt.

Sie repräsentiert etwas, was schwierig zu erreichen ist; eine Sehnsucht, die man nicht aussprechen kann. Die Blaue Blume ist ein Sinnbild für etwas, was man nicht rational verstehen kann. Um seine Sehnsucht jedoch zu stillen, ist es nötig, dieses Unerreichbare zu erreichen.

Die blaue Blume kann verschiedene Bedeutungen haben. In Heinrich von Ofterdingen repräsentiert die blaue Blume die Liebe. Sie liegt in der Mitte von anderen Blumen und ist die einzige, die licht blau ist. In dieser Blume schwebt ein zartes Gesicht - dieses Gesicht ist die Liebe. Wenn man die Blume findet, findet man auch die Liebe. Die Blume ist eine Repräsentation von einer noch unbekannten Geliebten. Als reales Vorbild für die blaue Blume wird oft die Kornblume angesehen.

Bedeutung von blau

Blau ist die Farbe von grenzenlosen Dingen - die Farbe des Wassers und die Farbe des Himmels. In vielen Landschaftsmalereien kann man diese Grenzenlosigkeit sehen. Himmel und Erde (Wasser) kommen zusammen bis sie eins werden - wir wissen nicht, wo das eine beginnt und das andere aufhört. Die beiden reflektieren einander auch, so dass wir das eine in dem anderen sehen können. Blau ist auch die Farbe von entfernten Bergen, die von der Luft gefärbt werden. Schließlich sind die blauen Berge (wie die blaue Blume) ein Symbol für die Sehnsucht.

Die blaue Blume in "Heinrich von Ofterdingen"

Im Roman "Heinrich von Ofterdingen" träumt der Held von einer blauen Blume, einer Mischung aus Pflanze, Mensch und gutem Geist, die ihn mit einer großen Sehnsucht erfüllt:

"Eine Art von süßem Schlummer befiel ihn, in welchem er unbeschreibliche Begebenheiten träumte, und woraus ihn eine andere Erleuchtung weckte. Er fand sich auf einem weiten Rasen am Rande einer Quelle, die in die Luft hinaus quoll und sich darin zu verzehren schien. Dunkelblaue Felsen mit bunten Adern erhoben sich in einiger Entfernung; das Tageslicht, das ihn umgab, war heller und milder als gewöhnlich, der Himmel war schwarzblau und völlig rein. Was ihn aber mit voller Macht anzog, war eine hohe lichtblaue Blume, die zunächst an der Quelle stand und ihn mit ihren breiten, glänzenden Blättern berührte. Rund um sie her standen unzählige Blumen von allen Farben, und der köstlichste Geruch erfüllte die Luft. Er sah nichts als die blaue Blume und betrachtete sie lange mit unnennbarer Zärtlichkeit. Endlich wollte er sich ihr nähern, als sie auf einmal sich zu bewegen und sich zu verändern anfing; die Blätter wurden glänzender und schmiegten sich an den wachsenden Stengel; die Blume neigte sich nach ihm zu, und die Blütenblätter zeigten einen blauen, ausgebreiteten Kragen, in welchem ein zartes Gesicht schwebte."

Heinrich ist angeregt und beunruhigt durch diesen Traum und macht sich Heinrich auf in die Welt, um die Ursprünge seiner Sehnsucht zu suchen.

"(...) Der Jüngling lag unruhig auf seinem Lager, und gedachte des Fremden und seiner Erzählungen. Nicht die Schätze sind es, die ein so unaussprechliches Verlangen in mir geweckt haben, sagte er zu sich selbst; fern ab liegt mir alle Habsucht: aber die blaue Blume sehn' ich mich zu erblicken. Sie liegt mir unaufhörlich im Sinn, und ich kann nichts anders dichten und denken. So ist mir noch nie zu Muthe gewesen: es ist, als hätt' ich vorhin geträumt, oder ich wäre in eine andere Welt hinübergeschlummert; denn in der Welt, in der ich sonst lebte, wer hätte da sich um Blumen bekümmert, und gar von einer so seltsamen Leidenschaft für eine Blume hab´ ich damals nie gehört. (...)"

Auf seiner Reise in die Ferne blickt er auf einer Anhöhe gleichzeitig zum Ziel seiner Reise und zurück in seine Heimat:

"Er sah sich an der Schwelle der Ferne, in der er oft vergebens von den nahen Bergen geschaut, und die er sich mit sonderbaren Farben ausgemalt hatte. Er war im Begriff, sich in ihre blaue Flut zu tauchen. Die Wunderblume stand vor ihm, und er sah nach Thüringen, welches er jetzt hinter sich ließ mit der seltsamen Ahndung hinüber, als werde er nach langen Wanderungen von der Weltgegend her, nach welche sie jetzt reisten, in sein Vaterland zurückkommen, und als reise er daher diesem eigentlich zu."

Die blaue Blume ist somit Symbol des Aufbruchs zur Erfüllung von Sehnsüchten und aber auch Symbol des Findens des eigenen, persönlichen Glücks und Lebenssinnes. Der gleichzeitige Blick nach vorne und zurück ermöglicht dem Betrachter geistige Reflexion über das Vergangene im Hinblick auf die Zukunft. In Augsburg begegnet Heinrich Mathilde und entdeckt beim Anblick ihres Gesichts einen Zusammenhang mit seinem Traum:

"Ist mir nicht zumute wie in jenem Traume, beim Anblick der blauen Blume? Welcher sonderbare Zusammenhang ist zwischen Mathilden und dieser Blume? Jenes Gesicht, das aus dem Kelche sich mir entgegenneigte, es war Mathildens himmlisches Gesicht..."

In Mathildes Gesicht entdeckt Heinrich das Seelenbild eines Menschen, das er schon immer zu lieben glaubte. Die Verbindung zwischen der Symbolik der blauen Blume und Mathildes Gesicht kann auch als die Sehnsucht nach Einigkeit und Verbundenheit mit der Natur verstanden werden. Mathilde stirbt, doch Heinrich bleibt sich über den Tod hinaus seiner Liebe und damit seiner Sehnsüchte treu.

Andere Dichter und die blaue Blume

Joseph Freiherr von Eichendorff schrieb ein Gedicht über "Die blaue Blume". Auch bei Ludwig Tieck erscheint die blaue Blume als Sinnbild tiefer Sehnsucht. Adelbert von Chamisso meinte, im Harz die "blaue Blume der Romantik" gefunden zu haben. Und Goethe suchte vor allem in Italien seine "Urpflanze", die in einigen Deutungsbereichen der "blauen Blume" entspricht.