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Abschied vom Sandplacken

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Blick auf eine Institution: Drei Generationen haben im Tannenheim bewirtet.
Blick auf eine Institution: Drei Generationen haben im Tannenheim bewirtet. © Monika Müller

Nach 88 Jahren in Familienhand hat das „Tannenheim“ auf der Passhöhe geschlossen.

Unberührt liegt der Schnee vor der Eingangstreppe. Keine Spuren von Fußgängern oder Radfahrern. Im Aushang statt der Speisekarte ein letzter Gruß an die treue Kundschaft. Kein Zweifel: Das „Restaurant Café Tannenheim“ auf der Passhöhe hat geschlossen, ist am Endpunkt einer Ära angekommen.

Nach 88 Jahren in Familienhand steht das von Wald umgebene, zweigeschossige Haus zum Verkauf. „Ein Interessent ist da“, sagt Horst Scherber, der hier oben – auf 669 Metern über Normalnull – geboren ist und seit 1980 mit Ehefrau Ursula den gastronomischen Betrieb führt. Dass das Lokal bestehen bleibt und nach Renovierung erneut öffnet, scheint abgemachte Sache. Immerhin befindet sich die Traditionsstätte am Scheitelpunkt von Kanonen- und Siegfriedstraße, im Kreuzungsbereich vieler Wanderwege, unterhalb des nahen Feldbergplateaus.

Ausflügler wurden im „Tannenheim“ seit jeher bewirtet, Stammgäste kamen auch bei Regen und Nebel auf den Sandplacken. Obwohl das Kundengewerbe im Hohen Taunus ein stark wetterabhängiges und darum wechselvolles ist, sagt Horst Scherber mit Blick auf die vergangenen 38 Jahre: „Wir hatten immer ein gutes Geschäft.“

Das Fundament gelegt hat 1930 der Anspacher Wirt Adolf Jäger, der gegenüber vom damaligen „Hotel und Waldrestaurant Heid“ ein Fachwerkhaus mit holzverschalter Fassade erbaut, Kühe und Hühner im Nebenbau unterbringt. Tochter Ilse und Schwiegersohn Willi Scherber – dessen Familie eine Gaststätte am Bieberer Berg in Offenbach unterhält – übernehmen 1959. Gewohnt wird überm Gastraum und unter der Dachschräge. Dort, wo Horst Scherber zur Welt kam und anfangs mit Frau und Sohn wohnte, lebt heute eine Angestellte.

Längst hat sich die Welt unterm Feldberg verändert, ist das touristische Geschehen ein anderes geworden. Vom Tagesbesucher mit Gipfeldrang können nur wenige existieren – der Schwund an Wirtshäusern ist besonders im reizvollen Weiltal drastisch. An der gebirgigen Schwelle vom Vordertaunus zum Usinger Land wiegt der vorübergehende Verlust des „Tannenheims“ schwer: Wer backt nun solche Heidelbeerkuchen, solche Schwarzwälder und Kirschstreusel wie Ursula Scherber, wo kommen solche famosen Gutbürgerlichkeiten vom Schlage „Wersching mit Ochsenbrust“ auf den Teller? Aus gesundheitlichen Gründen kann der Chef des Hauses – „meine Ausbildung zum Koch begann im Kurhaus von Bad Homburg“ – nicht mehr weitermachen. 60 Jahre hinterm Herd fordern ihren Tribut. Dass am Ende jeder Öffnungstag ein Sonntag war – wer will es bezweifeln? Das Ehepaar spricht von einem „Abschied mit Tränen“. Wehmut hat dabei nicht nur die Gästeschar aus dem weiten Umland erfasst.

Vertraut und herzlich ging es zu, das zwölfköpfige Team „hat bis zur letzten Stunde durchgezogen“. Kontinuität als Erfolgsrezept. „Sich selbst um alles kümmern, anständig kochen und backen, Familienangehörige, die mitarbeiten“, so Scherber, dessen ebenfalls auf dem Sandplacken geborene Schwester Gisela Dudley stets für das Büffet zuständig war. „Draußen sitzen“ sei jetzt im Trend – „sommers wie winters“. Neben den 120 Sitzplätzen im Inneren war die Gartenrestauration für das Anwesen „Sandplacken 1“ jedenfalls immer schon eine feste Größe.

Auf Brunnen angewiesen

Auf Gold gebettet war man hier oben nie. Anfangs lieferte ein Generator den Strom, ein Brunnen muss bis heute für die Wasserzufuhr sorgen. Dass er im Trockensommer 2018 nicht mehr liefern konnte, stimmt bedenklich. Wo also einkehren, wenn bald noch der „Feldberghof“ seinen Ausschank verriegelt? In weiser Voraussicht haben sich zwei Wirte den Taunuspass als Betätigungsfeld erkoren. Adrian Apolzan vom „Hotel-Restaurant Sandplacken“ sagt es ganz schnörkellos: „Wir sind bereit.“ Schon jetzt registriert er mehr Kunden in seinem Haus, das auch Köstlichkeiten der deutsch-rumänischen Küche offeriert. „Wir werden niemanden enttäuschen“, so Apolzan. Eine Botschaft, die nicht nur für die stets donnerstags alle Taunuswinkel erkundende Wandergruppe aus Altweilnau eine frohe sein dürfte.

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