Günstiges Fleisch dank Subventionen: Wie der Bund umweltschädigenden Konsum fördert

Die Landwirtschaft ist vom Prinzip der Kostenwahrheit weit entfernt. Vier Fünftel der staatlichen Stützung fliessen in die tierische Produktion, welche die Ökologie am stärksten belastet, so das Fazit einer Studie.

David Vonplon
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Landwirte, die umweltgerecht produzieren, würden heute benachteiligt, besagt eine Studie.

Landwirte, die umweltgerecht produzieren, würden heute benachteiligt, besagt eine Studie.

Christian Beutler / Keystone

Für Bio-Gurken zahlen wir im Supermarkt etwa 70 Prozent mehr als für eine konventionelle Gurke. Ein ganzes Bio-Poulet kostet gar mehr als doppelt so viel wie eines aus herkömmlicher Mast. Anstoss an diesen Preisunterschieden nehmen wir Konsumenten nicht. Die ökologische Produktionsweise – eine artgerechte Tierhaltung und der weitgehende Verzicht auf Pflanzenschutzmittel und Dünger – verteuert die Bio-Lebensmittel. Das leuchtet uns ein.

Man könnte es jedoch auch ganz anders sehen. Denn die konventionelle Produktion belastet die Umwelt stärker als die Bio-Produktion. Würde die Politik dafür sorgen, dass die Umweltschäden vom Verursacher bezahlt werden müssen, würden die Bioprodukte plötzlich preislich viel besser abschneiden – womöglich gar besser als viele konventionell produzierte Nahrungsmittel.

Verursacher zahlen nur die Hälfte der Kosten

Doch mit der Kostenwahrheit tut sich die Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft schwer. Beim Verkehr weist der Bund seit Jahren die Kosten aus, welche die Nutzer von Strasse, Schiene und Luftfahrt verursachen, sich aber nur unvollständig im Preis niederschlagen: die Schäden an Natur und Landschaft etwa, die Luftverschmutzung oder die Unfälle. Eine vergleichbare Vollkostenrechnung für die Nahrungsmittelproduktion dagegen fehlt.

Die Denkfabrik Vision Landwirtschaft legt nun analog zum Vorgehen des Bundes beim Verkehr eine Publikation vor, in der die Gesamtkosten der Landwirtschaft ausgewiesen werden – und aufgeschlüsselt wird, wer diese trägt. Dabei kommt die Studie zu einem ernüchternden Schluss. Insgesamt übernehmen die Konsumenten bloss gut die Hälfte der Kosten der Landwirtschaft, die sich insgesamt auf 15,9 Milliarden Franken belaufen. Den grossen Rest berappen der Staat – also der Steuerzahler – und die Allgemeinheit, die von den Umweltbelastungen betroffen ist. Als Grundlagen für die Studie dienen offizielle Statistiken des Bundes sowie eigene Berechnungen der externen Kosten der Schweizer Landwirtschaft.

Wie viel die Steuerzahler und die Allgemeinheit drauflegen, unterscheidet sich je nach Produkt stark. Beim Rindfleisch beispielsweise tragen die Konsumenten bloss etwas mehr als ein Drittel der tatsächlichen Kosten. Beim Schweinefleisch sind es immerhin fast zwei Drittel und bei Geflügel und Eiern rund drei Viertel. Auffällig ist, dass die Konsumenten bei pflanzlichen Frischprodukten am meisten selber berappen müssen: Beim Gemüse übernehmen sie 80 Prozent der Kosten, beim Obst gar 90 Prozent.

Wer die Kosten für die Nahrungsmittel trägt

Anteil an den Kosten nach Roherzeugnissen, in Prozent
Konsumenten
Steuerzahler
Allgemeinheit

Ein wesentlicher Grund für diese Verzerrungen ist, dass der Bund die Nahrungsmittelproduktion auf alle erdenklichen Arten finanziell stützt: Beiträge vom Bund gibt es für Zuckerrüben und verkäste Milch ebenso wie für Pestizidspritzgeräte, Fleischwerbung und die Entsorgung von Schlachtabfällen. Dazu kommen laut Vision Landwirtschaft die ökologischen Schäden, die beispielsweise durch Pestizide, Ammoniak- oder Treibhausgasemissionen entstehen und nicht vom Verursacher, sondern von der Allgemeinheit getragen werden müssen.

Da diese Kosten nicht auf dem Markt abgegolten werden, berechnen die Studienautoren ihre Höhe anhand der Ausgaben, die der Bund tätigt, um Umweltschäden zu vermindern. Aus den Beiträgen des Bundes für pestizidfreie Ackerkultur leiten sie etwa ab, dass die Umwelt- und Gesundheitskosten des Pestizideinsatzes 1200 Franken pro Hektare betragen. Durch Multiplikation der behandelten Fläche ergeben sich die gesamten externen Kosten des Pestizideinsatzes.

