Christchurch als Erdogans Wahlschlager

Politik / 24.03.2019 • 14:30 Uhr / 3 Minuten Lesezeit
 Treffen im Hagley Park in Christchurch zum Gedenken der 50 ermordeten Muslime. AFP
Treffen im Hagley Park in Christchurch zum Gedenken der 50 ermordeten Muslime. AFP

Türkischer Präsident beschwört Schreckgespenst der Islamophobie.


ANKARA, CHRISTCHURCH Der türkische Machthaber Recep Tayyip Erdogan hat am Freitag in Istanbul vor dem Außenministerrat der islamischen Weltorganisation OIC zum Kampf gegen die abendländische Islamophobie aufgerufen. Diese beruhe auf “Feindseligkeit gegenüber dem Islam und Hass auf Muslime”. Die jüngsten Morde in zwei neuseeländischen Moscheen dürften nicht isoliert von diesem ihrem Nährboden verurteilt werden.

Dieses Auftreten Erdogans war der bisherige Höhepunkt einer innenpolitischen und diplomatischen Kampagne, mit der das Staatsoberhaupt am Bosporus den Anschlag von Christchurch für seine Zwecke missbraucht: Die Führungsrolle von Ankara in der islamischen Welt und einen Sieg der Regierungspartei AKP bei den am 31. März bevorstehenden Kommunalwahlen in der Türkei.

Erdogan bei einer Wahlkundgebung: "Das darf niemals der Fall sein." AFp
Erdogan bei einer Wahlkundgebung: “Das darf niemals der Fall sein.” AFp

Sofort nach dem Massenmord in Neuseeland pflückte Erdogan aus dem “Manifest” des Attentäters dessen Forderung heraus, dass die Hagia Sophia von Istanbul wieder zur Kirche werden müsse. “Das darf niemals der Fall sein”, rief Erdogan von einer Wahlkundgebung zur anderen. Darauf wurde ihm mit tosendem Jubel geantwortet, Sprechchöre skandierten darüber hinaus die Forderung, das einst größte Gotteshaus der Christenheit, das zur Zeit ein Museum ist, wieder zur Moschee wie zwischen 1453 und 1934 zu machen. Das ist eine Forderung der diesmal mit seiner AKP zu einer “Volksfront” zusammengeschlossenen Nationalislamisten (MHP).

Tarrants “Kreuzfahrerprogramm”

Erdogan nimmt die Bluttat von Brenton Tarrant und dessen “Kreuzfahrerprogramm” zum Anlass, um das Thema Haghia Sophia als Wahlkampfargument für den kommunalen Urnengang hochzuspielen. Bisher hatte Istanbul zwar mit knapper Mehrheit einen AKP-Oberbürgermeister – Erdogan war das selbst in den 1990er-Jahren, doch regiert in vielen Bezirken der 15-Millionen-Stadt die erklärt säkulare Opposition der Republikanischen Volkspartei (CHP).

Auch außenpolitisch versucht die türkische Führung aus Christchurch für ihre Ziele Kapital zu schlagen. Gerade in diesem Moment, wo das Europäische Parlament den Verhandlungen mit der Türkei über deren EU-Beitritt eine Absage erteilt hat. So schickte Erdogan seinen Vize Fuat Oktay und Außenminister Mevlüt Cavusoglu nach Neuseeland. Sie nahmen dort an den islamischen Trauerfeierlichkeiten teil, machten aber auch die gesamte christliche Welt wegen ihrer angeblich “provokativen Muslimfeindschaft” für die Verbrechen von Christchurch mitverantwortlich.

Demos für die Toten

Das türkische Regimeblatt “Sabah” (Der Morgen) schrieb in seinem Bericht aus Neuseeland: “Für die Toten von Charlie Hebdo sind die Spitzen Europas auf die Straße gegangen. Wo bleibt jetzt ihre Demonstration wegen der Opfer von Christchurch?”