Nach dem Koalitionsbruch hat Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz seinen FPÖ-Innenminister Herbert Kickl vorerst im Amt belassen. Bei einem Statement ging Kurz zunächst nicht weiter auf diesen Punkt ein. Stattdessen kritisierte er die FPÖ und betonte, seine Partei, die ÖVP, unterstütze seinen Kurs voll. "Es gibt die 100-prozentige Unterstützung aller Mitglieder des Parteivorstandes für diesen inhaltlichen Kurs", sagte der 32-jährige Bundeskanzler. Die FPÖ habe "einen falschen Zugang zur Politik".

Eine mögliche Entlassung des Innenministers wäre die logische Konsequenz nach dem Regierungsbruch gewesen. Denn als Innenminister wäre Kickl für die Ermittlungen zuständig. Kanzler Kurz hatte der österreichischen Tageszeitung Kurier gesagt, dass Kickl aber nicht gegen sich selbst ermitteln könne.

Kickl war FPÖ-Generalsekretär, als das Video im Juli 2017 auf Ibiza entstand, das zum Rücktritt von Vizekanzler Heinz-Christian Strache und zum Bruch der ÖVP/FPÖ-Koalition geführt hatte. In dem Video ist zu sehen und zu hören, wie möglicherweise auch illegale Parteispenden an die FPÖ thematisiert werden.

Kurz betonte, dass eine ordentliche Aufklärung des Skandals folgen müsse. Sämtliche Verdachtsmomente auch strafrechtlicher Art müssten vollständig aufgeklärt werden. Dazu sei er mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen in engem Kontakt.

FPÖ-Minister wollen Ämter behalten

Laut der österreichischen Nachrichtenagentur APA wird Kurz an diesem Nachmittag bei Präsident Van der Bellen erwartet. Im Anschluss ist ein Treffen mit Kickl geplant. Denkbar ist, dass Kurz dem Bundespräsidenten vorschlagen wird, Kickl zu entlassen. In Österreich ist es möglich, dass der Präsident auf Vorschlag Minister von ihren Ämtern entheben kann.

Der designierte neue FPÖ-Chef Norbert Hofer und Kickl hatten zuvor deutlich gemacht, dass sie ihre Ämter vorerst behalten wollen. Sollte Kurz aber auf die Entlassung Kickls bestehen, wollten alle FPÖ-Minister zurücktreten. Dazu kam es infolge der Zurückhaltung von Kurz zunächst nicht.

Der Normalzustand sei, dass alle Minister so lange im Amt sind, bis neue vereidigt werden, sagte Kickl. "Ich erwarte mir jetzt eine solide Abwicklung der Übergabe." Der von Kurz geführten ÖVP warf Kickl "kalte und nüchterne Machtbesoffenheit" vor, weil sie der FPÖ offensichtlich das Innenressort wegnehmen wolle.

Oppositionelle kündigen Misstrauensantrag gegen Kurz an

Die oppositionelle Liste Jetzt kündigte für die nächste Nationalratssitzung einen Misstrauensantrag gegen den Kanzler an. Sollte dieser angenommen werden, müsste Van der Bellen jemanden mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragen. "Dann ist der Bundeskanzler Geschichte – und das ist auch gut so", sagte der Gründer der Liste Jetzt, Peter Pilz, dem Sender oe24. Der Kanzler sei der Hauptverantwortliche für die Regierungskrise.

Wann das österreichische Parlament, der Nationalrat, zum nächsten Mal tagt, sollte im Laufe dieses Montags festgelegt werden. Die oppositionelle SPÖ hatte einen Antrag auf Einberufung einer Sondersitzung gestellt. Auch der österreichische Grünen-Europapolitiker Michel Reimon forderte, die Rolle von Bundeskanzler Kurz zu beleuchten.

Ausgelöst hatte die Regierungskrise in Österreich ein von Spiegel und Süddeutscher Zeitung am Freitag veröffentlichtes Video. Darin hatte Vizekanzler und FPÖ-Chef Strache einer angeblichen russischen Oligarchen-Nichte unter anderem öffentliche Aufträge in Aussicht gestellt, sollte sie der FPÖ zum Erfolg bei den Nationalratswahlen 2017 verhelfen. Nach Straches Rücktritt und dem Bruch der Koalition sollen im September Neuwahlen stattfinden.