Verkehr:150 000 Diesel-Autos in München droht ein Fahrverbot

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Auch hier könnte es zu Fahrverboten kommen: Dichter Verkehr schiebt sich über den Mittleren Ring in München. (Foto: dpa)
  • Nach dem Diesel-Urteil wird es jetzt ernst für die Diesel-Fahrer in München.
  • Umweltreferentin Stephanie Jacobs hat ein Szenario entwerfen lassen, wie eine neue Umweltzone aussehen könnte.
  • Übergangsfristen und Ausnahmen kommen vor allem für Anwohner in Betracht.

Von Dominik Hutter

Für Umweltreferentin Stephanie Jacobs ist es derzeit noch ein Gedankenspiel - für Münchens Dieselfahrer jedoch ein ziemlich konkreter Hinweis darauf, was ihnen demnächst blühen könnte. Denn die Stadt will über kurz oder lang die Umweltzone verschärfen, um die Belastung mit Stickstoffdioxid zu verringern. Zwar sieht sich die Kommune selbst nicht am Zug, für den Luftreinhalteplan ist der Freistaat zuständig. Jacobs hat aber schon einmal ein Szenario entwerfen lassen, wie die neue Umweltzone nach den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts aussehen könnte. Demnach müssten rund 150 000 Münchner um ihr Diesel-Auto bangen - darunter allerdings auch viele, die schon heute nicht mehr in die Umweltzone innerhalb des Mittleren Rings einfahren dürfen.

"Wir kommen an einer zonalen Lösung nicht vorbei", lautet die Grundüberzeugung der Umweltreferentin, die sich dabei auf einen Stadtratsbeschluss stützen kann. Soll heißen: Einfach aussitzen geht nicht mehr, die Qualität der abgasgeschwängerten Münchner Luft muss besser werden. Da das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig Verhältnismäßigkeit angemahnt hat und eine Stufenlösung empfiehlt, will Jacobs zunächst nur Euro 4 und schlechter aussperren. Dies betrifft nach den aktuellen Zulassungszahlen 68 182 Pkw mit M-Kennzeichen (ohne Landkreis). Eine echte Einschränkung bedeutet dies jedoch nur für die 49 679 Autofahrer, deren Karosse die Euro-4-Norm erfüllt. Für alle anderen ist die Umweltzone auch heute schon tabu, es gibt in München immerhin noch 760 Diesel mit Euro 0 und 306 Diesel mit Euro 1. Diese Stinker-Oldies verfügen entweder über eine Ausnahmegenehmigung, sind klassische "Garagenfahrzeuge" oder aber ihre Besitzer ignorieren das Plakettengebot. Manche meiden vielleicht auch einfach die Innenstadt. Zu den Pkw kommen noch 14 484 Lastwagen.

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Nimmt man die Regelungen der bestehenden Umweltzone als Blaupause, gäbe es jedoch Übergangsfristen und Ausnahmen - vor allem für Anwohner. 19 412 Diesel-Pkw unterhalb von Euro 5 sind innerhalb der Umweltzone zugelassen, 14 217 davon mit Euro 4. Da eine Nachrüstung dieser Fahrzeuge wohl nicht möglich ist, wären deren Besitzer mögliche Kandidaten für Ausnahmen. Denn die Extrawürste gibt es nur, wenn das Auto nicht mehr für eine bessere Abgasnorm aufgemotzt werden kann. Ob und wann die Umweltzone verschärft wird, weiß Jacobs noch nicht. Ohne den Freistaat, zu diesem Schluss ist die Behörde inzwischen gekommen, kann die Kommune nichts beschließen.

In einer zweiten Stufe könnte es dann auch die Euro-5-Diesel treffen. 82 335 sind in München zugelassen, 23 163 davon innerhalb der Umweltzone. Zusätzlich gibt es 11 118 Euro-5-Lkw. Da diese Fahrzeuge wohl überwiegend nachgerüstet werden können, dürften in Euro-5-Kreisen Ausnahmegenehmigungen eine echte Ausnahme sein. Jacobs plädiert wie Oberbürgermeister Dieter Reiter dafür, die Autoindustrie zur Übernahme der Umrüstungskosten zu verdonnern.

Für unverzichtbar hält die Umweltreferentin auch weiterhin die Einführung der Blauen Plakette - oder genauer: zweier neuer Plaketten, eine für Euro 5 und eine für Euro 6. Denn ohne einen solchen Aufkleber lasse sich kaum kontrollieren, wer in die Umweltzone einfahre. Das Urteil des Bundesverwaltungsgericht lässt allerdings auch eine Verschärfung der Umweltzone ohne neue Plaketten zu. Dann müsste ein neues Schild eingeführt werden, das Autos mit guten Schadstoffwerten vom Zufahrtsverbot der Umweltzone ausnimmt.

Grünen-Fraktionssprecher Florian Roth hätte sich ein entschlosseneres Vorgehen der Stadt gewünscht. Man könne nicht sagen: "So lange es keine Plakette gibt, machen wir gar nichts". Roth schlägt vor, notfalls auf eigene Faust eine kommunale Plakette einzuführen - wer sie auf der Windschutzscheibe hat, wird nicht kontrolliert. Alle anderen müssten sich darauf einstellen, stichprobenartig herausgewunken zu werden. Ob ein Autofahrer alkoholisiert sei, sei ja auch nicht "von außen", sondern nur bei Kontrollen feststellbar - und niemand stelle deswegen das Alkohol-Limit in Frage. Der Grünen-Politiker fordert einen verbindlichen Zeitplan für Fahrverbote - die Stadt solle "vorpreschen".

© SZ vom 17.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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