Lauschangriff, Bestechung, Datenklau: Weltkonzern am Pranger

1. August 2017, 18:24
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Die Spionageaffäre um Plasser & Theurer wächst sich zu einem Agententhriller aus

Wien – Einbrüche bei Konkurrenten, illegale Telefonüberwachung, Gründung von Scheinfirmen, um Mitbewerber auszuspionieren: Dass derartige Praktiken, die eher an einen Agententhriller erinnern, auch in Österreich vorkommen sollen, war bisher schwer vorstellbar. Zumindest nicht bei angesehenen Industriekonzernen.

Doch bei privaten Ermittlungen im Auftrag des weltweit führenden Gleisbauers, Plasser & Theurer, sollen derartige Methoden vorgekommen sein. Das "Profil" berichtete am Wochenende, dass der Linzer Betrieb einen Mitbewerber systematisch habe bespitzeln lassen. – und sich die Justiz des Falles angenommen habe.

Noch weitere Causae

Aus Akten des Bundesamts zur Korruptionsbekämpfung, die dem STANDARD vorliegen, ergeben sich noch wildere Hinweise in der Causa. Demnach haben die von Plasser & Theurer (PT) beauftragten "Sicherheitsfirmen" nicht nur im Fall eines von Exmitarbeitern aufgebauten Konkurrenten "recherchiert", sondern in zahlreichen Causen geheimdienstartige Methoden angewandt. Die Staatsanwaltschaft Krems ermittelt daher gegen zahlreiche Beschuldigte u. a. wegen schweren Betrugs und Wirtschaftsspionage, darunter der ehemalige Konzernchef Josef Theurer und der jetzige Geschäftsführer Johannes Max-Theurer.

Deren Anwalt Peter Zöchbauer bestätigt zwar die Ermittlungen, betont aber, dass die genannten Personen mit der "angeblichen" Spionage nichts zu tun und davon auch keinerlei Kenntnis gehabt hätten. Auch in den Akten gibt es klare Hinweise darauf, dass die Detektive im Auftrag eines deutschen PT-Managers tätig wurden. Für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.

Konkurrenz durch Exmitarbeiter

Im Kern geht es um zwei langgediente Mitarbeiter der ebenso diskreten wie erfolgreichen Oberösterreicher, die weltweit Schienen verlegen und die dazu verwendeten Maschinen herstellen, verkaufen und vermieten. Die früheren Techniker verabschiedeten sich 2012 und gründeten ein Konkurrenzunternehmen namens S7 Rail Support (S7). Plasser & Theurer hatte keine Freude damit und engagierte private Detektive. Die pirschten sich über eine Scheinfirma an S7 heran und täuschten Interesse an neuen Geschäften in Südamerika und Russland vor.

Zur Geschäftsanbahnung wurden dann auch vertrauliche Unterlagen ausgetauscht, die das eigentliche Ziel der verdeckten Ermittler waren. Im Zuge einer Privatanklage von PT kam es dann auch noch zu Hausdurchsuchungen bei S7. Wohl nicht zuletzt wegen der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft packte der langjährige Sicherheitsberater des Marktführers aus.

Telefonate abgehört

In der Selbstanzeige von Sascha W. werden Methoden beschrieben und mit Gesprächsprotokollen und Tonbandaufnahmen dokumentiert, deren Wahrheitsgehalt zum jetzigen Zeitpunkt nicht überprüfbar ist. Stimmt nur ein Teil davon, scheute W. vor nichts zurück. Neben einer lückenlosen Beschattung der Ex-PT-Leute seien Peilsender verwendet, Telefonate überwacht und die Anrufdaten zurückverfolgt worden.

Das sei deshalb möglich gewesen, weil ein Kontaktmann einen "guten Bekannten bei der österreichischen Telekom hatte". "Dieser Telekom-Mitarbeiter soll auch Bestechungsgeld erhalten haben", heißt es in der Anzeige, in der W. Kronzeugenstatus beantragt. Auch das Abhören der Mailbox sei dadurch ermöglicht worden. Zudem sei ein Computerspezialist bei S7 eingeschleust worden, um PT ständig mit Informationen zu versorgen.

Auch Bestechung im Spiel

W. schildert auch einen Fall, bei dem ein türkisches Unternehmen namens Ankamak, das Ersatzteile günstiger als PT anbiete, bespitzelt worden sei. Wieder wurde über Scheinfirmen Geschäftsinteresse vorgetäuscht. Zudem sei es W. "gelungen, den Bankdirektor der türkischen Hausbank von Ankamak zu bestechen, um an Überweisungsdaten und Kontobewegungen zu gelangen". Dadurch konnte der Selbstanzeiger herausfinden, welche Kunden welche Geschäfte mit den Türken tätigen.

Dabei kommt eine deutsche Tochter des im Bahnbau auch international tätigen Vorarlberger Unternehmens Rhomberg Bau namens Jumbotec ins Spiel, die Abnehmer sowohl von Ankamak als auch von PT ist. Wegen der türkischen Geschäftsbeziehung wurde Jumbotec selbst überwacht. Rhomberg-Bau-Chef Hubert Rhomberg will sich die Vorgänge nun "in Ruhe anschauen", bis dato habe er keine Kenntnis von Spionage gegen die Gesellschaft.

Auch FBI soll im Spiel sein

Laut W. wurde auch ein US-Konzern über Tarnfirmen ausgespielt, und zwar bei einer geplanten Übernahme. Das soll mittlerweile zu Ermittlungen des FBI geführt haben, wobei sich auch diese Angabe am Dienstag nicht bestätigen ließ.

Auch ein polnischer Abnehmer des türkischen Ersatzteilherstellers soll ins Visier von PT geraten sein, schreibt W., wobei besonders rüde Methoden angewandt worden seien. Am Rande einer Messe in Berlin seien Leute "meines Teams" in das Hotelzimmer des Geschäftspartners eingebrochen und hätten dessen Computer geknackt. "Die kopierten Daten wurden Plasser & Theurer übermittelt."

"Spionagefilm"

Dass die Geschichte ziemlich abenteuerlich klingt, verhehlt auch W.s Anwalt Sebastian Lesigang nicht: "Auch nach meinen mehr als zwanzig Jahren Praxis in Wirtschaftsstrafsachen habe ich einen solchen Fall von Industriespionage noch nicht erlebt." Auch er kannte derartige Dokumentationen bisher nur aus Spionagefilmen, wie Lesigang sagt.

Was bewog nun W. zu der Selbstanzeige? Klarerweise will er damit straffrei ausgehen. Und sich künftig "neu auf dem Gebiet der Altenpflege orientieren". (Andreas Schnauder, 1.8.2017)

  • Plasser & Theurer dominiert den weltweiten Gleisbau und die Instandhaltung. Zur Fixierung der Schienen wurde ein bisher unerreichtes System entwickelt. Auch bei der Stopfung, bei der Schotter unter der Schwelle verdichtet wird, sind die Linzer der Konkurrenz voraus. Das Foto stammt aus einem Video von Plasser &Theurer.

    Plasser & Theurer dominiert den weltweiten Gleisbau und die Instandhaltung. Zur Fixierung der Schienen wurde ein bisher unerreichtes System entwickelt. Auch bei der Stopfung, bei der Schotter unter der Schwelle verdichtet wird, sind die Linzer der Konkurrenz voraus. Das Foto stammt aus einem Video von Plasser &Theurer.

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