Analog dazu werden auch die externen Kosten infolge von Ammoniak- und Treibhausgasemissionen bewertet. Insgesamt betragen die Umweltschäden, welche auf die Landwirtschaft zurückgehen, gemäss der Bewertung von Vision Landwirtschaft 3,6 Milliarden Franken. Im Vergleich mit anderen Studien sind die Umweltkosten der Landwirtschaft eher konservativ veranschlagt. In einer Studie von Avenir Suisse werden sie gut doppelt so hoch ausgewiesen.

Die Landwirtschaft kostet 15,9 Milliarden Franken

Aufgeteilt nach den Kostenträgern
Konsumenten
Steuerzahlende
Allgemeinheit

Die Ergebnisse der Studie sind für die anstehenden agrarpolitischen Entscheide brisant: Sie zeigen auf, dass just jene Teile der Agrarwirtschaft, bei denen die Belastung für Natur und Gesundheit am grössten ist, am meisten Bundesgelder erhalten. Die Produktion tierischer Nahrungsmittel, welche die Hälfte der Kalorienproduktion ausmacht, verursacht gut drei Viertel der Umweltbelastungen. Sie erhält vom Bund indessen viermal so viele Subventionen wie die Produktion pflanzlicher Nahrungsmittel. Die mehreren hundert Millionen Franken, die der Bund zur Eindämmung von Umweltschäden ausgebe, seien vor diesem Hintergrund nicht mehr als Schadensbegrenzung, so das Fazit der Studie.

Nicht der Konsument ist schuld

Die Missachtung des Verursacherprinzips und fehlgelenkte Subventionen führen laut den Autoren der Studie dazu, dass nachhaltig produzierte Güter zu teuer sind. «Wenn Bohnen oder Vegi-Burger mehr kosten als Poulet oder Hackfleisch, kommt nachhaltiges Konsum- und Produktionsverhalten einem Schwimmen gegen den Strom gleich», sagt Felix Schläpfer, der als Professor an der Fachhochschule Kalaidos in Zürich lehrt. Die in Landwirtschaftskreisen beliebte Sichtweise, dass das Problem bei den Konsumenten liege, die nicht bereit seien, für nachhaltige Produkte mehr zu bezahlen, greift laut Schläpfer deshalb zu kurz.

Die Förderung von umweltschädigenden Konsum- und Produktionsmustern steht auch im Widerspruch zu offiziellen Zielen und Strategien des Bundes. Gemäss der Schweizer Ernährungsstrategie werden hierzulande zu viel Fleisch sowie zu viele fettreiche Milchprodukte wie Butter und Rahm konsumiert und zu wenig Getreideprodukte, Kartoffeln, Hülsenfrüchte und Gemüse. Zugleich dürfte die Landwirtschaft ihr Klimaziel nur erreichen, wenn weniger Fleisch und Milch produziert und namentlich der Rindviehbestand reduziert wird.

Bauernverband hält Studie für unseriös

Der Bauernverband kann den von der Vision Landwirtschaft erhobenen Zahlen zur Kostenwahrheit wenig abgewinnen. Die Kosten der Landwirtschaft seien schon früher mit anderen Methoden berechnet worden. Dabei seien die Studien auf ganz andere Zahlen gekommen. «Das zeigt, dass bei vielen untersuchten Punkten die Datengrundlage in der nötigen wissenschaftlichen Seriosität fehlt», sagt die Sprecherin Sandra Helfenstein. Die Studie lege den Fokus auf die Kosten und sei dort sehr grosszügig mit den Berechnungen. Der Nutzen der Landwirtschaft dagegen werde ausgeblendet.

Vision Landwirtschaft fordert dessen ungeachtet vom Bund, einer nachhaltigen Landwirtschaft nicht länger Milliarden an Steuergeldern in den Weg zu stellen. Dazu brauche es einen Masterplan, dessen Horizont über die vierjährigen Etappen der Agrarpolitik hinausgehe und der mit den offiziellen Zielen und Strategien des Bundes in den Bereichen Umwelt, Klima, Gesundheit und Ernährung eng koordiniert werde.

Der von Vision Landwirtschaft propagierte Abbau von Subventionen, die an die tierische Produktion gebunden sind, dürfte derweil ebenso auf Widerstand stossen wie die vorgeschlagenen Abgaben auf Kraftfutter, importierte Futtermittel und Pestizide. Dass dabei auch importierte Nahrungsmittel längerfristig mit Abgaben belegt werden sollen, um eine Benachteiligung der einheimischen Produktion zu verhindern, dürfte an der breiten Opposition der Bauern gegen die Vorschläge nur wenig ändern.