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Smartphone und Tablet

Nichts für kleine Kinder

Smartphone und Tablet sind beliebte Spielsachen. Kinder können sich oft stundenlang damit beschäftigen, ohne dass ihnen langweilig wird. Für die Augen der Kleinen ist das aber gar nicht gut.
Annette Mende
20.09.2018  13:44 Uhr

Kinder und Jugendliche sollten lieber draußen spielen statt mit dem Smartphone auf dem Sofa zu sitzen. Dafür spricht neben vielen anderen guten Argumenten, dass sich dadurch ihr Risiko, kurzsichtig zu werden, verringert. »Die Weichen werden sehr früh im Leben gestellt. Je früher Kinder mit der Nutzung von Smartphones und Tablets beginnen und je häufiger sie sie nutzen, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie später kurzsichtig werden«, sagte Professor Dr. Bettina Wabbels von der Universitäts-Augenklinik in Bonn heute bei einer Pressekonferenz der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft in Berlin.

Wenn Kinder mit dem Smartphone spielen oder sich auf dem Tablet einen Film anschauen, sei ihre Aufmerksamkeit enorm fokussiert und über lange Phasen ausschließlich auf die Naharbeit gerichtet – viel stärker, als wenn man beispielsweise ein Buch mit ihnen anschaut. »Das führt dazu, dass der Augapfel wächst und länger wird. Und je länger das Auge wird, umso stärker ist man kurzsichtig«, erklärte Wabbels. Dabei komme es allein auf den nahen Abstand zum Auge an, die Größe des Bildschirms – ob Smartphone oder Tablet – sei nicht entscheidend.

Ein Auge, das einmal gewachsen ist, schrumpfe nicht mehr, die Kurzsichtigkeit bleibe daher ein Leben lang bestehen. In Deutschland sei inzwischen etwa die Hälfte der jungen Erwachsenen kurzsichtig; mit einer steigenden Tendenz sei zu rechnen. Problematisch sei weniger die Tatsache, dass Betroffene eine Brille oder Kontaktlinsen brauchen, um scharf sehen zu können, als vielmehr dass es durch den zu langen Augapfel zu Folgeerkrankungen wie Netzhautablösungen, altersbedingter Makuladegeneration oder grünem Star (Glaukom) kommen könne.

»Smartphones sind wie Süßigkeiten. Sie machen den Kindern Spaß, aber man muss den Konsum begrenzen«, verglich die Augenärztin. Wie bei Bonbons und Schokolade gelte auch bei den digitalen Medien: Je jünger das Kind, desto weniger ist erlaubt. So sollten Kinder bis zu drei Jahren überhaupt keine Smartphones und Tablets nutzen, Vier- bis Sechsjährige maximal 30 Minuten am Tag und Grundschulkinder lediglich bis zu eine Stunde täglich. Generell solle bei der Nutzung ein Mindestabstand von 30 cm zwischen Auge und Smartphone oder Tablet eingehalten werden.

»Ab zehn Jahren gilt für die Nutzungsdauer eine Obergrenze von zwei Stunden am Tag«, sagte Wabbels. Da viele Kinder in diesem Alter schon ihre eigenen Geräte besäßen, sei es wichtig, dass Eltern klare Regeln vorgeben und gegebenenfalls die tägliche Nutzungsdauer technisch begrenzen. Der hohe Blaulicht-Anteil der Bildschirmbeleuchtung macht wach und hindert am Einschlafen. Aus augenärztlicher Sicht sei bei Jugendlichen das Problem daher weniger die drohende Kurzsichtigkeit als vielmehr Schlaflosigkeit durch abendliche Mediennutzung. »In den letzten ein bis zwei Stunden vor dem Zubettgehen sollten am besten überhaupt keine digitalen Medien mehr genutzt werden und wenn doch, dann mit Blaulicht-Filter«, so die Expertin.

Für alle Altersgruppen gelte, dass Kinder und Jugendliche sich täglich mindestens zwei Stunden draußen aufhalten sollten. »Tageslicht ist auch an bedeckten Tagen um ein Vielfaches heller als Kunstlicht. Das beugt Kurzsichtigkeit vor«, so Wabbels. Vor allem in Städten sei daher das häufig geringe Freizeitangebot für ältere Kinder und Jugendliche im Freien problematisch – die Spielplätze sind meist nur für Jüngere attraktiv.

Wo es hinführen kann, wenn Kinder zu früh zu viel in die Nähe gucken, zeigt sich in einigen Ländern in Asien. »In Singapur sind mittlerweile 95 Prozent der jungen Erwachsenen kurzsichtig«, informierte Wabbels. Im Nachbarland Malaysia seien es nur halb so viele, obwohl die Bevölkerungen sich genetisch ähneln. Unterschiedlich sind aber die Lebensbedingungen. »In Singapur erfordert das Schulsystem sehr früh sehr viel Naharbeit. Viele Kinder gehen dort weniger als drei Stunden pro Woche ans Tageslicht«, erklärte Wabbels. Bei Kurzsichtigkeit sei maximal die Hälfte genetisch veranlagt. »Die andere Hälfte sind Umweltfaktoren.«

Da der Zusammenhang zwischen Naharbeit und Kurzsichtigkeit inzwischen sehr gut belegt ist, werden in chinesischen Grundschulen bereits Metallbügel eingesetzt, die die Kinder daran hindern, ihre Nasen zu nah an das Buch zu halten. Solch drastische Maßnahmen sind in Deutschland aber eher nicht zu erwarten.

Fotos: Shutterstock/Katsiaryna Pakhomava (oben), dpa (unten)

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