Kommentar
Attentat von Christchurch: Das Internet hat richtig reagiert

Die Online-Community hat nach dem Attentat in Neuseeland korrekt gehandelt, indem sie das Video eines der Schützen nicht weiterverbreitet hat, findet Raffael Schuppisser.

Raffael Schuppisser
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Raffael Schuppisser

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Das Abscheuliche am Attentat von Christchurch ist nicht nur, dass der Täter Dutzende Menschen einfach niedergeschossen hat. Sondern auch, dass er die Tat live auf Facebook gestreamt hat. Dafür trug er eine dieser Helmkameras, die derzeit gerade bei Skifahrern so beliebt sind. Jeder soll ihm beim Morden in der Moschee aus der Ich-Perspektive zusehen können. «Wie in einem Videospiel», schrieben die Online-Portale. Wobei der Vergleich natürlich hinkt, da er verharmlost: Das ist kein Spiel, sondern leider die brutale Realität.

Realität ist auch, dass wir damit leben müssen, dass Attentäter soziale Medien missbrauchen, um für ihre Taten möglichst grosse Aufmerksamkeit zu erheischen. Auch mit der Livestream-Funktion. Verhindern lässt sich das nicht. Absurderweise ist es schwieriger, auf Facebook eine nackte Brust zu posten als ein Attentat mit Dutzenden Toten. Im ersten Fall greift der Zensurfilter sofort, da Nacktheit in jeder Form auf dem Netzwerk verboten ist. Im zweiten Fall erkennt der Filter nicht, ob es reale oder fiktive Gewalt ist. Eine technische Lösung dafür gibt es nicht.

Umso wichtiger ist es, dass die Internet-Community bei solchen abscheulichen Videos richtig reagiert und sie unter keinen Umständen weiterverbreitet. In ähnlichen Fällen – etwa beim Terroranschlag auf den Club Bataclan – waren Videos mit Tötungsszenen noch lange auf Twitter zu sehen. Teils wurden sie auch von den Boulevard-Medienportalen gezeigt.

Das Video des Attentäters von Christchurch konnte der gewöhnliche Internet-Nutzer am Freitagmorgen kaum mehr finden. Das Portal Liveleak, das so ziemlich alles zeigt, was geschmacklos ist, stellte nur eine kurze Anfangssequenz ohne Opfer online. Und wer das Video auf dem beliebten Portal Reddit suchte, fand vor allem Warnungen, dass sofort gebannt wird, wer einen Link zum Video postet.

So ist es richtig. Technisch lässt sich das Internet nicht sauber halten. Es braucht dazu Menschen mit einer aufrichtigen Einstellung, die zeigen, dass wir abscheuliche Videos nicht dulden. Gerade in Zeiten, in denen solche unfassbaren Attentate passieren, tut es gut, zu sehen, dass die (Internet-)Gesellschaft vielleicht doch nicht so schlecht ist, wie man meinen könnte.